Kongress Deutsche Fachpresse 2016

"In diesem Augenblick verändert sich unsere Welt fundamental"

10. Mai 2016
von Börsenblatt
Im legendären Berliner Hotel Ellington, 1929 als Ballhaus eröffnet, trifft sich heute und morgen die Fachmedienbranche, um sich über die Zukunft der Fachinformationsmedien und neue Marktpotenziale auszutauschen. Die Keynote des Unternehmers und Visionärs Bernd Kolb gab dazu wichtige Anstöße, die weit über die Branche hinaus von Bedeutung sein könnten. 

Doch zuvor begrüßte Fachpresse-Sprecher Stefan Rühling (Vogel Business Medien) die Teilnehmer, die zu Beginn den Imagefilm "Wir schaffen Glücksmomente" gesehen hatten, ein Semesterprojekt von sechs Studenten des Studiengangs Marken- und Medienmanagement an der FH Würzburg. Die Fachmedien brächten nach wie vor eine wesentliche Informations- und Vernetzungsleistung und würden gebraucht - was das Umsatzplus von 3,2 Prozent 2015 eindeutig belege.

Doch die Rolle der Fachmedien ändere sich, die Verlage hätten sich viele neue Kompetenzen angeeignet und würden gründlich über eine neue Positionierung der Fachmedien nachdenken. Das sei auch der Anlass für die Studie "B2B-Medien- und Informationsmarkt in Deutschland" gewesen, die zeige, dass die Fachmedien längst die Marktgrenzen überschritten hätten und in benachbarte Geschäftsfelder vorgedrungen seien. Rolf-Dieter Lafrenz von Schickler Unternehmensberatung, die die Studie im Auftrag der Deutschen Fachpresse durchgeführt hatte, stellte sie am Vormittag vor.

Mit Bernd Kolb bat Kongressmoderator Torsten Casimir (Chefredakteur Börsenblatt) einen Mann auf die Bühne, der sich schon mehr als 20 Jahre als Visionär und Unternehmer unter anderem in der Medienbranche betätigt: den früheren Punk-Musiker Bernd Kolb, der den Vortrag "Die digitale Revolution" mitgebracht hatte.

1993 sei er erstmals mit diesem Titel auf die Bühne gegangen und habe "Verrücktes" über das Internet erzählt. Vieles von dem sei eingetreten, anderes nicht. Nun wolle er wieder einen Blick nach vorn werfen - und da seine Keynote mitgefilmt werde, sei es interessant, sie in zehn Jahren wieder hervorzuholen.

"Wo stehen wir?", fragte Kolb ins Publikums. "Wir haben gefühlte zehn Prozent der digitalen Transformation gesehen, der Rest wird kommen bis 2026". Derzeit durchlebe die Welt die zweite Industrielle Revolution, mit dem Unterschied, dass sie wesentlich schneller und komplexer verlaufe. Kolb nannte Treiber und Buzz-Words der Entwicklung: die totale Vernetzung, die "Cloud" als unsichtbare Techno-Sphäre, den intermaschinellen Dialog, autonomes Fahren, Quantencomputer und Vieles mehr.

Auch die Verlage gingen mit großen Schritten in Richtung Digitalisierung, Beispiel Axel Springer. Und dann fiel ein Satz, der im Saal Raunen auslöste: "Wenn Sie nicht bei 50 Prozent digitalem Geschäft angekommen sind, dann müssten Sie sich Sorgen machen."

Doch Kolb warnte auch vor falscher Euphorie: Man müsse sich schon Gedanken machen, was mit den Daten geschehe, die in die intelligenten Systeme eingespeist würden. Ob man noch von Autonomie sprechen könne? Es seien Bürger- und Menschenrechte in Gefahr, für die man Hunderte von Jahren gekämpft habe. An dieser Stelle wurde Kolb dezidiert politisch und entwarf ein bedrohliches Szenario: eine Welt, in der Menschen freiwillig ihre Datenhoheit aufgäben und Menschen wählten, über deren demokratische Ausrichtung man sich keine Illusionen machen sollte. Der Name "Trump" mag hier genügen. Kolbs Fazit: "In diesem Augenblick verändert sich die Welt fundamental."

roe