Markus Pfeffer lockt mit Pokémon Go Kunden in die Buchhandlung

Da sitzt ein Pikachu zwischen den Taschenbüchern!

2. August 2016
von Börsenblatt
Die einen spielen begeistert Pokémon Go, den anderen gehen die Monster langsam ziemlich auf die Nerven. Wie man in seiner Buchhandlung von dem Hype profitieren kann, erklärt Markus Pfeffer, Filialleiter der Comic-Buchhandlung Little Nemo in Bochum.

Eigentlich waren sie nie weg. Die Pokémon, neben dem Tamagotchi DAS Medienphänomen der ausgehenden Neunziger Jahre, haben es in mittlerweile zwei Jahrzehnten zu weit über fünfzig verschiedenen Videospielen, hunderten von Zeichentrick-Folgen, 19 Kinofilmen und tausenden von Sammelkarten gebracht.

Pokémon Go ist eines der ersten Nintendo-Spiele, die nicht auf einer der hauseigenen Spielkonsolen gespielt werden, sondern für die meisten gängigen Smartphones zu haben sind – überdies kostenlos. Einfacher, kostenloser Zugang zum Spiel gepaart mit einer ordentlichen Portion Nostalgie (zum Start konzentriert sich Go ganz auf die Figuren aus den allerersten Pokémon-Game Boy-Spielen) haben dafür gesorgt, dass Pokémon Go schon nach wenigen Tagen auf über 100 Millionen Endgeräten installiert wurde, und auf dem besten Weg ist, eine der ertragreichsten und meistgenutzten Mobile Apps überhaupt zu werden.

Was aber ist Pokémon Go nun, und wie kann man von dem Hype profitieren, ohne sich anzubiedern?

Pokémon Go ist ein Spiel, welches das Konzept der Augmented Reality (erweiterte Realität) verwendet. Dabei wird die reale Welt, wenn sie durch ein Smartphone (und in Zukunft vielleicht eine Datenbrille) betrachtet wird, um virtuelle Informationen ergänzt. An real existierenden Orten tauchen virtuelle Monster auf, die man auf dem Display fängt, großzieht, und dann mit Freunden tauscht, um die eigene Sammlung zu vervollständigen. Wer gerne kompetitiv spielt, kann seine Monster in den Kampf gegen die anderer Spieler schicken.

Arenen (die Orte, an denen man kämpft) und PokéStops (Sehenswürdigkeiten, an denen man virtuelle Hilfsmittel geschenkt bekommt) können überall sein – Statuen, auffällige Bepflanzungen, Einzelhandelsgeschäfte – die Zuordnung erfolgte schon vor einigen Jahren für das ähnlich aufgebaute, aber nur wenig bekannte Spiel Ingress.

Buchhändler, die das Glück haben, einen solche Ort in unmittelbarer Nähe ihres Geschäftes zu haben, werden also fast automatisch mit Spielern konfrontiert. Mag es auch auf einem Bildschirm stattfinden – Pokémon Go ist ein ungemein soziales Spiel, welches durch verschiedene Spielmechaniken ständig dazu ermuntert, sich mit anderen Nutzern zu treffen und gemeinsam zu spielen.

Eigentlich braucht man ihnen also einfach nur signalisieren, dass sie willkommen sind. Allein Interesse am Spiel zu zeigen kann schon Wunder wirken – nichts freut einen Comic- oder Videospiel-Nerd mehr, als wenn Interesse an seinen Hobbys aus unerwarteten Ecken kommt. Und schon wird der Standort Buchhandlung interessant, denn dort gibt es idealerweise nicht nur die Pokémon-Mangas und andere Comics (speziell die Reihe Die ersten Abenteuer spricht übrigens die langjährigen Fans an), sondern auch Begleitbücher zu aktuellen TV-Serien und Trendthemen oder die literarischen Vorlagen zu Game Of Thrones, Sherlock und Co.

Pokémon-Marketing“ kann natürlich auch deutlich weiter gehen: So gibt es im Spiel sogenannte „Lockmodule“, welche an einem PokéStop für eine halbe Stunde besonders viele Pokémon erscheinen lassen. Da ein Lockmodul nicht nur dem Spieler, der es verwendet, sondern auch allen anderen nutzt und auf deren Radar auftaucht, lockt es nicht nur virtuelle Monster, sondern auch Spieler aus Fleisch und Blut an den entsprechenden Ort. Lockmodule gewinnt man durch  spielerische Leistungen, kann sie aber auch mit realem Geld kaufen (je nach Mengenrabatt kostet eines 58 bis 99 Cent). Über dieses Art der Monetarisierung des eigentlich kostenlosen Spieles kann man natürlich geteilter Meinung sein – eine effektive Methode, spielenden Kunden ein kleines Geschenk zu machen, ist es ohne Zweifel. Und wenn die eigene Buchhandlung ohnehin ein Hotspot für Monsterjäger ist, und die Umstände es zulassen – warum nicht einen gemeinsamen Spaziergang durch die Stadt oder ein Picknick im Park organisieren? Für so eine Aktion sollte allerdings mindestens einer der durchführenden Mitarbeiter ein tieferes Verständnis des Spiels und Pokémon im Allgemeinen mitbringen.

Letztlich ist natürlich auch Pokémon Go ein Hype mit einer begrenzten Lebensdauer. Gelegenheitsspieler werden in den nächsten Monaten die Lust verlieren, das Thema wird aus den Medien verschwinden, und viele Pokémon-Fans werden sich wieder den „richtigen“ Spielen zuwenden, deren neueste Ausgaben im November erscheinen.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass mediale und popkulturelle Phänomene heutzutage immer plötzlicher auftauchen, und schnelle Reaktionen erfordern. Das Schöne daran: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, mit spontanen, auch kleinen Aktionen online und offline Relevanz, Modernität und  Offenheit für Neues zu demonstrieren.