Finanzbericht des Börsenvereins: Interview mit Schatzmeister Matthias Heinrich

"Wir werden uns entscheiden müssen"

9. Juni 2016
Redaktion Börsenblatt
Die Mitgliederzahlen sinken, die Einnahmen des Börsenvereins damit auch: Schatzmeister Matthias Heinrich über die hohe Kunst des Wirtschaftens – und den Schmerz beim Sparen.

Die Zahl der Börsenvereins­mitglieder ist 2015 unter die 5 000er-Marke gerutscht. Die Mitglieder werden über die Jahre immer weniger. Wie kann der Börsenverein mit dem damit verbundenen kontinuierlichen Beitragsrückgang umgehen?
Heinrich: In den beiden zurückliegenden Vereinsjahren und im Jahr 2016 konnte die 2013 in der Hauptversammlung beschlossene moderate Beitragsanpassung die Rückgänge kompensieren. 2017 wird dies nicht mehr der Fall sein. Es gelingt uns zwar, wegen zahlreicher Einsparungen ein ausgeglichenes Budget auf die Beine zu stellen – allerdings auch aufgrund nicht erwarteter, positiver externer und interner Einflüsse. Kurz- und mittelfristig wird man sich entscheiden müssen, ob man den Leistungs­umfang für die Mitglieder beziehungsweise deren Etatansprüche reduziert – oder aber erneut an das Thema Beitragsanpassung herangeht.
 
In der Hauptversammlung am 24. Juni werden Sie den Finanzbericht für das zurückliegende Vereinsjahr präsen­tieren (für Mitglieder hier abrufbar) – wirken sich die sinkenden Beiträge jetzt schon negativ aus oder können Sie von einer stabilen Finanz­lage berichten?
Heinrich: Im Jahresabschluss 2015, den ich auf der Hauptversammlung in Leipzig präsentiere, wird ein solides Ergebnis ausgewiesen; auch die Hochrechnung für 2016 gibt keinen Anlass zur Sorge. Aber 2017 wird die negative Beitragsentwicklung bei den Erlösen richtig spürbar werden – auch wenn das Budget beim operativen Ergebnis aufgrund von Sondereffekten und eingeleiteten Etatmaßnahmen eine rote Null ausweist. Weh tut uns zum Beispiel der komplette Wegfall der Mietvoraus­zahlungen vom Kuratorium Haus des Buches in Leipzig ab 2017.

Wie kann der Börsenverein den Ansprüchen und Bedürfnissen der Mitglieder auch bei sinkenden ­Einnahmen noch gerecht werden?
Heinrich: Wenn ich das Budget für 2017 in Leipzig erläutere, dürfte erkennbar werden, dass eine vernünftige Aus­gabenpolitik trotz des Rückgangs beim Beitragsaufkommen und bei den Mieteinnahmen möglich ist. Einflüsse von außen können wir aber nicht selbst steuern, deshalb muss das Hauptamt eine Planung vorlegen, die sich stets an den operativen internen Möglichkeiten orientiert. 2017 und 2018 kann das noch gelingen, ab 2019 aber wird dies bei konstanten Beitragsrückgängen ohne Leistungskürzungen kaum möglich sein.

Wo lässt sich denn noch sparen, ohne dass es schmerzt?
Heinrich: Es geht nicht nur um Schmerz beim Sparen, es geht um die negative Kombination von sinkenden Erlösen und im besten Fall stagnierenden Ausgaben. Irgendwann ist der Bogen überspannt, dann muss man gemäß klar festgelegter und abgestimmter Prioritäten Einsparvorschläge umsetzen. Diese können durchaus schmerzhaft und unpopulär sein, das haben die Diskussionen über die Stiftung Buchkunst auf den Buch­tagen 2015 gezeigt. Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass erhebliche Anstrengungen zur Einnahmen-­Generierung unternommen werden, zum Beispiel die Suche nach geeigneten Sponsoren.

Schon im vergangenen Jahr haben Sie auf die Folgen des niedrigen Zins­niveaus in der Eurozone hingewiesen. Hat sich die Lage bei den Pensions­rückstellungen in den vergangenen zwölf Monaten weiter verschärft?
Heinrich: Die Position Zinsen für Pensionsrückstellungen wurde durch eine Gesetzes­änderung im Februar 2016 zugunsten der Unternehmen entlastet. Die Periode zur Berechnung des relevanten Durchschnittszinssatzes ist von sieben auf zehn Jahre gestreckt worden. Auf der Hauptversammlung werde ich die Auswirkung dieses Vorgangs kurz erläutern. Letztlich entlastet uns das im Vereinsjahr 2016 und auch in der Planung 2017 um 200 000 Euro. Doch aufgeschoben ist leider nicht aufgehoben …

Die Buchtage finden diesmal in Leipzig statt, nicht in Berlin – und mit abgespecktem Programm. Auch ein Spar­faktor im Etat?
Heinrich: Wir haben dadurch in der Tat im Jahr 2016 Einsparungen, eine Expertengruppe hat aber schon überprüft, ob dieser positive Effekt am Standort Leipzig gegenüber anderen Standorten wie Berlin nicht mittel- bis langfristig verpuffen könnte. Wir brauchen eine attraktive Veranstaltung, müssen Bundes- oder gar Europa­politiker erreichen und außerdem die Mitglieder im wahrsten Sinne des Wortes »mitnehmen«. Aus all diesen Gründen hat sich der Vorstand vor Kurzem dafür ausgesprochen, die Buchtage 2017 wieder in Berlin stattfinden zu lassen.

Die Marketingkampagne "Vorsicht Buch!" hat die Außenwahrnehmung der Buchbranche positiv beeinflusst. Was kann man in der aktuellen Ertragssituation tun, damit das so bleibt? Schließlich kommt eine solche Kampagne nicht ohne entsprechendes Budget aus ...
Heinrich: Wenn Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis die Ergebnisse und Erfolge der Kampagne präsentiert, dann muss man objektiv feststellen: Hut ab! Die Marketingkampagne wird aus Gewinnausschüttungen der Wirtschafts­betriebe finanziert. Als die Wirtschaftsbetriebe wegen einer strukturellen Neuorganisation der Unternehmen nicht das gewohnte Ergebnis ausweisen konnten, habe ich als Schatzmeister mit dem Hauptamt darauf geachtet, dass der Börsenverein seine Töchter MVB und Frankfurter Buchmesse GmbH nicht zu sehr "auszehrt". Die Kampagne wurde daraufhin vorüber­gehend mit minimalem Aufwand wenigstens am Laufen gehalten; in den kommenden Jahren wird »Vorsicht Buch!« wieder forciert, da es die Ergebnissituation der Wirtschafts­betriebe erlaubt. Die Akzeptanz der Kampagne ist da, die Wirkung spürbar; jetzt gilt es weiterhin, die Branche maßvoll in der Gesellschaft zu positionieren und Marketing für das Buch zu betreiben.

Der Börsenverein setzt gerade die beschlossene Verbandsreform um. Wie begleitet der Schatzmeister diesen Prozess?
Heinrich: Mit der Vorgabe, keine Reform zum Selbstzweck oder zur rein qualitativen Optimierung zu realisieren, sondern auch für quantitative Verbesserungen zu sorgen. Wir sparen durch die Zusammenführung der Fachausschüsse Personal ein, aber das allein kann es nicht gewesen sein. Vor dem Hintergrund der Etatsituation muss immer auch an das wirtschaftliche Umfeld gedacht werden. 

Die Wirtschaftstöchter arbeiten im gleichen Branchenumfeld wie der Börsenverein. Gibt es auch dort schwierige Entwicklungen und sinkende Einnahmen?
Heinrich: Die Wirtschaftsbetriebe entwickeln sich trotz ihrer an die Branche gekoppelten Geschäftsmodelle stabil, sie schreiben ordentliche schwarze Zahlen. Schwierig wird es, wenn Projekte oder Produkte entwickelt und im Markt gehalten werden, die nicht wirklich nachhaltig schwarze Zahlen schreiben. Da muss man sich vor dem Hintergrund der Fakten fragen, ob man diese Defizite bewusst zur Erreichung eines politischen Effekts in Kauf nehmen will. Oft diskutiert wird hier zum Beispiel das Produkt buchhandel.de bei der MVB, das defizitär ist. Viele wollen es erhalten, aber keiner ist bereit, das Defizit zu übernehmen – ein klassisches Dilemma.

Sie treten als Schatzmeister des Verbands bei der Hauptversammlung zur Wiederwahl für weitere drei Jahre an –nach einer längeren Überredungszeit oder aus eigener Motivation?
Heinrich: Ich habe mich in die Funktion und in die Materie eingearbeitet, inzwischen stecke ich voll im Thema drin und kann nahezu alle Zusammenhänge und Zahlen verstehen, beurteilen und vor allem auch plausibel und verständlich für die Mitglieder darstellen. Der Zuspruch aus der Mitgliedschaft, die Arbeit im Vorstand noch einmal drei Jahre als Schatzmeister anzupacken, hat mich zusätzlich motiviert. Der Gestaltungsspielraum ist zwar etwas geringer, als ich gedacht hatte, aber die Komplexität der Aufgabenstellung ist eine Herausforderung, der ich mich bei einer Wiederwahl gern drei weitere Jahre stellen will.


Weitere Informationen für Mitglieder: Der ausführliche Finanzbericht des Börsenvereins kann online hier abgerufen werden, unter der Tagesordnung der anstehenden Hauptversammlung am 24. Juni.