Kindermedienkongress

Wie erreicht Content Kinder heute?

17. November 2015
von Nicola Bardola
Zum sechsten Mal richtete die Akademie der Deutschen Medien gestern im Literaturhaus München den Kindermedienkongress aus: Im Mittelpunkt standen Technikinnovationen und Strategien für Verlage sowie die Erkenntnis, dass aktuell nur fünf Prozent der 6- bis 19-Jährigen Bücher elektronisch lesen und QR-Codes ungelesen bleiben.

„Das Medium prägt die Persönlichkeit. Offline-Kompetenz wird in hohem Maße differenzierend bleiben", sagte Sebastian Buggert, Leiter Medienforschung beim rheingold institut. „Soziale Fähigkeiten bekommt man auch in Zukunft weniger über digitale Medien. In echte Beziehungen reingehen bleibt wichtig", so Buggert, der einen Blick in die Zukunft wagte und über Kindermedientrends 2020 aus psychologischer Sicht sprach. „Digitales Lesen wird bei Kindern zunehmen, allein schon weil die Schulen hier nach dem Vorbild der Universitäten immer stärker auf E-Books setzen." Buggert hält einerseits das Beibehalten von gedruckten Büchern und das Haptische für kleine Kinder für sehr wichtig. Andererseits empfiehlt er Verlagen, im digitalen Bereich Kompetenz aufzubauen und zu experimentieren, um vorne mit dabei zu sein. „Solche Versuche sollte man im Austausch mit pädagogischen und entwicklungspsychologischen Konzepten unternehmen, auch um den Befürchtungen der Eltern aktiv etwas entgegenzusetzen." Buggert beschäftigt sich auch mit Hardware: digitales Spielzeug, digitale Brillen, Weiterentwicklungen von Fitnessarmbändern jeweils für Kinder adaptiert könnten in Zukunft wichtiger werden. „Ich finde vor allem die Verbindung von Offline- und Onlinewelt interessant. Digitale Gesellschaftsspiele, bei denen man real interagiert, könnten enorm an Bedeutung gewinnen."

Laut Axel Dammler, Geschäftsführender Gesellschafter bei iconkids & youth stagniert zurzeit der E-Book-Markt: „Von den 6- bis 19-Jährigen lesen heute nur fünf Prozent Bücher elektronisch, also als E-Book oder auf dem Tablet PC. Dagegen lesen 60 Prozent Bücher gedruckt auf Papier." Dammler betonte bei seinem Update zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen, dass die große Mehrheit der Leser noch analog unterwegs sei. „Für den Kindermarkt spielt E-Publishing nach unseren Daten nur eine sehr geringe Rolle, wird dann aber im Jugendmarkt auf einmal sehr bedeutend", so Dammler. Das hänge auch mit der Smartphone- und Tablet-Nutzung zusammen, die ab zwölf Jahren rasant an Bedeutung gewinne. „Ab 13 wird das Lesen von E-Books wirklich wichtig."

Louise Carleton-Gertsch, Consultant und Autorin zeigte neue Trends aus den USA und UK bei interaktiven Kindermedien: „Ich benutze heute bewusst nicht mehr das Wort ‚Buch', sondern spreche von ‚Digital Storytelling'. Es geht nicht mehr darum, in Büchern zu blättern." Sie machte das anhand der neuen App „Spot" des US-Illustrators und Autors David Wiesner deutlich. In diesem „Zoom-Bilderbuch" gerät man dank der „Pinch to zoom"-Funktion des iPads immer tiefer in neue Welten. Die Nutzer entscheiden selbst über den Verlauf der digitalen Geschichte, die sich ständig verzweigt und in Parallel-Plots führt, die von den Betrachtern selbst ausgestaltet werden. „Spot" hat kein Ende. Wiesner hätte seine Idee in Buchform nicht verwirklichen können. Was Sebastian Buggert als Gefahr sieht, nämlich die Sogwirkung digitaler Medien, das häufige Fehlen von Links zu offline, die Entfremdung von der realen Welt, die Unendlichkeit des Digitalen und die damit einhergehenden fehlenden Abschlusserlebnisse, wird von Wiesner als kreativ-künstlerischer Vorzug genutzt. Ein sich verstärkender Trend, so Carleton-Gertsch, bestehe auch darin, Smartphone oder Tablet zu nutzen, um damit hinauszugehen, unterwegs zu fotografieren und zu schreiben und die Fotos mit Stories zu kombinieren. Auch die Verbindung von Plüsch-Robotern mit Apps via Bluetooth werde forciert.

In den Kongresspausen fand ein reger Austausch statt. Trends und Meinungen („QR-Codes werden von allen gedruckt, aber niemand verwendet sie") wurden deutlicher ausgesprochen als in den Vorträgen. Etabliert haben sich beim Kindermedienkongress die nachmittäglichen Roundtable-Sessions. Von vier Thementischen fand „Learn from the Youtuber: Youtube Channels für Kindermedienmarken – Von der Contentstrategie zur Produktion" das größte Interesse. Robin Blase, Youtuber (RobBubble) und Chefredakteur des SWR Jugendkanal-Pilotprojekts „1080NerdScope" ließ keine Fragen offen. „Es ist spät, aber nicht zu spät, um als Kinderbuchverlag Youtube systematisch als Marketing-Kanal zu nutzen", so Blase, der die vielfältigen Möglichkeiten bei Youtube auch als Ergänzung und Konkurrenz zur Arbeit in sozialen Netzwerken aufzeigte.