Handy-Bilderflut und Kalenderverlage

Bojen im Bildermeer

18. Mai 2015
von Börsenblatt
Mit dem Handy kann heute jeder gute Fotos machen. Die Sehgewohnheiten verändern sich – auch die Erwartungen an die Farbbrillanz von Bildern. Ute Edda Hammer über die Folgen für Kalenderverlage.

Ob in den Straßen, Geschäften, Magazinen, im Fernsehen: Wir sind umringt von immer mehr Bildern. Auch zunehmend von bewegten Bildern, auf Flachbildschirmen in der U-Bahn, in Bahnhöfen, Cafés und Bistros.

Bilder überall. Jederzeit verfügbar. Immer präsent. Und fast jeder produziert ständig immer mehr Bilder. Mehr mit dem Smartphone als mit dem Fotoapparat, und dennoch in erstaunlich guter Qualität.

So stellen sich viele Fragen für uns Kalenderverleger: Noch mehr Bilder von uns für die Wand? Auf Papier? Unbewegt? Und wir fragen uns ganz grundsätzlich, wie die Bilder und Fotografien aussehen müssen, damit sie den Weg an die Wand des Kalenderkäufers finden.

Unsere Sehgewohnheiten wandeln sich. Durch das Leben am Computerbildschirm, durch Flachbild-TVs und die konstante Nutzung von Smartphones und Tablets gewöhnen sich die Augen zunehmend an eine starke Farbigkeit, da die Bildschirme im Grunde "Leucht"-schirme sind. Die Farben wirken viel intensiver, als sie in der Wirklichkeit waren oder sind.

Die Übertragung der Fotos auf nicht hinterleuchtetes Papier stellt uns jedoch beim Drucken vor die Herausforderung, ob und wie stark wir die Farben anpassen. Die Bilderwelten der Kalender stehen in starker Konkurrenz zur uns umgebenden Wirklichkeit. Verstärkt man die Farbigkeit so, dass es sehr wirklichkeitsnah wirkt, aber de facto nicht ist? Wirkt es künstlich oder gar billig? Die Gratwanderung ist oft beachtlich und fordert eine intensive Zusammenarbeit mit der Repro-Abteilung, um eine Feinjustierung der Fotografien herzustellen.

Wir konnten in den vergangenen Jahren feststellen, dass die Kunden kaum farbschwache oder "flaue" Fotografien wünschen. Es müssen bildstarke Motive in kräftigen Farben sein, die aber auf keinen Fall künstlich oder bearbeitet wirken sollten. Die Bilderflut hat durchaus dazu geführt, dass die Menschen genauer schauen und Bildqualitäten sehr genau beurteilen und unterscheiden können. Und dazu, dass der Kalenderkäufer von uns herausragende Qualität in jeder Hinsicht erwartet: Motive, die er nicht knipsen könnte, Stimmungen, die er nicht einfangen kann und Momente, die einzigartig sind. Sehnsüchte in Bildern erfüllen – wenigstens dort können wir das.

Aber dies ist nur eine von vielen möglichen Bildsprachen. Je nach Zielgruppe begegnen wir sehr unterschiedlichen ästhetischen Vorstellungen der Kunden.

Wirkt eine helle Farbigkeit verblichen, etwas retro, kann diese Art der Fotografie für eine jüngere Zielgruppe gezielt eingesetzt werden. Damit einher geht in der Regel auch der schnappschussartige Charakter der Fotos; lebendig, unkonventionell, suggerierend, das Foto sei mit dem Handy fotografiert. Die Fotos können montiert sein, auf unterschiedlichste Farbgründe gesetzt, mit Schriften versetzt und von dekorativen Mustern gekrönt werden.

Die Bilderflut zeitigt auch den Wunsch nach einer reduzierten Bildsprache, nach Fotos mit klarem Bildaufbau, kontemplativ, still, schweigend, Ruhe bringend, dem knallbunten Alltag entwischend.

Aber es gibt auch jene Entwicklung: keine Bilder mehr, sondern nur Farbe und Zitate. Eine Bilderebbe, die als angenehm empfunden wird.