Interview mit Philipp Neie, Schweitzer Fachinformationen

Beratungskompetenz steht im Vordergrund

28. Juli 2016
von Börsenblatt
Der stationäre Fachbuchhandel gibt zwar Umsätze ab, bleibt aber Kontaktpunkt Nummer 1 für die Kunden – schon wegen der intensiven Beratung. Philipp Neie, Geschäftsführer bei Schweitzer Fachinformationen, über Möglichkeiten, Mehrwert für den Kunden zu schaffen.

Ladengeschäfte haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren und wurden in Beratungscenter umgewandelt. An anderen Standorten hingegen werden Läden wiedereröffnet. Gibt es wieder mehr Publikumsverkehr?Viele Kunden schätzen weiterhin die Vorteile eines lokalen Geschäfts. Wir haben gelernt, dass das Internet kein Ersatz ist, sondern eine komfortable Ergänzung mit anderem Nutzen. In der Gesamttendenz gibt es bei Fachinformationen ein geändertes Nutzungs- und Beschaffungsverhalten. Deshalb ist an die Stelle des traditionellen Handelskanals Buchladen längst der Multi-Channel-Vertrieb getreten. Wenn man aber die physische Präsenz komplett streicht, durch die ja nicht nur der Handelsplatz und die Marke transportiert werden, sondern auch die Beratungskompetenz, findet man nur einen Teil der Klientel auf den anderen, virtuellen Kanälen wieder. Die Positionierung und Darstellung des Ladens hat sich aber gewandelt: Hier steht die Beratungskompetenz im Vordergrund, nicht so sehr, wie früher, der Handelsplatz. Die Präsenz als solche bleibt für unser Geschäftsmodell nach wie vor wichtig. Das haben wir aus den Schließungen gelernt, mit der Konsequenz, dass in Frankfurt ein Ladengeschäft wiedereröffnet wurde.

Wie wichtig ist das jeweilige Standortprofil?Jeder Standort hat je nach Lage und Zielgruppe ein dazu passendes, individuelles Profil – mit der lokalen Marke sowie der Dachmarke Schweitzer Fachinformation. Für die Kundschaft aus den rechtsberatenden Berufen und den kommunalen Einrichtungen ist es immer wichtig, dass wir beide Marken pflegen. In der Kombination werden unterschiedliche Kompetenzen vermittelt, und je nachdem, wie lokal oder national man agiert, mit welchen Beratungs- und Dienstleistungsangeboten man mit dem Kunden in Kontakt steht, ist die eine oder andere Marke wichtiger. Aber in der Kombination decken wir das gesamte Spektrum ab.

Wie entwickeln sich eigentlich die Umsätze im RWS-Fachsortiment, bei Schweitzer Fachinformationen, aber auch bei den Mitbewerbern?Der gesamte Markt, die Summe aller Ausgaben, wird nicht kleiner, aber die Anteile verschieben sich von Printprodukten auf digitale Angebote, die stark im Kommen sind. Der klassische Fachbuchhandel verliert zudem Marktanteile an Wettbewerber wie Amazon und durch Direktangebote der Verlage.

Können die Fachsortimente ausreichend am Geschäft mit Datenbanken und ähnlichen Lösungen partizipieren?
Wenn man seine Geschäftsmodelle nicht verändert und in dem veränderten Umfeld seine Chancen nicht sucht, dann wird man beim klassischen Geschäft kein Wachstum erleben können. Die Chance der digitalen Angebote liegt gerade darin, dass die Beratungsnotwendigkeit der Kunden wächst: Die Frage, welche Inhalte in welchen Datenbankmodulen zu finden sind, ist wesentlich komplexer als die nach der Neuauflage eines gedruckten Kommentars. In der Vermittlung der Beratungskompetenz hat der stationäre Handel dem Internethandel einiges voraus.

Der Beratungsaufwand in den Buchhandlungen wird immer größer. Wie hoch ist der Anteil an Beratungs- und anderen Dienstleistungen, mit denen Sie Umsatz machen?Im Grunde 100 Prozent! Denn ohne Mehrwert erzielt man auch nur geringen Handelsumsatz. Andere Fragen sind, wie und welche Dienst­leistungen man zusätzlich bepreisen kann und ob die Kunden bereit sind, diese auch zu bezahlen. Die Kunden digitaler Produkte sind häufig nicht die Endnutzer, etwa dann, wenn eine Großkanzlei eine Datenbanklösung für sämtliche Mitarbeiter einkauft. Hier haben wir die Chance, Werkzeuge um die Verlagsprodukte herumzubauen, um den Nutzern zu helfen, das Richtige zu finden, und ihnen zu zeigen, welche Fachinhalte es in ihrer eigenen Organisation gibt. Es geht darum, ihren Alltag zu vereinfachen. Ein solches Nutzer-Tool ist das Schweitzer Mediacenter.

Viele Branchen klagen über Fachkräftemangel. Finden Sie für Schweitzer Fachinformationen ausreichend kompetente Bewerber?
Die Diskrepanz zwischen dem klassischen Ausbildungsberuf Buchhändler und dem, was wir heute in unserem Alltag leben, wird von Jahr zu Jahr größer. Der Ausbildungsberuf Buchhändler hat nur in der Basis mit unserem Handel zu tun, aber nicht mit den Spezifika. Von daher gesehen, wird es immer wichtiger für uns, in die eigene Ausbildung zu investieren, in die Weiterbildung der Mitarbeiter, die Qualifikation der Mitarbeiter – gerade im Bereich der neuen Medien. Das betrifft etwa die Aufgaben im Vertrieb, im Produktmanagement. Das sind Themen, die im Fachbuchhandel künftig immer wichtiger werden. Unsere Aufgabe ist es jetzt, innovative, technisch affine, aufgeschlossene Kollegen – mit oder ohne Buchhandelsausbildung –, die sich für die Dienstleistung Fachinformationen zur Verfügung stellen, begeistern zu können.