Interview mit dtv-Marketing- und Vertriebschef Rudolf Frankl

Das Gießkannen-Prinzip führt nicht weiter

21. Februar 2013
von Börsenblatt
Wie Verlage auf Marktveränderungen und die Flächenreduzierung im Buchhandel reagieren (können), darüber wird dtv-Marketing- und Vertriebschef Rudolf Frankl am 28. Februar auf der Jahrestagung des Arbeitskreises kleinerer unabhängiger Verlage berichten. boersenblatt.net hat Frankl vorab zu den Kernproblemen befragt - ins Detail geht es dann auf der Jahrestagung in Ulm.

Reduziert sich die Buchhandelsfläche nach dem Großflächenhype der Filialisten auf ein „Normalmaß – oder verliert der stationäre Handel aus Ihrer Sicht dramatisch an Boden?"Buch und Buchhandel in Zahlen" weist seit Jahren einen langsamen, aber stetigen Rückgang von Marktanteilen für den stationären Buchhandel aus - eine Entwicklung, die offensichtlich auch auf dem Höhepunkt der buchhändlerischen Flächenerweiterung nicht wirklich gestoppt werden konnte. Trotz des derzeit gravierenden Rückbaus von Großflächen ist der Buchhandel durch die anhaltenden Erfolge der E-Commerce-Anbieter stärker gefährdet als durch den Flächenverlust. Die isolierte Betrachtung der buchhändlerischen Entwicklungen führt aber meines Erachtens in die Irre. Viele andere Branchen mit einer starken stationären Verbreitung wie etwa die Textil-, Schuh- oder Elektronikbranche sind genauso oder noch stärker vom Internethandel bedrängt. Ein signifikanter Frequenzverlust in den Innenstädten ist die Folge und könnte bei Fortschreibung der Entwicklung zu einer Verödung der Städte und damit natürlich auch zu einer wirklich existenziellen Bedrohung für den stationären Handel insgesamt führen.

Wie reagieren die Verlage auf diese Situation?Die Reaktion der Verlage wird im Wesentlichen bestimmt vom jeweiligen Programm und der Intensität des Marktzugangs über den stationären Buchhandel. Verlage, die eng mit dem Buchhandel zusammenarbeiten und sich dort auch angemessen vertreten fühlen, werden alles tun, um diese Handelsbeziehungen zu stabilisieren und möglichst auszubauen. Maßnahmen, die lokale Verankerungen und Kundenbeziehungen stützen, werden von den Verlagen in Abhängigkeit von der Intensität der bilateralen Zusammenarbeit gefördert.

Suchen die Verlage jetzt einen stärkeren Kontakt zu den Endkunden und intensivieren den Direktvertrieb?Verlage, die sich durch den stationären Handel nicht angemessen wahrgenommen fühlen, werden in Zukunft noch stärker versuchen, den Kontakt zu den potenziellen Endkunden direkt und ohne Absatzmittler suchen. Ablesbar ist dies an der Entwicklung des Marktanteils "Direktbezüge über Verlage" in den letzten 15 Jahren. Fast ein Fünftel des Branchenumsatzes wird direkt von den Verlagen generiert; dieser Marktanteil ist unverändert höher als der Umsatzanteil von Internethandel und Versandbuchhandel.

Würden Sie Verlagen raten, die Buy-local-Bemühungen des Buchhandels zu unterstützen? Wie könnten sich Verlage hier einbringen?Ich bin davon überzeugt, dass das Zusammenwirken von Handel und Verlagen künftig bewusster, selektiver und intensiver gestaltet werden muss. Das Sortiment hat, der Not geschuldet, längst mit dieser Selektion begonnen -möglicherweise noch nicht immer unter dem Aspekt qualitativer Kriterien. Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Verlage noch zu sehr nach jedem irgendwie erreichbaren Point of Sale schielen. Das verbraucht viele Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen.

Also sich lieber konzentrieren statt überall ein bisschen dabeizusein?
Vielleicht gehört die Zukunft auch aus Verlagssicht der gezielten und begrenzten Auswahl privilegierter Partnerbuchhandlungen aller Größenklassen, mit denen vertrauensvoll, kreativ und mit neuen ökonomischen Konzepten die Attraktivität des lokalen Angebots von Inhalten selbstbewusst sicht- und hörbar gemacht werden kann. Das Potenzial ist im Sortiment, aber auch in den Verlagen in hohem Maße vorhanden. Das vielfach praktizierte Prinzip "Gießkanne" führt nicht selten zu einer Atomisierung von Wahrnehmung. Vielleicht sind die in unserer Branche weit verbreiteten und vermeintlich bewährten Rituale nicht die besten Ratgeber für die Gestaltung der Zukunft.