LiBeraturpreis 2013 an Patrícia Melo verliehen

"Melo ist eine Ironikerin"

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Rappelvoll war es gestern vor der Bühne Weltempfang auf der Frankfurter Buchmesse, als die brasilianische Autorin Patríca Melo den LiBeraturpreis 2013 für ihren Roman "Leichendieb" in Empfang nahm − mit dabei ihre Übersetzerin Barbara Mesquita. Unter den mehr als 100 Zuhörern auch der Buchmesse-Chef Juergen Boos.

Gleich drei Neuerungen für den LiBeraturpreis konnte litprom-Geschäftsführerin Anita Djafari zur Begrüßung verkünden: Der 1987 begründete Preis wird ab diesem Jahr von litprom fortgeführt ("eine freundliche Übernahme") und erstmals fand die Preisverleihung auf der Frankfurter Buchmesse statt. Drittens stiftete die Buchmesse ein Preisgeld von 3.000 Euro. Der LiBeraturpreis wird an Autorinnen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt für deutsche Ausgaben ihrer Bücher verliehen – ursprünglich initiiert, um sie hierzulande ins Blickfeld zu rücken. Ist dies auch heute noch nötig? "Es gibt sie noch, die Wahrnehmungsstörung", betonte die engagierte Anita Djafari. Insofern erfülle der LiBerturpreis weiterhin eine wichtige Aufgabe.

"Ein eleganter, maliziöser und sarkastischer Roman über die Deregulierung moralischer Standards", zitierte Anita Djafari bei der Preisübergabe aus dem Juryurteil über Patrícia Melos Siegertitel "Leichendieb" (Tropen/Klett Cotta). Und weiter: "Niedertracht als Verhaltensnorm wird zum gesellschaftlichen Erfolgsmodell. Das bezieht sich nicht nur auf brasilianische Verhältnisse, sondern hat globale Gültigkeit."

Der wortmächtige Laudator Thomas Wörtche beklagte sich mit einem Augenzwinkern, es "sei ein Skandal", dass erst das sechste, auf Deutsch vorliegende Buch von Patríca Melo den LiBeraturpreis bekomme. Er gab kurz den Inhalt des "Leichendiebs" (Tropen/Klett-Cotta) wieder, die Geschichte eines namenlosen "fiesen Unschuldslamms", später Porco (Schwein) genannt, das immer tiefer ins Verbrechen schlingert. Dann lieferte er eine eindrucksvolle Analyse des Werks der Autorin. Eine Autorin, in deren Büchern oft "Krisengewinnler und Wahrheitsverdreher" im Mittelpunkt stünden. Aber diese Schurken kämen bei ihr durch. "Melo ist eine Ironikern", so Wörtche – mit moralischer Basis. Ihr Stil sei "karnevalistisch, grotesk, komisch gebrochen und ambige".  Als kongenial lobte er die Arbeit ihrer deutschen Übersetzerin Barbara Mesquita, die alle Bücher Melos übertragen hat, mit ihr freundschaftlich verbunden ist. Auch im Deutschen entstehe so der treffende "Groove", die vielen intertextuellen Bezüge blieben erhalten. Für ihr "hochkomplexes Erzählspiel" habe Melo den LiBeraturpreis mehr als verdient. "Klarer Fall!", schloss Wörtche.

Die freudestrahlende Patríca Melo dankte bei der Preisübergabe ebenfalls vehement Barabara Mesquita: "Auch durch sie habe ich meinen Preis heute bekommen." Ein Blumenstrauß für beide drückte diese Wertschätzung aus.

Im anschließenden Gespräch von Katharina Borchardt (SWR2-Redakteurin und litprom-Aktive) mit der Autorin und ihrer Übersetzerin erfuhren die gespannten Zuhörer Literarisches und Biografisches aus erster Hand. Etwa wie Melo, die in Brasilien und der Schweiz lebt, ihre Motive findet, wie sich ihr Schreibprozess gestaltet. "Ich liebe meine Figuren", unterstrich die Autorin, "ich mag komplexe Personen, ich mag Psychopathen." Der Schweizer Wohnort ermögliche ihr jetzt auch den Außenblick auf ihr Heimatland. Barbara Mesquita erzählte wie die beiden zusammenarbeiten und wie sie Übersetzungsprobleme meistert. Viel gehe über Internetrecherche, aber eine Liste mit den letzten Fragen schickt sie an Patrícia Melo.

Zum Ausklang der gelungen Buchmesse-Premiere der Preisvergabe gab es einen kleinen Empfang.

Neuer Modus ab 2014

Und es gibt eine vierte Neuerung. Ab 2014 wird der LiBeraturpreis nach einem neuen Modus vergeben. Mögliche Gewinnerinnen müssen zuvor auf der litprom-Bestenliste Weltempfänger gestanden haben. Einer Bestenliste übersetzter Belletristik aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt, die seit 2008 viermal im Jahr erscheint. Auf die Shortlist des LiBeraturpreises gelangen automatisch nur die Titel, die im Vorjahr auf eine der vier Weltempfänger-Listen gewählt worden waren. Meistens schaffen es pro Jahr lediglich etwa sechs bis acht Titel (oder rund 25 Prozent) von Autorinnen auf die Bestenliste, so Anita Djafari. Aus der Shortlist können die Mitglieder von litprom und des Anderen Literaturklubs die Preisträgerin wählen.

Begründet wurde der LiBeraturpreis 1987 vom Verein LiBeraturpreis, der sich in diesem Jahr aufgelöst hat. "Litprom − Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika" führt den Wettbewerb mit Unterstützung der Frankfurter Buchmesse fort.