Gastspiel

Entscheidende Kundenbringer

15. März 2012
von Börsenblatt
Großfläche ist nicht gleich Großfläche, meint Buchhändler Thomas Wrensch. Ein gutes Angebot bringt gute Quadratmeterumsätze.
In den vergangenen Jahren, in denen der Buchhandel Umsatzsteigerungen verzeichnen konnte, haben alle auf riesige Flächen gesetzt. Jetzt liest man Woche für Woche, dass Filialisten ihre Großflächen verkleinern, und man wird nachdenklich: Lohnt sich eine Großfläche überhaupt noch? Wir haben seit zwölf Jahren eine 2.000 Quadratmeter große Fläche in der Braunschweiger Innenstadt und sehen durchaus die Risiken, die in der Fläche liegen. Aber auch die Chancen.

Mein Bruder Joachim und ich haben gerade den Mietvertrag für die Buchhandlung Graff bis 2025 verlängert und so den Standort gesichert. Damit ist natürlich auch ein Risiko verbunden: Wenn es Umsatzrückgänge gibt, könnten wir auch Probleme bekommen. Der praktikabelste Ausweg in einer solchen Situation: Wir könnten untervermieten, an einen Mieter, der zu uns als Buchhandlung passt und uns neue Kundenkreise erschließt. Ein Computerladen vielleicht, oder Schreibwaren. Wichtig dabei wäre, dass die Trennung zwischen Shop in Shop und der Buchhandlung räumlich sichtbar wird und nicht der Eindruck entsteht, Graff würde ein Gemischtwarenkaufhaus werden.

Die Hauptaufgabe für Buchhandlungen – und für solche mit Großflächen noch einmal mehr – wird sein, attraktive Zusatzsortimente zu finden, die das Charakteristische einer Buchhandlung nicht verwässern. Sicher müssen wir Buchhändler heute vieles andenken, was wir früher weit von uns gewiesen hätten. Aber 40 Prozent Zusatzsortiment kann’s nicht sein. Inmitten unzähliger Plüschteddys im Eingangsbereich habe ich als Kunde nicht mehr den Eindruck, dass es noch um Bücher und Inhalte geht.

Dabei ist Großfläche nicht gleich Großfläche. Hugendubel am Münchner Marienplatz funktioniert vermutlich. Das ist eine Institution, und der Kunde weiß: Hier kann ich aus dem Vollen schöpfen. Entscheidend ist die Sortimentstiefe. Der Kunde merkt, wenn die Titel alle zigfach platziert sind. Da macht Großfläche einfach keinen Sinn. Wir hatten zum Beispiel auf unserer Fläche weitaus mehr Titel als Thalia in der Nachbarschaft. Auch kleine Verlage mit besonderen Titeln, eine gute Auswahl. Und dadurch gute Quadratmeterumsätze.

Beim Betreiben einer Großfläche geben manchmal Kleinigkeiten den Ausschlag. Die wichtigste ist die ständige Marktbeobachtung: Was wollen meine Kunden? Graff ist seit 140 Jahren in Braunschweig, wir kennen die Kunden vor Ort und können sehr schnell reagieren, auch wunderbar Braunschweig-spezifische Titel anbieten. Als das Musikhaus Salzmann geschlossen hat, haben wir gleich die CDs übernommen, kein leichtes Geschäft, weil heute viel downgeloaded wird – aber die CDs bringen und binden Kunden. Ein Kundenbringer sind auch die Zeitschriften im Eingangsbereich. Die Braunschweiger wissen: Graff hat 2.500 Zeitschriften, da verzeichnen wir seit drei Jahren gute Steigerungen.

Und der Kunde muss auf der Fläche immer wieder überrascht werden. Letztes Jahr haben wir bei den Krimis Hardcover und Taschenbücher zusammengebracht, wir können Abteilungen ausbauen und verkleinern, die Thementische werden alle zwei Wochen neu bestückt – es muss sich ständig etwas ändern, damit die Großfläche lebt. Wir haben eine Mitarbeiterin, die toll Non-Books dazu dekorieren kann, das Erscheinungsbild macht neugierig: Der Kunde bekommt Lust zum Zugreifen. Und das ist wortwörtlich dann schon die halbe Miete.

Thomas Wrensch ist Mitinhaber der Buchhandlung Graff in Braunschweig.