homunculus-Verleger Joseph Reinthaler über seinen ersten Messeauftritt

Unvermittelt tritt Literatur auf

23. März 2016
von Börsenblatt
Der homunulus verlag, gegründet 2015 von vier ehemaligen Literatur- und Buchwissenschaftsstudenten in Erlangen, war in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Leipziger Buchmesse. Joseph Reinthaler erzählt wie es war, so zwischen Verbrecher Verlag, taz-Kaffee und Compact Verlag.

Vorzustellen: homunculus verlag (der werte Name) – indie, jung, brandneu. Und diesjähriger Erstaussteller auf der Leipziger Buchmesse. Vier ehemalige Literatur- und Buchwissenschaftsstudenten der FAU Erlangen schnüren das Päckel und packen einen alten Peugeot und einen etwas weniger alten Škoda. Der Peugeot ist derart überladen, dass ich bei jedem leichten Anstieg einen Gang zurückschalte. Die erste groß ausgeschriebene Ortschaft Thüringens an der A9 nach der Bayerischen Grenze heißt Lederhose. Auf der Rückfahrt nach Bayern werden wir ein Autobahnschild lesen: München / Nürnberg / Lederhose. Ja: So unvermittelt tritt Literatur auf.

Es ist spät am Vorabend der Messe. Die Hallen stehen weit offen, an den Ständen parken die Kombis der Aussteller, die Luft ist eisig und ein jeder eifrig – wir auch.

Jung und unabhängig (vor allem Zweiteres): das ist die Halle 5. Unser Stand G116 befindet sich direkt an der Leseinsel Junge Verlage zusammen mit den übrigen Verdächtigen: dem Verbrecher Verlag, Hablizel, Verlagshaus Berlin, Voland und Quist, der Connewitzer Verlagsbuchhandlung (unsere direkten Nachbarn) etc. Man kennt sich bereits – die einen mehr, die anderen weniger. Der Stand der Berliner Verlagshäusler ist schwarz – schwarz die behangenen Wände, schwarz die Frauen und Kerls. Und ihr Schnaps ist schwarz. Ein hausgemachter Lakritzlikör. Der Nachbar Hablizel hat sich mit einem Kühlschrank und belgischem Bier ausgestattet. Wir werden unserem Ruf als Zugereiste gerecht und haben Grassl Gebirgsenzian am Stand (Ah! Der Gute!). Stefan Möller schreibt am Montag darauf (LEO Magazin – Rubrik Dies & Das aus dem Literaturbetrieb): »Eine schöne Mischung aus Professionalität (Enzianschnaps am Stand) und Anfängerfehler (Enzianschnaps schon am zweiten Tag alle).« Das müssen wir mit großem Bedauern zugeben.

Doch wir sind es zufrieden: Man ist frischgebackener Kollege unter Kollegen und an Interesse fehlt es durchaus nicht. Die Karawane der Buchhändler, die sich mal Jörg Sundermeier, mal Markus Hablizel für einen Indie-Verlags-Rundgang durch Halle 5 anschließen, sind ebenso eifrige Besucher unseres Newcomer-Standes wie Blogger, Redakteure und jenes interessierte Publikum, das sich freilich nicht zu erkennen gibt. Auch Kurioses bleibt nicht aus, wie z.B. der Wunsch einer Ad-Hoc-Expertise für ein Manuskript (jetzt und sofort am Stand) in Hinblick auf die Frage, ob es wohl ein unschlagbarer Bestseller würde wie bei dieser (sehr dt. ausgesprochen) Jott Ka Rohling. Ach – an Anekdoten mangelt es dieser Tage nicht!

Nicht zu vergessen: Halle 5 ist nicht nur die Halle der unabhängigen Verlage und die Halle des kostenlosen (gegen Spende) taz-Kaffees – dieses Jahr machte sich eine kollektive Übelkeit breit, als wir allesamt das Compact-Logo wie die Augen des T. J. Eckleburg in großer Höhe über unseren Köpfen schweben sahen. Ja: Compact hatte einen voluminösen Stand in Halle 5 – begleitet von (großzügig als solches zu bezeichnen) Security-Personal, das teilweise den Eindruck erweckte, es handle sich um Schuljungen, die sich den Beerdigungsanzug des Großvaters ausgeliehen hatten. Compact stand zwischen den Gay-Rights-Publishern, den Erotikromanen und den linken Verlagen. Ein wirklich sehr passgenauer Ort für die braune Insel, vor welcher wir restlichen Verlage unseren Unmut täglich um 14:30 Uhr demonstrierten – was recht getan ist und Not tut.