Interview mit Jakob und Johann Meiner

"Mit seinem Innovationsdrang macht man sich auch mal unbeliebt"

9. Mai 2016
von Börsenblatt
Modernisierung mit Augenmaß – so könnte die Maxime für den Innovationsprozess lauten, den die Brüder Johann und Jakob Meiner bei den Verlagen Meiner und Buske in die Hand genommen haben. Die beiden Digital Natives über geisteswissenschaftliches Verlegen in Zeiten des Strukturwandels und von Open Access.   

Nach mehreren Stationen in der Branche sind Sie, zeitlich leicht versetzt, wieder in das elterliche Verlagshaus zurückgekehrt. Geht es Ihnen um die Zukunftssicherung von Meiner und Buske?
Jakob Meiner: Das sehen wir auf jeden Fall als unsere Aufgabe. Nachdem wir sehr unterschiedliche Erfahrungen in der Branche gesammelt haben, erschien es uns als natürliche Konsequenz,  diese nun in die eigenen Verlage einfließen zu lassen. Während mein Bruder immer eher bei Wissenschaftsverlagen zu Hause war und schon vor einigen Jahren bei Meiner an Bord gegangen ist, habe ich mich stärker in belletristischen Verlagen und in der Digitalwelt betätigt und kümmere mich nun um die Geschäftsfeldentwicklung bei Buske.

Wie eng sind die Verlage miteinander verzahnt?
Johann Meiner: Sehr eng. Dass beide Verlage wirtschaftlich voneinander unabhängig sind, eine unterschiedliche Firmierung und unterschiedliche Geschäftsführer haben, hat in erster Linie historische Gründe, und es gibt derzeit keine Veranlassung, das zu ändern. De facto arbeiten die jeweiligen Abteilungen – mit Ausnahme der Lektorate – eng zusammen, nicht nur Vertrieb und Auslieferung, sondern auch Herstellung und Marketing. Beide Geschäftsführer, Manfred Meiner und Michael Hechinger, stimmen sich zudem eng ab, ohne dass der eine dem anderen in die Programmplanung pfuschen würde.

Wie kommt es bei den Mitarbeitern an, dass die Söhne des Verlegers jetzt als Digital Natives mitmischen?
Jakob Meiner: Es kommt vor, dass man sich mit seinem Innovationsdrang auch mal unbeliebt macht. Die digitale Transformation, in der wir uns befinden, bedeutet eine stetige Veränderung, nicht zuletzt auch in der Unternehmenskultur. Das stellt für jeden im Haus Herausforderungen dar – und dabei sollte man niemanden überstrapazieren. Es ist eben immer Einfühlungsvermögen nötig.
Johann Meiner: Es gab aber auch nie einen Entwicklungsstillstand im Verlag. Neue Impulse sind immer dann aufgegriffen worden, wenn sie dem Verlag nützlich schienen. Nicht zuletzt die Herstellungsabteilung hat sich kontinuierlich den technischen Entwicklungen angepasst.

Wo stehen Meiner und Buske, und welche Aufgaben haben Priorität?
Jakob Meiner: Mit beiden Verlagen bedienen wir eine Nische, die sehr genau abgesteckt ist, und die jeweilige Zielgruppe kennen wir beim Vornamen. Bei Meiner verlegen wir philosophische Fachpublikationen; bei Buske haben wir sprachwissenschaftliche Titel und Lehrbücher zu Orchideensprachen und verzichten bewusst auf klassische Lehrwerke zu großen Sprachen wie Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch. Stattdessen bieten wir zum Beispiel Koreanisch, Persisch und Swahili, was uns das Publikum zwar durchaus dankt, gleichzeitig aber vor die Schwierigkeit stellt, dass wir mit den Innovationsprodukten unserer großen Mitbewerber nicht immer mithalten können. Wir haben Lehrbücher zu Sprachen vorrätig, die eine digitale Umsetzung als App, als Programm, als webbasierte Lernsoftware kaum rechtfertigen, weil die jeweilige Zielgruppe zu klein wäre. Was wir anbieten wollen, sind digitale Zusatzprodukte, die mit Kooperationspartnern entwickelt werden können. Der Kern des Programms wird jedoch klar das gedruckte Buch sein. Entscheidende Fragen für Buske sind, wie wir unsere Zielgruppe noch näher kennenlernen und das Direktkundengeschäft weiter ausbauen können
Johann Meiner: Für Wissenschaftsverlage wie Meiner und Buske ist es seit jeher sehr wichtig, den direkten Kontakt zu den Kunden zu suchen. Und wenn wir von Marketing- und Werbemaßnahmen sprechen, dann ist damit in beiden Verlagen vor allem eine sinnvolle und zielgerichtete Informationspolitik gemeint. Den Buchhandel wollten und werden wir dabei nie ausklammern. Unser Vertreter Hans Frieden besucht für uns rund 300 Buchhandlungen. Beide Verlage haben zudem ein Partnerprogramm, in dem sie für ausgewählte Buchhandlungen eine ganze Menge tun. Die Zahl der Buchhandlungen, die unsere Titel vorrätig halten kann, wird allerdings immer kleiner. Darauf müssen wir mit einem verstärkten Direktgeschäft reagieren. Inzwischen ist unser Webshop unsere umsatzstärkste Buchhandlung, was vielleicht auch daran liegen mag, dass wir Amazon nicht direkt beliefern.

Haben Buske und Meiner wirtschaftlich eine solide Basis?
Johann Meiner: Beiden Verlagen geht es sehr gut, sie sind komplett schuldenfrei und haben eine hohe Eigenkapitalquote. 2015 hatten sie jeweils das beste Jahr in der Verlagsgeschichte. Deshalb werden wir jedoch nicht übermütig, denn mittelfristig laufen große Werkeditionen wie die Hegel-Ausgabe aus, und die Akquise und Initiierung solcher Projekte ist keine leichte Arbeit, zumal sich die Bedingungen, unter welchen solche Projekte entstehen können in den letzten Jahren deutlich verändert haben: Kaum jemand ist noch bereit, über Jahrzehnte eine Edition zu betreuen; die Förderung geschieht auf einer anderen Grundlage – und die Absatzmärkte haben sich radikal gewandelt. Zudem wandern viele Editionsvorhaben aufgrund ihrer Förderungsvorgaben direkt ins Netz. An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass wir in letzter Zeit verstärkt von Herausgebern solcher Netzpublikationen gebeten werden, eine Veröffentlichung in unserem Haus auch trotz der Pflicht zum Open Access zu erwägen. Die Arbeit eines klassischen Verlages wird hier offenbar nach wie vor sehr geschätzt und für sinnvoll befunden.

Wie reagieren Sie auf die von Förderern und Bibliotheken forcierte Open-Access-Strategie?
Jakob Meiner: Das macht unser Geschäft schwieriger und droht, die Freiheit der Wissenschaft zu beschränken. Gleichwohl werden wir deshalb nicht beleidigt die Flinte ins Korn werfen und uns stattdessen weiterhin und noch in verstärktem Maße auf unsere Kernaufgabe konzentrieren: Autoren auf dem Weg zur Veröffentlichung zu begleiten und wissenschaftliche Ausgaben zu ermöglichen. Darin sehen wir für uns auch in Zukunft eine Daseinsberechtigung. Sollte es eines Tages so kommen, dass unsere Publikationen nur noch durch staatliche Förderung möglich sind, dann würde uns das gewiss nicht glücklich machen. Die Frage, ob flächendeckender Open Access die richtige Antwort auf das Bedürfnis nach umfassender Informationsversorgung ist, muss man in jedem Fall stellen. Hier vollzieht sich gerade ein Prozess, der von den Naturwissenschaften ausgeht und die vollkommen anders aufgestellten Geisteswissenschaften ihren Regeln unterwirft.

Gelingt es Ihnen, über die Spezialisten hinaus auch breitere Käuferschichten anzusprechen?
Jakob Meiner: Wir öffnen uns mit einigen preislich günstigen Produkten behutsam dem Massengeschmack. Bei Buske sind wir vor allem mit den Sprachenkalendern für Türkisch, Neugriechisch oder – ganz besonders – Schwedisch erfolgreich. Und bei Meiner bereiten wir gerade den ersten philosophischen Buchkalender für 2017 vor, nachdem der Philosophische Wandkalender bereits zum zweiten Mal erschienen ist.
Johann Meiner: Für einen Wissenschaftsverlag, der in der Regel hochpreisige und langfristige Titel plant, ist das eine ziemliche Umstellung. Dahinter steht in erster Linie kein Marktinteresse, sondern es ist auch dazu gedacht, dem Buchhandel in Erinnerung zu bleiben und etwas zu machen, dass im Sortiment gängiger ist. Das macht Spaß und funktioniert sehr gut. Wir nehmen aber auch ins Buchprogramm Titel auf, die nicht streng akademisch sind: So werden wir im Herbst etwa Günter Fröhlichs Buch "Der Affe stammt vom Menschen ab. Philosophische Etüden über unsere Vorurteile" herausbringen.

Mehr zum Thema Unabhängige Verlage und Fachbuchhandel lesen Sie im aktuellen Börsenblatt Spezial Fachbuch (Nr. 18), das am 4. Mai ausgeliefert wurde.