Festival "Nach oben offen"

Roter Teppich für Literatur-Stars

31. Mai 2010
von Börsenblatt
Kleiner Ort, große Veranstaltung: Vor mehr als 1.000 Besuchern gaben sich Reinhold Messner und Ben Becker am Samstag ein Stelldichein auf der Freilichtbühne in Wiesmoor (Ostfriesland). Anlass war das Literaturfestival "Nach oben offen", bei dem außerdem Andrea Sawatzki und Christian Berkel mit dem Hörbuch-Award ausgezeichnet wurden.

Es ist warm, sonnig und windstill auf dem Gelände der Freiluftbühne in Wiesmoor. Mehrere hundert Augenpaare sind auf einen Mann in blauem Hemd und schwarzem Sakko gerichtet, der – gänzlich unbeeindruckt von den milden Frühlingstemperaturen – von Kälte, Eis und Stürmen berichtet. Reinhold Messner ist Extrembergsteiger, und deshalb nimmt er die Besucher auf dem lauschigen Festival-Platz mit auf eine Reise zu den höchsten Gipfeln dieser Welt. Zum Schluss verrät er noch, was ihn jung hält: "Herausforderungen", sagt Messner. "Ich freue mich immer auf das, was noch vor mir liegt."

Eine Veranstalterin, die Herausforderungen liebt

Herausforderungen – die mag offenbar auch die Veranstalterin Susanne Köster-Schoon. Die Inhaberin von Susannes Buchhandlung in Wiesmoor hat das Literaturfestival "Nach oben offen" auf die Beine gestellt, und zwar in Eigenregie. Während viele Veranstalter schon vor einer zweistündigen Lesung zurückschrecken und große Namen aus Kostengründen lieber nicht verpflichten, hat Köster-Schoon an diesem Festival-Samstag gleich vier Stars nach Ostfriesland gelockt: Neben Messner sind nachmittags auch die Schauspieler Andrea Sawatzki und Christan Berkel zu Gast, abends inszeniert Ben Becker mit seiner Band das Bühnenabenteuer "Der Seewolf".

Das Konzept: Literatur als Event

Ihre wichtigste Bedingung an eine gelungene Veranstaltung: Das Drumherum muss stimmen. Deshalb rollt die ehemalige Nachrichtenredakteurin für ihre Gäste den roten Teppich aus und hat sich gastronomische Partner ins Boot geholt, die kulinarische Genüsse in hübschen Pagodenzelten anbieten. Auch Security-Mitarbeiter in schwarzen Anzügen, ein Jazz-Ensemble und eine professionelle Sponsoren-Leinwand, vor der man sich mit seinem Star fotografieren lassen kann, gehören dazu. Literatur als Event – geht das Konzept auf?

Hörbuch-Award für Andrea Sawatzki und Christian Berkel

Als Andrea Sawatzki mit Christian Berkel aus dem Roman "Gut gegen Nordwind" (Zsolnay, Taschenbuchausgabe bei Goldmann) von Daniel Glattauer vorliest, sind noch mehr der leuchtend roten Plastiksitze auf der Tribüne besetzt. Gespannt verfolgen die Gäste die Geschichte zweier Menschen, die sich nur per Mail kennen und rettungslos ineinander verlieben. Kein Wunder: Sawatzki und Berkel lesen mit klarer, ruhiger Stimme. Die Betonung ist perfekt, es gelingt problemlos, in die humorvolle Geschichte einzutauchen.

Das Schauspieler-Ehepaar aus Berlin hat sich besonders gerne auf den Weg in den 13.000-Einwohner-Ort gemacht: Mehr als 100.000-mal hat sich das Hörbuch "Gut gegen Nordwind" (Hörbuch Hamburg) verkauft. Dafür gibt es in Wiesmoor den Hörbuch-Award, über den sich die beiden TV-Mimen ordentlich freuen. Die Ostfriesen zeigen ganz nebenbei, dass das Klischee von den spröden Norddeutschen nicht immer stimmt: Schon für Messner gab es stehende Ovationen, auch bei der Hörbuch-Preisübergabe sparen die mittlerweile wohl mehr als 1.000 Besucher nicht mit kräftigem Applaus.

Begeisterte Stimmen aus dem Publikum

Ingesamt geben sie dem Festival gute Noten: "Lesungen und Schauspiel unter freiem Himmel – das ist doch herrlich", findet Verena Kakuschke, die mit ihren beiden Kindern Bele und Ole im Publikum sitzt. Und Johann und Renate Hanssen, die sich besonders auf Ben Becker freuen, ergänzen: "Hinter dem Festival steckt unglaublich viel Mühe und Organisation ­ – es ist ja nicht damit getan, ein paar Plakate zu kleben."

Einsatz ohne Reue

Dass das stimmt, weiß keiner besser als Susanne Köster-Schoon. Die Buchhändlerin flitzt an diesem Tag pausenlos über das Gelände, begrüßt Stars und Besucher, löst kleine und größere Probleme und schafft es dabei irgendwie, einen freundlichen und entspannten Eindruck zu vermitteln. Hat sie es im Zuge der stressigen Planungen bereits bereut, eine Großveranstaltung wie "Nach oben offen" auf die Beine zu stellen? "Nein, wieso denn?", fragt die Buchhändlerin verwundert: "Das macht doch Spaß." Dann steuert sie mit Andrea Sawatzki, Christian Berkel und einer dichten Menschentraube auf den Signiertisch zu und ergänzt: "Außerdem ist es schön zu sehen, wenn der Funke überspringt."