Jahreshauptversammlung des Landesverbands Berlin-Brandenburg

Von Wahlen, Pferden und Containern

10. Mai 2015
von Börsenblatt
Kilian Kissling (Argon Verlag) ist am Samstag zum neuen Vorsitzenden des Landesverbands Berlin-Brandenburg im Börsenverein gewählt worden. Er löst damit Margrit Starick und Christiane Schulz-Rother ab, die den Verband zwei Amtsperioden lang als buchhändlerische Doppelspitze geführt haben.

Mit Blick auf die Veränderungen 2015 könnte das vergangene Jahr als erstaunlich ruhig bezeichnet werden – business als usual: Die Veranstaltungen rund um das Buch, Branchentreffen, das Nachwuchs-Netzwerk und Weiterbildungsveranstaltungen fanden großen Widerhall, die Besuchszahlen geben darüber beredt Auskunft." So stand es einleitend im Jahresbericht zur Hauptversammlung des Landesverbands Berlin-Brandenburg. Mit "business as usual" wäre auch das Treffen am Sonnabend im Magnus-Haus in Berlin-Mitte gut umschrieben: Jahresabschluss 2014, Bericht der Kassenprüfer – in Berlin wird die Hauptversammlung gern straff und zügig abgehalten.

Über personelle Veränderungen wurde am Sonnabend per Wahl entschieden. Laut Satzung des Landesverbandes darf der Vorstand nur zwei Amtsperioden kandidieren, entsprechend standen Neuwahlen an: Kilian Kissling, Chef des Argon Verlags (bislang 2. Vorsitzender), wurde zum neuen Vorsitzenden gewählt, ihm steht der Sortimenter Nanno Viëtor (Buchhandlung Johannesstift) als 2. Vorsitzender zur Seite. Den neuen Vorstand komplettieren:

  • Gerrit Schooff (Buchhandlung Der Zauberberg) als Schatzmeister
  • Jörg Sundermeier (Verbrecher Verlag) als stellvertretender Schatzmeister
  • Ulrich Hopp (be.bra Verlag) als Schriftführer und
  • Ines Krüger (Büchereck Baumschulenweg) als stellvertretende Schriftführerin.

Kissling, erst vor Kurzem vom Vertriebs-und Marketingleiter zum Geschäftsführer des Argon Verlags, in dem die Holtzbrinck-Gruppe ihr Hörbuchprogramm bündelt, aufgestiegen, machte in einer schwungvollen und beherzten Vorstellungsrede deutlich, warum er für das Ehrenamt kandidiert: "Ich habe mich vorher gefragt, habe ich die Kapazitäten, das gut zu schaffen?" Seine Antwort: Er habe bisher von seinem Engagement immer profitiert, mehr Output als Input also. Überdies könne er sich leidenschaftlich mit dem Landesverband Berlin-Brandenburg, den er als besonderen, nämlich als besonders partizipativen und aktiven Verband charakterisierte, identifizieren.

Das konnten und können auch die beiden Buchhändlerinnen Christiane Schulz-Rother und Margrit Starick, die dem Landesverband in den vergangenen sechs Jahren als Doppelspitze (ein Novum in der bisherigen Verbandsgeschichte) vorstanden und nun mit Blumen und einer emphatischen, metaphernreichen Rede der Buchhändlerin Ruth Klinkenberg verabschiedet wurden.

Gutes Gespann für eine leichte, schnelle Kutsche

Als "ein richtig gutes Gespann" hat (nicht nur) die frühere Vorsitzende des Landesverbands ihre Nachfolgerinnen wahrgenommen. Und so habe sich beinah unweigerlich dies Bild im Kopf geformt: "Zwei schöne Pferde, die glücklicherweise nicht stutenbissig waren, die im Gleichtakt und mit Elan gemeinsam einen Wagen zogen, ohne dass eines von beiden in eine andere Richtung ausbrach. Dieser Wagen sei „kein behäbiges Gefährt" und auch "kein Karren, den man aus dem Dreck ziehen musste". Sondern eher "eine leichte, schnelle Kutsche, manchmal auch als Streitwagen einsetzbar" (die ganze Rede: unten am Ende der Meldung).

Streitbar und entschlossen erweisen sich die Hauptstädter immer wieder als überzeugte Föderalisten. Eine Abschaffung des Landesverbands und eine Verschmelzung mit dem Bundesverband in Frankfurt am Main haben sie in Berlin nie ernsthaft erwogen. "Erst die Verankerung vor Ort schafft Nähe zu den Mitgliedern", sagte Christiane Schulz-Rother, die zugleich aber für eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundesverband warb.

Schulz-Rother begrüßte zudem die avisierte Verbandsreform, allerdings sei bei den Gesprächen in Frankfurt am Main unklar geblieben, welche Kosten mit den strukturellen Neuerungen verbunden seien. Außerdem: "Wenn die Ausschüsse (Sortimenter-Ausschuss, Verleger-Ausschuss und Ausschuss für den Zwischenbuchhandel) zugunsten von Interessengruppierungen abgeschafft werden, wo findet sich dann zum Beispiel der Buchhändler wieder, der nicht zugleich Blogger ist?"

"Bilden Sie aus!"

In ihrem gemeinsamen Resümee ermunterten Christiane Schulz-Rother und Margrit Starick Buchhändler inständig dazu, sich um den Nachwuchs zu kümmern. "Bilden Sie aus", forderte Schulz-Rother ihre Kolleginnen auf, "sonst verlieren wir unweigerlich Kompetenz!" Im vergangenen Jahr habe es nur elf Auszubildende in Berlin gegeben, das sei eine verheerende Entwicklung. Starick wiederum rief dazu auf, sich für den von der Kurt-Wolff-Stiftung initiierten Buchhandlungspreis zu bewerben. Sie kündigte überdies an, dass der Landesverband das neue Format "24 Stunden Buch" nicht fortführen werde: "Wir wollen das Besondere nicht zur Gewohnheit werden lassen." Mit dem größer dimensionierten Literatur- und Lesefest "Stadt Land Buch" soll jedoch weiterhin Werbung fürs Buch gemacht werden.

Welches Publikum dann zu erwarten ist, darüber gab der Vortrag von Silke Borgstedt, Direktorin für Sozialforschung vom Sinus-Institut, einige Anhaltspunkte. Wer kauft wo und wie viel? Welchen Platz haben Bücher im Leben und in der Wohnung? – das waren Fragen, die Borgstedt aufwarf und beantwortete, um zuletzt jedoch zu resümieren: "Ich rate Ihnen, alle Facetten der Gesellschaft im Blick zu haben."

Spannender war da vielleicht der kurze Seitenblick nach Asien. Dort, so wusste die Forscherin mit eindrucksvollen Bildern zu illustrieren, ist die Mobilität derart ausgeprägt, dass Angestellte ihren Schreibtisch im Container mitnehmen und damit an einem neuen Arbeitsplatz regelrecht andocken. Eingekauft wird in Fernost ebenfalls avanciert. Über einen Touchscreen wählt der Kunde die Auslage im Schaufenster aus. Die Rechnung wird aufs Handy geschickt, das Gewünschte nach Hause.

Im Wortlaut

Ein Dankeschön an Margrit Starick und Christiane Schulz-Rother: Die Rede von Ruth Klinkenberg

Liebe Margrit, liebe Christiane,

als ich über Eure Verabschiedung als Vorsitzende unseres Verbandes nachdachte, ging mir durch den Kopf: »Sie waren doch ein richtig gutes Gespann« – und dann sah ich das auch gleich bildlich vor mir.

Zwei schöne Pferde, die glücklicherweise nicht stutenbissig waren, die im Gleichtakt und mit Elan gemeinsam einen Wagen zogen, ohne dass eines von beiden in eine andere Richtung ausbrach.

Dieser Wagen ist kein behäbiges Gefährt und nicht besonders groß, allerdings auch kein Karren, den man aus dem Dreck ziehen muss. Eher eine leichte, schnelle Kutsche, manchmal auch als Streitwagen einsetzbar. Auf dem einen Wagenschlag  sieht man das Wappen eines Bären, auf dem anderen das eines roten Adlers.

Und so zogen die beiden den wendigen Wagen stadtein- und stadtauswärts, landauf und landab, keineswegs immer nur auf ausgefahrenen Wegen, und sie machten immer mal wieder Halt an ganz neuen, vielversprechenden Poststationen.

Das Besondere an den beiden aber war, dass sie nicht nur den Wagen in entspanntem Gleichmaß ziehen konnten, sondern auch im Alleingang besondere Fähigkeiten bewiesen. Während das eine auf Berlin-Brandenburgischen Weiden und in heimischen Arenen bella figura machte, erwies sich das andere, das öfter Reisen unternehmen musste, als hervorragend im Hindernislauf.

Es nahm so manche Hürde in einer Stadt namens Frankfurt, der Stadt der großen Einheitskutsche, in der man sich immer wieder mal fragte, warum es in Berlin-Brandenburg und anderswo um alles in der Welt eigene Weiden und obendrein eigene Kutschen geben müsse. Nun, ich denke, die letzten 6 Jahre haben deutlich gezeigt, warum.

Das Experiment mit unserer doppelten Verbandsspitze, zwei Vorsitzende mit einer Stimme, lässt sich im gänzlich unverklärten Rückblick also nur als geglückt bezeichnen.

In diesen sechs Jahren wurde vieles neu ausprobiert, manches verworfen, vor allem aber viel erreicht. Es waren sechs Jahre, in denen einerseits Arbeitsfelder und Veranstaltungsformen neu erdacht wurden, andererseits im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und im Sichtbarmachen unserer Branche viel unternommen und erreicht wurde.

Liebe Margrit, liebe Christiane, Ihr beide habt das mit viel Schwung und Engagement angeführt, gemeinsam oder einzeln, die eine mehr in Berlin und Brandenburg, die andere in Frankfurt und im Kontakt mit den anderen Landesverbänden.

Dass Euch beiden die Arbeit sehr viel Freude bereitet hat, war immer zu spüren, dass Euch gegen Ende Eurer Amtszeit eine gewisse Wehmut überfiel, ebenso.

Natürlich gehen wir davon aus, dass Ihr dem Verband als aktive Mitglieder erhalten bleibt, aber heute möchten wir uns für Eure Arbeit und die guten sechs Jahre, in denen Ihr gemeinsam unsere Verbandskutsche gezogen habt, sehr sehr herzlich bedanken.