Jugendbuchmesse Bologna

Einsamkeit und 5,7 Prozent Plus

7. April 2015
von Stefan Hauck
Zahlen zum italienischen Jugendbuchmarkt, chinesische Lizenzen, Deutschland als Gastland 2016, der Umgang mit Einsamkeit und mehr: Impressionen von der Internationalen Jugendbuchmesse Bologna, die gestern zu Ende gegangen ist.

Schaut man sich in den Messehallen um, findet man auffallend viele Titel, die die Einsamkeit als wiederkehrendes Thema in all seiner Variationsvielfalt haben - verlassene Kinder und Jugendliche, die sich allein durchschlagen müssen, mit abwesenden Eltern, ohne Freunde, oder ohne elterliche Zuwendung, Outsider, die sich nicht integriert fühlen oder solche, die ihre Einsamkeit bewusst schmerzlich bis zur Depression steigern. Vor allem in den USA arbeiten sich Autoren an der Diversität  ab, „unterschiedlichste Lebensformen werden in ihrer gesamten Vielfalt dargestellt und sollen  das Bildungsbürgertum ansprechen“, konstatiert Eva Kutter von Fischer KJB. Nicht wenige Verleger und Lektoren beurteilen die angebotenen Bücher kritisch, denn vor lauter political correctness tauchen zwar schwule Väter, lesbische Mütter, transsexuelle Kinder und Freunde verschiedenster Glaubensrichtungen, Hautfarben und Schichten geballt auf 200 Seiten auf, was jedoch fehlt, sind glaubwürdige Handlungsstränge und eine Geschichte, die trägt.

Nach dem Abebben der Fantasy-Flut und dem Wiedererstarken der realistischen Inhalte finden sich in diesem Jahr im Jugendbuch verstärkt Titel mit zunächst unvorstellbaren Momenten, die in ganz gewöhnlichen Situationen dann überraschend explodieren - a new kind of realism. Und im Kinderbuch trauen sich erfreulicherweise zunehmend Verlage, auch gehaltvolle Comics für Kinder zu veröffentlichen.

Der italienische Kinder- und Jugendbuchmarkt konnte 2014 mit 168,2 Millionen Euro ein Umsatzplus von 5,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen. Nach den von Nielsen für die italienische Verlegervereinigung AIE (Associazione Italiana Editori) erhobenen Daten stieg der Umsatz bei den Büchern für Sechs- bis Neunjährige um 5,6 Prozent (67 Millionen Euro, Marktanteil von 40,3 Prozent) und bei den Zehn- bis 13-Jährigen sogar um 15,9 Prozent (34 Millionen Euro). Lediglich ein leichtes Plus von 1,5 Prozent wies das Segment der Bücher für die Altersgruppe von 0 bis fünf Jahren auf, die aber mit rund 64 Millionen Euro und einem Marktanteil von 38,6 Prozent  eine große Marktbedeutung hat. Die Zahl der E-Books ist von 1.105 Titeln in 2013 (insgesamt 5.219 Titel aus 204 Verlagen) auf 1.949 im vergangenen Jahr gestiegen. Beim Export-Import-Vergleich klafft die Schere weit auseinander: Während die verkauften Lizenzen 2014 um 6,8 Prozent den Prognosen folgend weiter auf 2.167 Titel gestiegen sind, sanken die aus anderen Ländern eingekauften Titel um 4,4 Prozent auf 840. Vor allem wurden Lizenzen ins europäische Ausland verkauft (63 Prozent).

Unverändert großes Interesse an deutschsprachigen Kinderbüchern haben chinesische Verlage gezeigt, wie nicht nur Oetinger-Lizenzchefin Renate Reichstein bestätigt. Gleichzeitig sind sie im Export aktiv: Zum zweiten Mal haben chinesische Verlage in Bologna auf einem Gemeinschaftsstand ausgestellt, auf nun 320 Quadratmetern in Halle 26. Teilweise bereits auf der Jugendbuchmesse in Shanghai wurden rund 300 Verkäufe von Autorenrechten angebahnt, die in Bologna zum Abschluss kamen. Im Gepäck waren 3418 Titel.

Während Ferrari „Kinder von 0 bis 100 Jahren“ mit einem Automotor am Stand anzog, hatten andere Verlage wundervolle Illustrationen als Blickfang gewählt – eine Auswahl an Bildern finden Sie in unserer Bildergalerie.
In den Messehallen gab es rund 1.200 Aussteller aus 77 Ländern und, so die Messebilanz, zehn Prozent mehr ausländische Fachbesucher. Insgesamt wurden 35.000 Messebesucher gezählt, darunter 22.000 Kinder und ihre Familien, die am Wochenende vor der Messeeröffnung die Illustratorenausstellung sehen und bei 32 Workshops und Events mitmachen konnten.

Und ein Verlag feierte auf der Jugendbuchmesse seinen 50. Geburtstag: L`Ècole des Loisirs aus Paris ...

... der seine Verlagsgeschichte am Messestand in einer labyrinthartigen Kabinettausstellung zeigte. Viele Titel sind seit 1994 in deutscher Sprache bei der Frankfurter Tochter Moritz Verlag erschienen.

Ein in den Bologneser Messehallen gewohntes Bild: Junge Illustratoren stehen mit ihren Mappen Schlange, um Kontakte zu Kinderbuchverlagen zu knüpfen - und oftmals auch überhaupt ein erstes Feedback zu ihren Arbeitsproben zu bekommen.

In diesem Jahr war Kroatien Gastland der Internationalen Jugendbuchmesse Bologna und spannte unter dem Motto "Living Waters, Living Stories“ einen Bogen zwischen den rund 80 Buchkünstlern früherer Zeiten und denen der Gegenwart. Während die Ausstellung „Aquamarine Selection” beeindruckende Orininalwerke der aktuellen Illustratoren zeigte, widmete sich die Ausstellung „Living Traces“ Geschichten und Bildern kroatischer Künstler aus verschiedenen Zeiten und Stilrichtungen zum Thema Wasser.

2016 wird dann Deutschland Ehrengast in Bologna sein. Beim Empfang der Frankfurter Buchmesse am Gemeinschaftsstand wurde bereits das von dem Hamburger Illustrator Ole Könnecke entworfene Logo mit drei bunten Vögeln vorgestellt. Auf rund 300 Quadratmeter Ausstellungsfläche sollen Originale von in Deutschland lebenden Illustratoren zu sehen sein. „Wir wollen den Fokus auf talentierte, international noch zu entdeckende Künstler richten“, sagte Bärbel Becker, Leiterin internationale Projekte bei der Frankfurter Buchmesse, „aber auch etablierte Künstler werden zu sehen sein.“ Ebenso wie Kroatien und die bisherigen Gastländer wird es auch einen umfangreichen Katalog geben. „Zudem wird es in den vier thematischen Foren der Jugendbuchmesse – Illustratorencafé, Autorencafé, Übersetzercafé und Digital Café – an jedem Tag verschiedene Fachveranstaltungen geben“, teilte Imke Buhre mit, die für die Aktivitäten der Frankfurter Buchmesse in Bologna verantwortlich ist. Um das kulturelle Rahmenprogramm in der Stadt wird sich das Goethe-Institut Italien kümmern.