Interview mit Helmut Stadeler und Raimund Müller

"Nur Jammern bringt nichts!"

12. Mai 2011
von Börsenblatt
Die SaSaThü-Vorstandsmitglieder Helmut Stadeler (Verlag Dr. Bussert & Stadeler) und Raimund Müller (Buchhandlung Jacobi & Müller) zum „Leipziger Appell“.
Was war der Auslöser, vor der heutigen Hauptversammlung relativ überraschend diesen Appell-Entwurf zur Abstimmung einzubringen?

Helmut Stadeler:
Nach der letzten Hauptversammlung in Quedlinburg gab es innerhalb des Vorstands so eine Stimmung, zu sagen: Wir wollen nicht nur ein Debattier-Club sein. Natürlich sind die Probleme, über die wir heute gesprochen haben, bei Sortimenter- und Verleger-Ausschuss gut aufgehoben; da gibt es auch vorsichtige Anzeichen, dass da was passiert. Wir wollen mit unserem "Leipziger Appell" ein bisschen Schwung in die anstehenden Diskussionen bringen. Und zeigen: An der Basis, in den Landesverbänden, besteht ein dringendes Bedürfnis nach Einigung.

Hat sich in den letzten 12 Monaten an der Diskussionslage etwas geändert? Sind die Probleme virulenter geworden?


Raimund Müller: Ich denke, durch die grassierende Diskussion um Digitalisierung und E-Books ist die Frage nach dem Umgang miteinander in der ganz alltäglichen Offline-Welt etwas in den Hintergrund gedrängt worden. Eine Podiumsdiskussion anzuzetteln, wie wir das heute gemacht haben, ist da richtig – aber es muss ja auch mal etwas dabei herumkommen. Insofern ist die Verabschiedung eines solchen Appells richtig.

Was, bitte, ist eigentlich „auskömmlich“? Wer legt das fest?

Stadeler: Das ist ja das Problem, und wir sind leider auch nicht diejenigen, die eine Lösung schaffen können. Wenn es denn überhaupt eine gibt. Wenn es in punkto Rabatte konkret wird, wird es heikel: Man muss kartellrechtliche Bedenken berücksichtigen, so etwas wie einen "Einheits-Rabatt" wird es nicht geben. Aber wenn man betriebswirtschaftliche Auswertungen, etwa vom Schulbuchgeschäft, sieht, weiß man: Da stimmt etwas nicht. Es gibt klare Fälle, die eigentlich gar nicht gehen: Kleinstverlage, die ein Buch für 10 Euro schicken, mit 3 Euro 40 Versandkosten und null Rabatt – das kann nicht auskömmlich für einen Sortimenter sein! Die Verlage werden da ihre Hausaufgaben in Sachen Preisfindung machen müssen, nur billig ist keine Lösung. Und es muss geschafft werden, dass beim Buchhändler etwas hängen bleibt – ob das bei jeder Einzelbestellung auskömmlich sein kann, möchte ich bezweifeln, aber das Gesamtgefüge seiner Bestellungen sollte das ermöglichen.

70 Prozent der SaSaThü-Mitglieder sind Klein- und Kleinstfirmen – appellieren da nicht eher die potentiellen Verlierer einer Entwicklung, ein rein symbolischer Akt?

Müller: Hier zeigen zwar Buchhändler und Verleger aufeinander, wer aber eigentlich gemeint ist, sitzt im Zweifelsfall gar nicht im Raum: Große Verlage, Ketten, die Werbekostenzuschuss verlangen. Der Appell zeigt, dass das Problem auf der Landesverbands-Ebene mit seiner kleinteiligen Struktur ebenso virulent ist wie auf der Bundesverbandsebene.

Gibt es Solidarität unter den gleichermaßen bedrohten Kleinen aus Handel und Verlag - oder überwiegt das Misstrauen?

Müller: Im Einzelfall gibt es Solidarität. Aber natürlich muss es für einen Kleinverleger immer eine emotionale Kränkung sein, wenn ein kleiner Sortimenter ausgerechnet seine Bücher nicht präsentiert. Ich kann das gut verstehen.

Was erhoffen Sie sich von Ihrem Vorstoß?

Stadeler: Wir hoffen, dass der Appell auf fruchtbaren Boden fällt. Dass er als Impuls verstanden wird, nicht als Genörgel aus der Provinz. Wir wollen zeigen, dass wir als Landesverband auch die Stimmungslage, die Sorgen unserer kleinen Verlage und Buchhandlungen ernst nehmen. Verleger- und Sortimenter-Ausschuss sind verdienstvolle Gremien, aber ich denke, es tut ihnen gut, wenn auch aus der so genannten Provinz Input kommt.

Hat Sie der Verlauf der Diskussion überrascht?

Stadeler: Auch in unserem Kreis ist Selbstverständigung, das Reflektieren der eigenen Positionen wichtig. Wenn ich will, dass meine Handelspartner meine Bücher weiter verkaufen, könnte es hilfreich sein, vielleicht auch meine Standpunkte selbstkritisch zu hinterfragen. Vielleicht sollte ich mein Preisgefüge, meine Rabatte mal überdenken? Nur Jammern bringt nichts! Auf der anderen Seite sollten sich aber auch die Buchhändler fragen: Wenn ich nicht nur die großen Konzerne, sondern auch kleine Independents haben will, muss ich was für die tun.