Meinung

Ein Aufbruch? Gemeinschaftskatalog der Antiquare 2009

27. Mai 2009
von Börsenblatt
Träger des Antiquariatshandels sind nicht die Online-Plattformen, sondern die Antiquare mit ihren individuellen Profilen. Über den neuen Gemeinschaftskatalog der Antiquare der Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ). Ein Kommentar.

Gemeinsame Kataloge von Antiquaren gab es in den letzten Jahren einige, genannt seien nur die "Nordlichter" (2005) und die "7 Antiquare" (2007 und 2008). Nun veröffentlicht die Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ) unter dem ambitionierten Titel "Gemeinschaftskatalog der Antiquare" einen weiteren Gemeinschaftskatalog. Nach der Teilnehmerzahl – über 90 Antiquariate, überwiegend aus Deutschland – handelt es sich um das mit Abstand größte Katalogvorhaben dieser Art, und es ist ausdrücklich auf Fortsetzung angelegt.

Beteiligt haben sich an dem neuen Gemeinschaftskatalog der Antiquare eine Reihe überregional bekannter Firmen, die regelmäßig anspruchsvolle Lagerkataloge herausgeben (z. B. Albrecht, Brockhaus, Gruber, Hohmann, Keune, Koppel, Kurz, Loidl, Patzer & Trenkle, Schaper, Schneider), aber auch Antiquariate, die vermutlich zuvor noch kein eigenes gedrucktes Angebot veröffentlicht oder auf einer der größeren Verkaufsmessen ausgestellt haben. Und diese Mischung macht – trotz anstrengender Typografie – den Reiz des Katalogs aus. Einen so umfangreichen Katalog inhaltlich angemessen zu beschreiben, ist fast aussichtslos; jedenfalls sind von der mittelalterlichen Handschrift bis zum Comic nahezu alle Themengebiete des Antiquariats vertreten, einschließlich der Fotografie – das Preisniveau reicht von zweistelligen Eurobeträgen bis hinauf in den fünfstelligen Bereich (eine Besprechung in der Zeitschrift "Aus dem Antiquariat" wird sich noch ausführlicher mit dem Inhalt des Katalogs befassen).

Unglücklich präsentieren sich die Katalogvorworte des GIAQ-Vorstands ("Sehr geehrte Sammlerin, sehr geehrter Sammler, liebe Bücherfreunde") und des Vorsitzenden des Verbands Deutscher Antiquare, Eberhard Köstler. In beiden Texten werden argumentative Verrenkungen unternommen, um den Sinn dieses Katalogs zu erklären. Bemüht wird das Internet, bemüht wird auch der 1999 eingestellte Gemeinschaftskatalog des Verbands Deutscher Antiquare. Die Herstellung solcher Zusammenhänge – zumal in dieser extrem verknappten Form – ist ein heikles Spiel. Übergangen wird beispielsweise der Umstand, dass der Verbandskatalog seinerzeit eher an Auszehrung (und einer ungepflegten Adressenkartei?) als am vermeintlichen Siegeszug des Online-Buchhandels starb. Weiß das nicht gerade der "internetferne" Sammler, mit dem man nun wieder "ins Gespräch und auch ins Geschäft" kommen will? Im Vorwort von Eberhard Köstler, der sich selbst bemerkenswerter Weise nicht mit einem Angebot am Katalog beteiligt hat, ist der Schlussabsatz über die Wendung des Internet-Handels vermutlich ironisch gemeint – gibt es eigentlich eine andere Interpretationsmöglichkeit? Wäre es dann nicht besser gewesen, die verdienstvollen Redakteure des Katalogs, Hartmut Erlemann und Hermann Wiedenroth, mit einer persönlichen Vorbemerkung zu Wort kommen zu lassen?

Überhaupt müssen sich die Verantwortlichen der GIAQ auch kritische Fragen gefallen lassen. Wer verwaltet die für den Katalogversand verwendete Adressenkartei? Auf welche Weise wird sichergestellt, für welche Zwecke diese Kartei genutzt wird und für welche nicht? Wie sieht es mit der in der Ausschreibung im Februar angekündigten Anbindung des Kataloginhalts an die Metasuchseite Eurobuch (www.eurobuch.com) aus? Ist das nicht ein Eingeständnis, Unabhängigkeit eben doch nicht erreichen zu können (trotz des Verzichts auf Verkaufsprovision bei Online-Verkäufen)? Lässt sich ein solches Vorhaben wirklich über einen längeren Zeitraum fortsetzen? Manchen Teilnehmern der Premiere dürften hierfür die geeigneten Bestände fehlen – was nicht als Wertung dieser Firmen verstanden werden soll. Der unnötigerweise bemühte Vergleich mit dem alten Gemeinschaftskatalog des Verbands Deutscher Antiquare setzt die Messlatte sehr hoch.

Diese Fragen ändern freilich kaum etwas an der beachtlichen Leistung der Organisatoren und vor allem der beiden ehrenamtlichen Redakteure des Gemeinschaftskatalogs der Antiquare. Der Katalog macht zumindest in Ansätzen sichtbar, was selbstverständlich ist, aber in Zeiten 'weltweit größter Online-Antiquariate' in Vergessenheit zu geraten droht: dass die Träger des Antiquariatshandels nicht die Plattformen sind, sondern die Antiquare mit ihren mehr oder weniger ausgeprägten individuellen Profilen. Wenn dieser Gemeinschaftskatalog also das Nachdenken über gedruckte Kataloge und neue Vertriebsmöglichkeiten im Antiquariatshandel befördert, ist das alle Anerkennung wert.

Björn Biester