Engpässe bei Verlagen

Vorübergehend nicht lieferbar

10. September 2015
von Börsenblatt
Sorry, Lieferengpass − auch wenn das lang ersehnte Buch zu haben sein sollte, kann der Weg zum Buchladen erfolglos sein. Wir haben bei den aktuellen Titeln von Navid Kermani, Günter Grass und Anke Stelling nach den Gründen für die Ausfälle gefragt. Und interessante Antworten erhalten.

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht in diesem Jahr an den Orientalisten, Schriftsteller und Essayisten Navid Kermani. Dessen jüngstes Sachbuch "Ungläubiges Staunen" (C.H. Beck) dokumentiert die eigene Konfrontation des Autors als Muslim mit Werken des christlichen Glaubens. Bereits fünf Werktage nach der Veröffentlichung war der Titel vorübergehend nicht mehr lieferbar. Kalkül vom Verlag, um das Interesse zu steigern? Katrin Dähn, zuständig für Presse- und Lizenzarbeit bei C.H. Beck, versichert, dass die Engpässe auch für den Verlag eine Überraschung gewesen seien. Die simple Antwort auf die Frage nach dem Grund für die Lieferschwierigkeiten  liegt in diesem Fall in der längeren Produktionszeit des Papiers: "Bei dem neuen Werk von Navid Kermani steht die Bildbetrachtung im Vordergrund, deshalb haben wir bei der Produktion Wert auf besonderes und hochwertiges Papier gelegt. Natürlich müssen wir uns momentan beim Nachdruck mit der Druckerei und anderen Aufträgen arrangieren. Wir wussten, dass unser ausgewähltes Papier eine längere Poduktionszeit hat, waren aber selbst vom plötzlichen Erfolg des Titels ein wenig überrascht. Daher überbrücken wir nun einige Tage, bis der Titel wieder lieferbar ist." 

Auch der Steidl Verlag kämpft derzeit mit Lieferengpässen bei Grass' letztem Werk "Vonne Endlichkait". Als Grund nennt der Verlag die begrenzten zur Verfügung stehenden Kapazitäten. Da die Bücher im Haus produziert werden – gebunden wird außerhalb – ist es  durchaus eine Herausforderung, wie in diesem Fall eine Auflage von 50.000 Exemplaren herzustellen. Dass die manchmal jedoch nicht ausreicht, ist gerade bei den Grass-Titeln nichts Ungewöhnliches, wie Matthias Wegener, Marketing Director beim Steidl Verlag bestätigt. Aktuell sei seiner Meinung nach auch die erfreuliche Resonanz innerhalb der Presse ein Grund hierfür gewesen, so Wegener. Das sei bei Grass-Titeln schließlich auch nicht immer der Fall. Die Kunden nehmen es gelassen: Meist würden die Titel einfach vorgemerkt und zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekauft werden. Nur hier und da käme es schon einmal vor, dass ein Kunde lieber die Erstausgabe erwischt hätte.

Beim Verbrecher Verlag war der Jubel groß, als die Platzierung des Romans "Bodentiefe Fenster" der Autorin Anke Stelling auf der Longlist des Deutschen Buchpreises bekannt wurde. Die zweite Auflage des Titels war bereits im Handel, die dritte in Planung. Evelyn Rahm, zuständig für PR- und Öffentlichkeitsarbeit, sagt dazu: "Die Platzierung auf der Longlist war für uns eine Überraschug, wir konnten gar nicht unmittelbar reagieren. Die dritte Auflage war allerdings ohnehin in Planung, nun kam sie eben etwas schneller." Mittlerweile ist die auch im Handel erhältlich.

Doch wie sieht's eigentlich im Buchhandel aus, wenn das Wunschbuch kurzzeitig nicht erhältlich ist? In der Regel bleiben die Kunden gelassen, sobald ein Titel nicht vorrätig ist. Besonders wenn Autoren gerade gestorben sind oder einen wichtigen Preis erhalten haben, steigt die Nachfrage stark an. Dann kann es auch schon mal passieren, dass Büchhändler auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten müssen. Und wenn sie nicht gerade ein Auge auf die Erstauflage geworfen hat, wird die Kundschaft ein paar Tage Wartezeit sicherlich verschmerzen können.