Leipziger Buchmesse

Die ganze Welt der schönen Bücher

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Der von der Stiftung Buchkunst mit enormem Engagement ausgerichtete Wettbewerb "Schönste Bücher aus aller Welt" ist ein Solitär − und nach einem halben Jahrhundert wichtiger denn je. Zum Jubiläum wurde gefeiert, dazu nahm ein Podium Geschichte und Perspektiven des weltweit einzigartigen Unternehmens in den Blick.

Jede Minute erscheint irgendwo auf dem Globus ein Buch − grenzt es da nicht an Hybris, wollte man tatsächlich und im Wortsinn "die" Schönsten auswählen? Lassen sich Kunstkataloge, Bildbände, Kochbücher oder wissenschaftliche Literatur überhaupt miteinander messen? Und wie vermögen Juroren Bücher zu beurteilen, die sie nicht in jedem Fall lesen können? 

Als 1963 in Leipzig zum ersten Mal "Schönste Bücher aus aller Welt" gekürt wurden, knüpfte man an Ideen an, die weit in die Anfangsjahrzehnte des letzten Jahrhunderts zurückreichten − die legendäre Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik (BUGRA) oder die Internationale Buchkunst-Ausstellung (IBA). Die alljährlich auf der Leipziger Buchmesse im Frühjahr übergebenen Auszeichnungen − Gold-, Silber- und Bronzemedaillen, ab 1968 die "Goldene Letter" als begehrter höchster Preis − gewannen rasch internationales Ansehen. Seit 1991 werden Wettbewerb und Ausstellung "Schönste Bücher aus aller Welt" von der Stiftung Buchkunst ausgerichtet. 25 Länder schickten im ersten Jahr ihre Kollektionen − damals waren das knapp 500 Titel, seither werden es kontinuierlich mehr.

Zur 50-Jahr-Feier des internationalen Wettbewerbs präsentierte die Stiftung Buchkunst nicht nur die kompletten Einreichungen des aktuellen Jahrgangs − 575 Bücher aus 32 Ländern, von Belarus bis Ungarn − sondern auch die kompletten Preisträger der "Goldenen Letter" seit Beginn des Wettbewerbs: Die "Schönsten der Schönen" im Zeitraffer. Bevor die Sektgläser klirrten, diskutierte Alexandra Sender, Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst, mit Juroren, Prämierten und Zeitzeugen über Geschichte, Relevanz und Kriterien des Wettbewerbs. Letztere haben sich über die Zeitläufte erstaunlich gut bewährt, wie Matthias Gubig, ehemals Professor der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, betonte − auch wenn das Buch, das über Jahrhunderte "Soloinstrument" war, sich heute in einem ganzen "Orchester von Kommunikationsmitteln" behaupten muss. Julia Walch, als Tochter des langjährigen Leipziger Insel-Herstellers Hans-Joachim Walch mit der Wettbewerbsgeschichte in Ost und West bestens vertraut, erinnerte daran, dass der Wettlauf der politischen Systeme einst auch auf kulturpolitischem Parkett ausgetragen wurde, das Buch für die SED-Oberen ideelle Waffe im Klassenkampf war − von derlei politischen Indiesntnahmen war der internationale Wettbewerb vor 1989 nicht frei.

Und heute? Welche Relevanz hat der Wettbewerb für die junge, nachwachsende Gestalter-Szene? Daniel Rother, der für das gemeinsam mit seinen HGB-Kommilitoninnen Elisabeth Hinrichs und Aileen Ittner erarbeitete Buchprojekt "XX" 2010 mit der "Goldenen Letter" ausgezeichnet wurde, findet vor allem den "Blick über den Tellerrand" wichtig. Das internationale Kräftemessen befördert für ihn, der nach dem Grundstudium in Leipzig nach Amsterdam wechselte, die "Freiheit, mit den verschiedensten Design-Auffassungen produktiv umzugehen" − und zeige, ganz nebenbei, zu welchen Höchstleistungen Buch-Gestaltung jenseits platter Marktkonformität auflaufen kann.

Mut zum Experiment fördern und darüber das gut gemachte Gebrauchsbuch nicht vergessen. Ländern mit noch immer schwierigen Produktionsbedingungen die gleichen Chancen einräumen wie den hoch spezialisierten Routiniers aus traditionellen "Buch-Nationen" − dieser Spagat hält den Wettbewerb als inspirierenden Dialog der Weltkulturen lebendig. Und dürfte ihn, Digitalisierung her oder hin, mühelos über weitere 50 Jahre tragen.

nk