Kinder- und Jugendmarketing-Kongress

Rebellische Mädchen und Schleichwerbung

27. Juni 2017
von Nicola Bardola
Haustiere, Fußball, Reiten: Beim 19. Kinder- und Jugendmarketing-Kongress von iconkids & youth standen Trends und Zielgruppensegmente im Mittelpunkt - und insbesondere die Frage, was prominente "Influencer" und Fake News für die kreativen Dienstleister bedeuten.

Rund 200 Kongressteilnehmer, darunter auch Kinderbuchverleger, staunten, als Axel Dammler die Trends der vergangenen Dekade verglich. Bei der Untersuchung der Erlebniswelten von Kindern und Jugendlichen hat der Geschäftsführer von iconkids & youth, dem größten deutschen Spezialinstitut für Kinder- und Jugendforschung, das Thema Freundschaft aus seinem Fragenkatalog gestrichen, da es zu unspezifisch sei. Die wichtigsten Verschiebungen zwischen 2005 und 2016 bei Sechs- bis Zwölfjährigen betreffen - entgegen der Erwartung - die Abnahme der Bedeutung von Musik um elf Prozent. „Trotz aller Talentshows im Fernsehen fehlt es heute an nahbaren und vertrauenswürdigen Stars wie damals Jeanette Biedermann oder Yvonne Catterfeld, GZSZ-Heldinnen, die damals in den Musikbereich gegangen sind. Das waren Stars, die die Kinder für die Musikwelt begeistern konnten. Die Bedeutung von Musik im Kindermarkt sinkt, weil es an solchen Promis fehlt.“

Problematische Siegeszüge

Hingegen berichtet Dammler in München, dass Haustiere im Kommen seien, ein wichtiges Element im Familienverbund, das Konflikte und Machtstrukturen positiv beeinflusse. An Bedeutung gewinnt auch König Fußball, ein problematischer Siegeszug, da er auf Kosten aller anderen Sportarten gehe. Weniger im kompetitiven Sinn sind Reiten und Pferde die Trendgewinner: „Rebellisches Mädchen findet mit ihrem rebellischen Pferd ihren eigenen Weg. Reiten ist ein altbekanntes und reines Mädchenthema und trotzdem groß im Kommen, dank neuer Konnotationen jetzt auch für ältere Mädchen“, so Dammler, der ähnliche Veränderungen auch beim Thema Prinzessinnen beobachtet.

Falsch interpretierte Online-Befragungen

Unter dem an Rudyard Kiplings Schlange Kaa anspielenden Motto „Glaube mir … vertraue mir …“, berichtet Ingo Barlovic, Geschäftsführer bei IconKids & Youth, von den Schwierigkeiten, Bildmaterial von Disney zu bekommen, weshalb er auf Wonder Woman ausweicht. Das ist nicht nur ein aktueller Kino-Erfolg, sondern eine von William Marston erfundene Comic-Superheldin. Barlovic wünschte sich generell mehr wahrheitsliebende Wonder Women im Kinderbuchmarkt und zeigte, dass Fake News auch von seriösen Medien absichtslos (weiter-) verbreitet werden, besonders aufgrund falsch interpretierter Online-Befragungen entgegen aufwendiger Erhebungen in der realen Welt. Für die Problematik von Schleichwerbung für Kinder bei Inanspruchnahme prominenter Youtuber zur Vermarktung eigener Produkte steige inzwischen die Sensibilität der Hersteller. Umso wichtiger sei die seriöse Kooperation mit glaubwürdigen Bloggern.

Wie ernst werden Promi-Tipps genommen?

Influencer Marketing ist bei Jugendlichen ein akutes Thema. iconkids & youth hat repräsentativ 13- bis 19-Jährige befragt, wem sie auf den verschiedenen Internet-Plattformen folgen. Wenn Bianca „Bibi“ Heinicke, Delevigne, Gronkh, Elyas M’Barek und viele andere Prominente etwas gut finden, dann wirke sich das rasch auf die entsprechenden Verkaufszahlen aus. Allerdings achteten zunehmend viele Jugendliche auf die Glaubwürdigkeit der Influencer. 84 Prozent der Befragten meinen, dass die Stars Geld dafür bekommen, wenn sie bestimmte Dinge zeigen. Für 75 Prozent steige die Glaubwürdigkeit des Influencers, wenn er manchmal Produkte richtig schlecht findet. Auch auf Herstellerseite sei bei der Wahl eines Bloggers vieles zu beachten: Wie viele der angeblichen Follower sind aktive und echte Fans? Wie sympathisch ist der Blogger (Authentizität, Inspiration, Vorbildfunktion) und welche Zielgruppen (Expertentum, Auslösendes Produktinteresse, Werbepower) hat er? Wie gut passen also die eigenen Produkte zu den vom Blogger behandelten Themen? Der (Micro-) Influencer-Weg ist für Hersteller zusätzlich zu bewährten Content-Marketing-Maßnahmen beschwerlich, aber spannend, so Barlovic.

„Ich finde besonders die Analysen zur Fragmentierung des Marktes und damit zur Schwierigkeit, große Trends zu setzen interessant. Nach dem Tag heute muss man noch genauer zwischen Kindern und Jugendlichen unterscheiden“, so Susanne Stark, Programmleiterin bei dtv-junior, die sich freut, dass nächsten Frühling ein besonderer Wonder Woman-Titel bei dtv erscheinen wird. Speziell bei den Jugendlichen beobachtet sie, dass sich die Leser stark in den sozialen Medien organisieren. „Wir müssen verstärkt online via Instagram, Twitter, Facebook, Youtube oder Snapchat mit ihnen in Kontakt treten, damit sie informiert werden in diesem Dschungel von Büchern“, so Stark. Auch cbj-Lektorin Christine Lederer glaubt, dass sich die Intensität der Kooperation mit Bloggern erhöhen muss. „Es gilt, sich auch bei Müttern als Marke zu etablieren und Vertrauen aufzubauen. Zudem muss man stärker in Zielgruppen denken: Welches Buch kann ich wie und über welchen Kanal an meine Zielgruppe bringen?“