Für sein Buch "Kritik der schwarzen Vernunft"

Geschwister-Scholl-Preis 2015 an Achille Mbembe

8. Oktober 2015
von Börsenblatt
Für sein Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“ (Suhrkamp) wird Achille Mbembe vom Börsenverein Landesverband Bayern und der Landeshauptstadt München mit dem 36. Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet. Die Jury lobt den Historiker für seine Analyse der Globalisierung.

Mbembes Hinweise auf die „Afrikanisierung“ unterschiedlicher Weltteile könnte aktueller nicht sein, so die Jury in ihrer Begründung. Das Buch komme genau zur rechten Zeit: „Es schärft den Blick auf eine globalisierte Weltgesellschaft, die nicht nur Waren und Kapital verschiebt, sondern auch Menschen und Arbeitskraft.“  Vielleicht sei dieser Hinweis auch ein Hinweis an Europa, „mit seinen eigenen Versprechungen gegen die eigenen Praktiken ernst zu machen.“

Die Erfindung des Schwarzen

Mit seiner Analyse „Kritik der schwarzen Vernunft“ (Suhrkamp 2014, 332 S., 28 Euro) habe er jetzt nicht weniger vorgelegt als eine Neuvermessung der Geschichte des Kapitalismus und der Globalisierung. „Seine Hauptthese in diesem kraftvoll geschriebenen Buch lautet, dass die globalen Waren- und Kapitalströme ohne die Etablierung einer Asymmetrie zwischen den Weltteilen nicht möglich gewesen wäre.“ Diese Asymmetrie wurde aus Sicht Mbembes jedoch nicht abstrakt hergestellt, sondern ist Folge  einer, wie er sagt, „schwarzen Vernunft“ – der Erfindung des Schwarzen, des „Negers als einer pejorativen, ja schwarzen Figur, die die Augenhöhe einer Idee der Menschheit in toto unmöglich macht.“

Die Lektüre von Mbembes Buch sei bisweilen verstörend, urteilt die Jury – verstörend in der Konsequenz, die der Autor in seine Argumentation einbringe. „Es wird dem westlichen Leser mit seinen eigenen Mitteln vorgeführt, wie die konstitutive Hierarchie zwischen dem Schwarzen und dem Menschen das letztlich europäische Konzept des Menschen ad absurdum führt.“ Sein Werk zeuge von geistiger Unabhängigkeit und sei geeignet, „bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben.“ Er zeige, dass der Rassismus keine normative Abweichung von der europäischen Aufklärung darstelle, sondern eines ihrer konstitutiven Momente.

Achille Mbembe, Historiker und politischer Philosoph, wurde 1957 im Kamerun geboren, lebte einige Jahre in den USA und heute in Südafrika. Er zählt zu den Vordenkern des Postkolonialismus. Mbembe lehrt nach Stationen an der Columbia University, der University of California in Berkeley, der Yale University und der Duke University heute an der University of the Witwatersrand in Johannesburg.

Preisverleihung und öffentliche Lesung bei Lehmkuhl

Der Geschwister-Scholl-Preis wird im Rahmen des Literaturfests München vergeben, die Preisverleihung findet am 30. November in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität statt. Einen Tag später, am 1. Dezember, wird Mbembe dann zu einer öffentlichen Lesung in der Buchhandlung Lehmkuhl erwartet.

Der Börsenverein Landesverband Bayern und die Landeshauptstadt München vergeben den mit 10.000 Euro dotierten Geschwister-Scholl-Preis 2015 zum 36. Mal.  Zu den Preisträgern zählten in den vergangenen Jahren unter anderem Glenn Greenwald, Otto Dov Kulka, Andreas Huckele (Pseudonym Jürgen Dehmers), Liao Yiwu, Joachim Gauck, Roberto Saviano, David Grossman und Anna Politkovskaja.

Der Fachjury unter dem Vorsitz des Münchner Kulturreferenten Hans-Georg Küppers und Michael Then, Vorsitzender des Börsenvereins Landesverband Bayern, gehörten 2015 an:

Jobst-Ulrich Brand ("Focus"), Carolin Emcke (Publizistin), Ina Hartwig (Publizistin), Lorenz Jäger (FAZ), Armin Nassehi (LMU / Soziologie), Johan Schloemann ("Süddeutsche Zeitung") und Cornelia Zetzsche (Bayerischer Rundfunk).

Als Vertreter des Börsenvereins Bayern waren außerdem Ulrich Dombrowsky (Buchhändler, Regensburg), Michael Krüger (Schriftsteller und Publizist) und Thomas Rathnow (DVA) Mitglied der Jury, von Seiten des Stadtrats Klaus Peter Rupp (SPD), Marian Offman (CSU) und Florian Roth (Bündnis 90 / Die Grünen / Rosa Liste). Zu den beratenden Mitgliedern gehörten diesmal Hildegard Kronawitter (Weiße Rose Stiftung) sowie die Stadträtinnen Ulrike Grimm (CSU) und Constanze Söllner-Schaar (SPD).