Kommentar

Langenscheidt: Schmerzhafter Gesundungsprozess

16. September 2010
von Börsenblatt
Das stationäre Sortiment verliert an Bedeutung, die Zielgruppe sucht ihre Produkte im Netz. Ein Kommentar von Michael Roesler-Graichen.
Ob es nur blanke Not war, die Andreas Langenscheidt zur Radikalkur schreiten ließ – oder ob der Kapitän des Verlags-Tankers das Steuer herumriss, um einer künftigen Havarie auszuweichen, dürfte sich nicht ohne investigative Ermittlungen entscheiden lassen. Klar ist, dass der traditionelle Markt mit den Handelsstufen Sortiment und Zwischenbuchhandel für Langenscheidt an Bedeutung verliert. Um das Risikopotenzial nicht weiter steigen zu lassen – und stattdessen neue Umsatzpotenziale zu heben, hat Langenscheidt seinem Unternehmen einen massiven Umbau verordnet, der auch mit Arbeitsplatzverlust und Stellenabbau verbunden ist. Kleine, eigenverantwortliche Business Units, die wendiger agieren können, sind das Ziel der Umstrukturierung. Die vier Schnellboote sollen auch stärker vertriebs­orientiert arbeiten. Was nichts anderes heißt als: Die Produkte müssen mit allen Mitteln und auf neuen (digitalen) Wegen an den Kunden gebracht werden – weil das stationäre Sortiment an Bedeutung verliert und sich die Zielgruppe im Netz aufhält.

Der Umbau kostet natürlich auch Kraft und Geld. Es müssen Abfindungen gezahlt werden, es wird massiv in neue Produkte investiert, und vorübergehende Umsatzein­bußen müssen aufgefangen werden. Hinzu kommt, dass die neuen Märkte auch anderen Regeln gehorchen. Wenn es darum geht, Services zu verkaufen oder mit großen Aggregatoren Geschäfte zu machen, sind die Margen möglicherweise nicht mehr so üppig
wie früher. Haushalten, Kräfte bündeln, effizientere Strukturen schaffen wird wichtiger denn je. Eine Lektion auch für andere Verlage.