Kinder- und Jugendbücher über die Liebe

Ziemlich feste Freunde

11. Februar 2016
von Börsenblatt
Ach ja, die Liebe … Gibt es einen spannenderen Lesestoff als den über die Achterbahn der Gefühle? 17 neue Titel übers Herzklopfen.

Wie das mit der Liebe so ist? Darüber machen sich schon die Jüngsten Gedanken. Die Drittklässler Carlotta und Henri etwa beobachten ganz genau, wie ihre Tante sich verliebt. Aus sicherer Distanz stellen sie neugierig Fragen, auch als Tante Uli schwanger wird. Diese Geschichte für Selbstleser besticht durch Unbefangenheit und Alltagswitz, verknüpft den emotionalen Erzählstil mit Sachinformationen. Wie Marion Goedelt in "Carlotta, Henri und das Leben. Tante Uli ist verliebt und vermehrt sich" (Tulipan, 58 S., 15 Euro) das Wissen über Sexualität visuell übersetzt, choreografiert und durch die Gestaltung und Typografie für Leichtigkeit sorgt – das ist herausragend.

Der elfjährige Paul ist da schon weniger distanziert, als die gleichaltrige Tessa ins Nachbarhaus einzieht und buchstäblich in sein Blickfeld rutscht: Als echter Detektiv observiert er das Mädchen, das ihn fasziniert. Tessa hat offenbar einige Ticks und Geheimnisse – und es reizt ihn, sie zu erkunden. Lena Hach, die schon in "Wanted. Ja. Nein. Vielleicht" die Gefühlswirrnisse der Jugendlichen durchleuchtet hat, beschreibt in "Ich, Tessa und das Erbsengeheimnis" (Mixtvision, März, 300 S., 12,90 Euro) einfühlsam den Anfangssound des Herzklopfens.

Irgendwann lassen sich die körperlichen Veränderungen nicht mehr verleugnen: Die Pubertät schlägt zu. Aus der eher selteneren Sicht eines Jungen erzählt Mårten Melin in "Etwas mehr als Kuscheln" (Klett Kinderbuch, März, 150 S., 12,95 Euro) vom emotionalen Chaos und konfrontiert den 13-jährigen Manne mit Amanda, der Freundin seiner zwei Jahre älteren Schwester. Wie Manne und sein Kumpel Alvin immer wieder mit Erektionen zu kämpfen haben, wie Manne für Aya aus seiner Klasse schwärmt, wie Amanda sich in Manne verguckt und Gefühle forciert, wie Manne sie erwidert und oft restlos überfordert ist – all das fängt Melin als Achterbahnfahrt der Gefühle ein. Kompromisslos offen schildert er, was in Kopf und Körper der Protagonisten vorgeht und wie der Altersunterschied von zwei Jahren alles zu torpedieren droht – ein Muss-Buch für Jungs.

Hätte Manne das Sachbuch "Wächst das noch oder war’s das schon?" (Ravensburger, 48 S., 14,99 Euro) in Händen gehabt, wäre ihm vielleicht manches klarer gewesen. Ob Schmetterlinge im Bauch, Stimmbruch, Geschlechtsorgane, Küssen und mehr, das Buch klärt in vielen kleinen Text-Bild-Häppchen und Klappen über die pubertären Wirren auf.

Die magischen Momente, in denen das Herz schneller schlägt und der Kopf nicht mehr klar denken kann, hat Gabi Kreslehner in "PaulaPaulTom ans Meer" festgehalten (Tyrolia, März, 144 S., 14,95 Euro). Die Sprachakrobatin schreibt nicht, sie dichtet, verwebt Augenblicke und Rückblenden auf schwierige Familienbeziehungen mit leichter Hand. Der Leser erlebt ganz unmittelbar mit, wie die 15-jährige Ich-Erzählerin ins Staunen gerät über den Jungen, der ihr im Zug mit seinem Saxophon gegenübersitzt und ans Meer will. Wie man große Emotionen in kleine Sätze packt, wie man den Protagonisten in jeder Sekunde beim aufgeregten Stottern der Gedanken verfolgen kann, wie man als Leser darauf giert, wie sich die beiden denn nun näherkommen und welche Rolle der behinderte Bruder spielt: Kreslehner beherrscht ihr Metier. Und das so poetisch, dass man darauf vertraut, dass das Meer auch Platz im Alltag hat.

Weitaus mühsamer erkämpft sich da in "Henrietta, mein Geheimnis" (Kosmos, März, 206 S., 12,99 Euro) die Ich-­Erzählerin (von der der Leser längere Zeit nicht weiß, ob sie ein Junge oder ein Mädchen ist) ihre erste Liebe. Maja Hjertzell beschreibt die schrecklich schöne Zeit des Beobachtens und Taxierens, mit allen Unsicherheiten und Hoffnungen.

Mit ineinander verschlungenen Familienverhältnissen arbeitet auch Isabel Abedi. Sie führt ihre 17-jährige Heldin Vita in "Die längste Nacht" (Arena, März, 408 S., 19,99 Euro) in ein italienisches Dorf, zugleich Schauplatz eines noch unveröffentlichten Manuskripts auf dem Schreibtisch ihres Vaters. Dort stößt sie auf den jungen Seiltänzer Luca, der sie fasziniert – und nach und nach wird ihr klar, dass sie ihn als kleinen Jungen gekannt hat. Eine sprachmächtige Abhandlung über das Phänomen der Liebe.

Ein Leben wie in Jane Austens Romanen – das wäre wundervoll! Findet zumindest die "ausgesprochen durchschnittliche" Devon Tennyson, die sich im letzten High-School-Jahr im Bewerbungs- und Gefühlschaos befindet. Ihr bester Freund und sie scheinen sich immer weiter voneinander zu entfernen, ihr Cousin wird vom Außenseiter plötzlich zum jüngsten Spieler der Football-Schulmannschaft und Schulstar Ezra scheint doch nicht mehr so wortkarg und arrogant zu sein. "Jane und Miss Tennyson" (Königskinder, 480 S., 18,99 Euro) von Emma Mills ist ein herzerwärmendes Buch über die Schulzeit, Football, Freundschaft und die erste große Liebe.

Die stellt sich bei "Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance" (Fischer KJB, März, 254 S., 14,99 Euro) nur mit Hindernissen ein, denn Autorin Estelle Laure spart in ihrer Story nicht an dramatischen Situationen: Lucilles Mutter hat gerade das Weite gesucht, sodass das Mädchen neben der Schule jobben muss, um sich und seine jüngere Schwester durchzubringen. Erfahren darf es auch niemand. Ein ordentliches Päckchen zu tragen also, und dann verliebt sie sich auch noch in Digby, den Zwillingsbruder ihrer besten Freundin, die sie zwar vorm Ertrinken, aber nicht vorm Koma retten konnte. Dass Digby schon in festen Händen ist, verkompliziert die Sache in diesem Pageturner, der das Leben und die schmale Gratwanderung zwischen Freundschaft und Liebe schonungslos offen schildert.

Seit Liz diese Träume über sich und einen fremden Jungen hat, findet sie kaum noch Schlaf. Als sie ihren "Traumjungen" dann im echten Leben trifft, ist ihr Schicksal bereits besiegelt: Sie und Louis müssen sich geradezu ineinander verlieben. Doch die Liebe bringt große Konflikte mit sich, weil Louis aus einem sozial brisanten Umfeld kommt und Mitglied einer Gang ist, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Spannend thematisiert Jennifer Benkau Liz’ Konflikt zwischen ihren Gefühlen und ihrem Verstand, ihrer Hoffnung und der rauen Realität. Ebenso reflektiert hinterfragt die Autorin die Situation von Louis. Gipfelnd in einem atemberaubenden Showdown überzeugt "Wenn wir fallen" (Cbj, 448 S., 14,99 Euro) mit immer wieder überraschenden Wendungen.

Im Gegensatz zu Liz ist Layla gewiss kein normales Mädchen; zur Hälfte Gargoyle und zur Hälfte Dämon steht sie stets zwischen den Fronten – auch in der Liebe. Denn obwohl sie in den jungen Wächter Tane verliebt ist, kann sie doch die sexuelle Anziehungskraft ihres dämonischen Exfreund Roth nicht ignorieren. Eine Liebesgeschichte mit Suchtpotenzial, mitten im Kampf zwischen Gut und Böse: Jennifer L. ­Armenstrouts Reihe "Dark Elements" geht nach "Steinerne Schwingen" mit "Eiskalte Sehnsucht" (Harper Collins, 400 S., 14,99 Euro) in die zweite Runde.

Magnetische Körperkräfte machen sich auch bei der 17-jährigen Emmy breit, als ein Freund ihres Freundes Jo in den Sommerferien auftaucht. Der coole Sam bringt das an­gepasste Mädchen auf lauter verrückten Ideen, sodass sie plötzlich mehr Fragen als Antworten hat: Catharina Clas’ "Der eine Andere" (Bloomoon, April, 208 S., 12,99 Euro) ist eine herzklopfend leichte Sommergeschichte.

Kehrseite der ersten Liebe ist die erste Trennung, die Thilo als Ausgangspunkt seiner Geschichte mit verschiedenen Varianten nimmt ("1000 Gefühle. Gefühlschaos beim Chatten", Ravensburger, 160 S., 7,99 Euro). Sieben Wochen lang waren Marlene und Tim zusammen, da knutscht der Kerl plötzlich mit einer Klassenkameradin. Doch dafür tauchen andere nette Jungs bei der witzigen Siebtklässlerin auf, und am Ende bestimmter Kapitel muss sich der Leser entscheiden, welche Variante er beim Weiterlesen bevorzugen würde. Zur Wahl stehen vier Happy Ends – und eines, bei dem Marlene und Tim wieder ein Paar werden.

Was im Leben ebenfalls vorkommt: Die erste Liebe hält. In "Ein Sommer ohne uns" (Loewe, 240 S., 12,95 Euro) erzählt Sabine Both drehbuchartig aus zwei Blickwinkeln von den Nachbarskindern Verena und Tom, die sich mit 13 verlieben. Während die Beziehungen ihrer Eltern stark kriseln, planen die beiden die erste eigene Studentenbude. Bis Verena Zweifel kommen: Vielleicht doch noch mal kurz einen anderen Mund küssen, eine andere Haut fühlen? Ihre Idee, eine offene Beziehung für drei Monate zu führen, hinterlässt Trümmer: Beide fühlen sich nicht wirklich wohl mit dem Druck, es gibt Verwicklungen, Risse, die kaum mehr heilen. Und viele Erkenntnisse über Beziehungen.

Den Kummer nach einer beendeten Beziehung zu überwinden und neu anzufangen, das versucht Sidney in "Maybe ­Someday" (dtv, 400 S., 10,99 Euro): Betrogen von ihrem Freund, steht sie an ihrem Geburtstag alleine im Regen. Welch Glück, dass der taubstumme Gitarrist Ridge sie kurzerhand in seine WG aufnimmt und fortan mit ihr gemeinsam an den Songs für seine Band arbeitet. Als die beiden sich näher kommen, beginnt ein Kampf gegen die eigenen Gefühle: Denn Ridge hat eine Freundin, die er über alle Maßen liebt und niemals verlassen könnte. Ergreifend und vorurteilsfrei erzählt Colleen Hoover von Ridges Zwiespalt zwischen zwei verschiedenen geliebten Menschen und dem hoffnungslosen Kampf gegen das eigene Herz. Der Leser verliert sich in den Gefühlen der Protagonisten und hadert ebenso wie diese mit der Frage: Was ist richtig, was ist falsch? Dass die im Buch komponierten Songs aufgenommen wurden und über einen QR-Code abrufbar sind, rundet Hoovers Roman zu einem überaus gelungenen Gesamtkonzept ab.

Als eben solches ist auch "French Summer. A fucking ­great road trip" (Gerstenberg, 192 S., 14,95 Euro) zu bezeichnen, in dem Eppo und Tabby auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit auf einen Roadtrip geraten. Während Eppo im Stillen versucht, den Verlust seines Pflegebruders, für den er mehr als brüderliche Gefühle hatte, zu überwinden, lenkt sich Tabby mit stetem Geschwätz von ihrer Schwangerschaft ab. Behutsam wird der Leser in die Geheimnisse der Figuren eingeführt.  Er erfährt von ihren Ängsten, spürt am Ende die Wärme ihrer Hoffnung und ihres Muts. Sowohl sprachlich als auch inhaltlich überzeugt die Niederländerin Marian De Smet auf ganzer Linie – a fucking great book!

Während sich "Maybe Someday" und "French Summer" mit der Aufarbeitung verlorener Liebe beschäftigen, erzählt "For your eyes only" (Ueberreuter, 144 S., 12,95 Euro) von der Zeit des Verlusts. Die 14-jährige Lilly schickt ihrem Freund Jannis Nacktbilder, um eine Chance gegen dessen arglistige Exfreundin zu haben. Bald darauf hat allerdings die gesamte Schule die Fotos gesehen – und nicht einmal mehr Jannis glaubt, dass Lilly die Aufnahmen nicht selbst an andere weitergeschickt hat.
Pointiert und schockierend beschreibt Carolin Philipps, wie ein junges Mädchen ins Abseits gerät und das Vertrauen in sich selbst verliert, bis es keinen anderen Ausweg mehr sieht als den Tod. Gekonnt nimmt sich die Autorin eines wenig beachteten Themas an – ein realistischer Roman, der den Leser noch lange beschäftigt.

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