Interview mit CEO Thomas Schierack über Bastei Lübbe-Strategien

"Das war so nicht geplant"

16. November 2015
Redaktion Börsenblatt
Thomas Schierack, Vorstandsvorsitzender der Bastei Lübbe AG, ist seit dem Ausscheiden von Jörg Plathner wieder allein für das Digitalgeschäft zuständig − seine Agenda ist lang. Was ihn so sicher macht, mit der Streamingplattform Oolipo ins Schwarze zu treffen, warum die Buchsparte im ersten Halbjahr mit Umsatzverlusten zu kämpfen hatte und wieso der Präsenta-Deal nicht funktionierte: ein Interview.   

Bastei Lübbe ist weiter auf Wachstumskurs und konsolidiert gleichzeitig seine neuen Bereiche. Die Rentabilität wurde ebenfalls verbessert, doch im Kerngeschäft mit Büchern haben Sie zuletzt deutlich an Umsatz verloren. Woran lag das?
Das liegt zum Großteil am Auslieferungsrhythmus unserer Topseller, der in diesem Jahr anders ist. Im Vorjahr war die Startauflage des neuen Bestsellers von Ken Follett bis Ende September längst ausgeliefert – diesmal setzen wir unter anderem auf den neuen Roman von Sebastian Fitzek, der aber erst im Oktober, also erst nach Ende des Bilanzstichtags und damit zu Beginn des zweiten Halbjahres auf den Markt kam. In beiden Fällen geht es um Millionenbeträge. Allein der Oktober-Start von Sebastian Fitzeks "Joshua Profil" dürfte schon zwei Millionen Euro ausmachen. Darüber hinaus haben wir noch eine Reihe von Taschenbüchern, die später erscheinen und sich damit auch erst in der Umsatzbilanz der zweiten Geschäftsjahreshälfte bemerkbar machen werden.
 
Nach all den Zukäufen und Beteiligungen der vergangenen Jahre: Sind Sie froh, dass es im Moment etwas ruhiger zugeht?
Ruhiger? Naja. Wir haben schon einige Zeit nichts mehr zugekauft, das stimmt. Und wir nutzen tatsächlich jede Gelegenheit, um uns zu konsolidieren und zu schauen, was wir erreicht haben. Auf der anderen Seite bereiten wir aktuell den Start wirklich großer Innovationen vor. Das bedeutet, dass wir uns eben nicht zurücklehnen und ausruhen. Vielmehr geben alle unsere Mitarbeiter derzeit "Vollgas". Unsere Power fließt in die Entwicklung von Inhalten, auch international, und in die digitalen Plattformen, die wir 2016 ausrollen wollen.
 
Auch ohne einen eigenen Digitalvorstand?
Nach dem Ausscheiden von Herrn Plathner bin ich jetzt wieder für den Bereich zuständig, verantworte das Segment zusätzlich zu meinen anderen Aufgaben. Dass sich Leute mal verändern oder ausgetauscht werden – ich glaube, das ist durchaus üblich. Einerseits macht mir der Bereich riesigen Spaß, anderseits bin ich auch schon so gut ausgelastet und hätte deshalb nichts dagegen gehabt, wenn es anders gelaufen wäre. Doch so oder so: Ich mache es gern, weil ich mit der Digitalsparte einen der spannendsten Bereiche unseres Hauses verantworten darf.

Von Präsenta haben sich wieder getrennt. Gehört das auch zum Business as usual?
Sicher nicht, das war so natürlich nicht geplant. Man steht ja dahinter, wenn man eine Firma kauft, hat Ideen und Ziele, will etwas umsetzen, erreichen. Nach zwei Jahren eine Beteiligung wieder zu verkaufen, bedeutet nichts anderes, als dass es nicht geklappt hat.

Welche Ideen und Ziele hatten Sie an das Investment bei Präsenta geknüpft?
Präsenta war ein Thema für unsere Geschenkartikelsparte Räder. Der Plan war, für die Produkte von Räder eine neue Vertriebsschiene aufzubauen – was aber leider nicht funktionierte: Es stellte sich kein strategischer Nutzen ein. Räder hat sich dafür aus eigener Kraft wirklich gut und prächtig entwickelt. In der Konsequenz hieß das für uns, dass wir uns von Präsenta trennen und uns auf die Sachen konzentrieren, die wir als zukunftsträchtig ansehen.

Zum Beispiel Ihre Digitalsparte, die bereits 28 Prozent zum Umsatz beiträgt. Welche Aktivitäten zählen Sie hierzu?  
Unter diesem Dach haben wir verschiedene Bereiche gebündelt, dazu zählen die Beteiligungen an Dadaelic und Bookrix, das Segment digitales Audio und E-Book.

Wie hoch liegt der Umsatzanteil der E-Books?
Gemessen an den gesamten Umsätzen unseres Bereiches "Buch" haben E-Books einen Anteil von aktuell 19,4 Prozent.
 
Einem Ihrer zentralen Projekte haben Sie gerade einen neuen Namen gegeben – Oolipo. Die Streaming-Plattform für Serieninhalte soll im Frühjahr zeitgleich in mehreren Ländern starten. Warum musste es hier eine Eigenentwicklung sein?
Kurz gesagt: Weil moderne Menschen kurze Geschichten lesen und hören wollen, insbesondere auf dem Smartphone, das man immer dabei hat und das sich immer mehr zur allumfassenden Kommunikationszentrale entwickelt. Dass die Entwicklung hin zu Kurzinhalten geht, stand für uns schnell fest – einiges haben wir da ja auch schon getestet, etwa mit "Apocalypsis" oder "Coffeeshop". Dabei stellten wir allerdings auch fest, dass Serieninhalte bei den gängigen Plattformen wie Amazon, Google Play und den Shops der Tolino-Allianz nicht gerade eine besondere Beachtung finden. Diese Plattformen orientieren sich doch sehr stark an den Bestsellern. Und die sind meistens viel viel länger. De facto ist es deshalb so, dass wir relativ viel Geld ins Marketing investieren müssten, wenn wir unsere Serien auf den gängigen Plattformen so platzieren wollten, wie wir uns das eigentlich vorstellen. Hinzu kamen zwei weitere Faktoren: die Preisentwicklung und das Aufblühen des Streaming-Marktes. Durch die erhöhte Sichtbarkeit der Titel von Selfpublishern ist der Preisvorteil, den wir mit unseren Serien hatten, etwas verschwommen – gleichzeitig beobachteten wir, dass die Streamingdienste stark zulegen. Aus all dem ist dann eben die Idee entstanden, eine eigene Plattform für Serieninhalte per Streaming zu bauen. Der Prototyp soll nächste oder übernächste Woche fertig sein.

Wann integrieren Sie bei Oolipo Inhalte zum Hören?
Der Hörbuchkanal startet voraussichtlich im vierten Quartal nächsten Jahres.

Positionieren Sie sich damit gegen Audible?
Es wäre vermessen, zu sagen, wir wollten eine Konkurrenz zu Audible werden – zumal wir ein anderes Konzept verfolgen. Was wir schaffen wollen, ist die Marktlücke für Serieninhalte zu besetzen und als Marktführer auszufüllen. Preislich werden wir für Kunden mit wahrscheinlich sechs Euro pro Monat durchaus attraktiv sein. 
 
Wie offen sind Sie für Inhalte anderer Verlage?
Wir sind in jedem Fall offen für Serieninhalte – E-Books werden übrigens auf Oolipo gar nicht angeboten. Sobald der Prototyp fertig ist, wollen wir die Kollegen aus anderen Häusern konkret ansprechen und unser Produkt vorstellen. Es wird spannend. Einige Rückmeldungen haben wir aber bereits, auch aus dem Ausland. Dabei ist klar: Je mehr Inhalte wir auf der Plattform haben, desto interessanter wird das Ganze. Wenn sich daraus eine neue Allianz entwickeln sollte, wäre das natürlich auch nicht das Schlechteste – wir sind hier ganz offen für gute Ideen.

Interview: Tamara Weise