Interview mit Thomas Schierack, Vorstandsvorsitzender der Bastei Lübbe AG

Bastei Lübbe will an Dividende festhalten

23. August 2016
von Börsenblatt
Die Bastei Lübbe AG muss ihr Ergebnis für die beiden letzten Geschäftsjahre nach unten korrigieren. Welche Fehler bei der Bilanzierung passiert sind, welche Auswirkungen das auf die Umsatz- und Ergebnisziele des laufenden Jahres hat und ob es personelle Konsequenzen geben wird, erklärt der Vorstandsvorsitzende Thomas Schierack im Interview mit boersenblatt.net.

Die KPMG stellt nun fest, dass Bastei Lübbe die Londoner Firma Blue Sky Tech Ventures wirtschaftlich beherrscht. Damit ist eine bilanziell andere Bewertung nötig. Weshalb sehen die Wirtschaftsprüfer das jetzt ganz anders als bisher?
Das können wir nicht mit Sicherheit sagen. Aber klar ist: Nach der Berichterstattung der Wirtschaftswoche im Sommer haben wir eine Prüfungsanordnung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung DPR bekommen. Das war im Grunde nicht überraschend, da die an der Börse notierten Unternehmen alle paar Jahre geprüft werden, und wir waren bisher noch nicht an der Reihe. Die Vorbereitung dieser Prüfung wird bei der KPMG allerdings nicht von Köln aus, sondern in Berlin von den dortigen Kollegen gemacht, die ohnehin mit der DPR zusammenarbeiten. Diese neuen Prüfer in Berlin haben offensichtlich den Sachverhalt, und insbesondere die abgeschlossenen Kaufverträge, anders bewertet als die Kölner Kollegen.

Damit hat die KPMG die Vorwürfe der Wirtschaftswoche aus dem Juli bestätigt.
Das Ergebnis ist das gleiche, wir müssen konsolidieren. Aber: Im Kern hat die bilanztechnische Ursache der KPMG nichts mit den haltlosen Vorwürfen der Wirtschaftswoche zu tun. Die Finanzierungsmaßnahme als solche ist in Ordnung. Zu prüfen war aber auch, ob wir uns in dem Kaufvertrag oolipo weitere Rechte vorbehalten haben oder nicht. Und das haben wir: zum Beispiel das Recht, Investoren auch ablehnen zu können, und andere zusätzliche Rechte. Das führt dann in der Bewertung dazu, dass die Beteiligung an Blue Sky zu konsolidieren ist und eben auch die an oolipo und Daedalic.

Und so etwas Grundsätzliches hat KPMG Köln bisher anders bewertet?
Ja. Das Ärgerliche ist, dass der KPMG die Verträge zur Prüfung vorgelegt worden sind, bevor wir sie abgeschlossen haben. Unser Ziel war es ja gerade, insbesondere oolipo zu entkonsolidieren. KPMG hat uns die Verträge freigegeben, hat sie anschließend noch zweimal geprüft in den Jahren 2014/15 und 2015/16 – und nun haben wir dennoch die böse Überraschung.

Was bedeutet die rückwirkende Verschlechterung Ihrer Ergebnisse für die beiden vergangenen Geschäftsjahre für das laufende Jahr? Müssen Sie von Ihren Umsatz- und Ergebniszielen abrücken?
Nein, das ist nicht der Fall. Was wir jetzt zu machen haben, ist vergangenheitsorientiert. Wir müssen die letzten beiden Bilanzen neu erstellen und die Höherbewertungen wieder zurücknehmen. Für unsere Planung ändert sich gar nichts. Wenn aber der Kaufpreis für oolipo bezahlt wird, wovon wir in den nächsten ein bis zwei Monaten ausgehen, dann kommt es erneut zur Entkonsolidierung von oolipo, und wir haben den gezahlten Kaufpreis zusätzlich zu den bisherigen Erwartungen dieses Jahr in der Bilanz. Mit anderen Worten: Es könnte hohe positive Erträge geben.

Ist nicht das Zahlungsziel bereits verstrichen?
Das Zahlungsziel wurde so vereinbart, dass der Kaufpreis innerhalb von drei Monaten nachdem die Beta-Version oolipo gestartet ist, gezahlt wird. Diese Betaversion ist Anfang August live gestellt worden. Jetzt beginnt die Frist für die Kaufpreiszahlung zu laufen. Dieser Beta-Launch, den wir den Investoren zeigen können, hatte sich zugegebenermaßen immer wieder verzögert.

Was wird mit der Dividende, die Sie zuletzt ohnehin auf zehn Cent pro Aktie reduzieren wollten? Wird die jetzt gestrichen?
Wir müssen die Abschlüsse neu aufstellen und werden das Ergebnis abwarten. Aber wir haben natürlich unternehmensintern erste unverbindliche Berechnungen angestellt. Im Ergebnis ist genügend Eigenkapital vorhanden. Daher gehen wir derzeit davon aus, dass der Dividendenvorschlag so bleibt, wie er gemacht wurde, also zehn Cent pro Aktie.

Sie hatten zuletzt auch öffentliche Diskussionen, weil man Ihren Aufsichtsräten Nelles und Hasselblatt eine Doppelrolle vorwirft, nämlich für das Unternehmen, das sie beaufsichtigen, mit ihren eigenen Firmen als Berater tätig zu sein. Wie lösen Sie den Konflikt?
Für alle Tätigkeiten, die im Übrigen zum Großteil vor dem Börsengang geleistet und auch vor Börsennotierung honoriert wurden, gab es entsprechende Beschlüsse des Aufsichtsrats. Damit haben wir uns jederzeit sehr klar innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens bewegt.

Aber sauber muss man das nicht finden, wenn sich Aufsichtsratsmitglieder qua Beschluss selbst mit Aufträgen versehen.
Zugegeben: Zwischen Rechtslage und Außenwahrnehmung klafft eine Lücke. Wir haben daraus gelernt und werden auch nicht wieder so vorgehen.

Die Aktie performt schon länger nicht optimal. Rechnen Sie aufgrund der nun neuen Bilanzierungsvorgaben damit, dass sie weiter abschmiert?
Die Reaktion des Kurses ist verhalten, von Abschmieren kann keine Rede sein. Der Handel ist sehr lebhaft.

Wie werden Ihre Aktionäre reagieren?
Ich bin diese Woche mit unseren Großaktionären zu persönlichen Gesprächen verabredet. Wir sind im engen Austausch und haben ein sehr offenes Verhältnis. Natürlich ist die Nachricht nicht schön, aber ich bin überzeugt, dass auch die Großaktionäre die Lage klar analysieren. Auf der anderen Seite kann ich mit Blick auf die Privataktionäre schon nachvollziehen, wenn sie verärgert sind. Aber ich hoffe dennoch, dass die Reaktionen im Rahmen bleiben. Und natürlich tun wir alles dafür, demnächst wieder für positive Schlagzeilen zu sorgen. 

Sie haben Ihre Hauptversammlung, die für Mitte September geplant war, auf Ende November verschoben. Werden dort dann auch die drei vorgeschlagenen neuen Aufsichtsräte bestätigt? Und bleiben die jetzt überhaupt an Bord?
Ich gehe davon aus, dass die drei Kandidaten nach wie vor an Bord bleiben und sich Ende November zur Wahl stellen.

Wird es personelle Konsequenzen bei Bastei Lübbe geben?
Nein, es wird keine personellen Maßnahmen geben.

Fragen: Torsten Casimir


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