Mitgliederversammlung

Tag der Entscheidung in Nordrhein-Westfalen

14. April 2011
von Börsenblatt
Fusion mit dem Bundesverband: Ja oder Nein? Über diese Frage hat der Landesverband Nordrhein-Westfalen heute abgestimmt – bei seiner Jahreshauptversammlung in Essen. Ergebnis: Ein klares Ja. Die Diskussion können Sie hier im boersenblatt.net-Liveticker nachverfolgen.

Stefan Könemann, Vorsitzender des Landesverbands NRW, skizziert nochmals die Ausgangsbasis für die Fusionsabsicht. Unter anderem nennt er sinkende Einnahmen des LV NRW, eine teuere Bürokratie, die zum Aufzehren von Ressourcen führe und eine hohe Belastung des Haupt- und Ehrenamts durch Gremienarbeit. Zudem wies er darauf hin, dass die Sparmöglichkeiten des Verbands ausgeschöpft seien.

Gabriele Schink, Geschäftsführerin des Landesverbands, erläutert das Prozedere der Fusionsprüfung, die der LV NRW durchgeführt hat. Dazu gehörten unter anderem die Klärung von juristischen Fragestellungen, die Prüfung der Finanzen, die Definition und Sicherung von Leistungen oder die Berechnung von Beitragssenkungsmöglichkeiten. Bewährtes zu erhalten, sei vielen Mitgliedern sehr wichtig, so Schink. Dazu gehörte unbedingt eine Geschäftsstelle als Basis und Anlaufstelle für die Buchhändler und Verleger. Bislang erreiche der Verband mit seinen Leistungen rund zwei Drittel seiner Mitglieder.

"Das neue Modell NRW" erläutert Stefan Könemann. Die Geschäftsstelle würde umgewlandelt in ein Regionalbüro, die Geschäftsführerin Gabriele Schink werde Regionaldirektorin. Die Mitarbeiterinnen, die heute im LV tätig seien, blieben. Aufgaben würden räumlich und fachlich neu verteilt.

Für die Mitglieder ergeben sich im Rahmen des Modells neue Mitwirkungsmöglichkeiten: Ausbau der Regionaltreffen, die Schaffung von Task Forces (Kompetenz-Teams) sowie der Dialog mit allen Gremien. "Wenn man möchte, dass mehr Mitglieder ihre Kompetenz einbringen, dann muss die ehrenamtliche Arbeit auf mehr Schultern verteilt werden", unterstrich der Vorsitzende des Landesverbands.

"Hier haben wir eine bemerkenswerte Schwelle überschritten", sagte Schink. Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Alexander Skipis, habe versichert, dass Sprecher solcher Task Forces, ihre Themen jederzeit auf kurzem Weg einbringen könnten.

"In heutigen Zeiten sei es schwierig, Nachwuchs für Ehrenämter zu finden", so Schink. Gerade jüngere Leute, die firm seien bei Digitalisierung und neuen Medien, seien schwer zu akquirieren. Für Task Forces hingegen, die sich für eine gewisse Zeit finden und dann wieder auflösen, sei dies leichter.

Schink hob hervor, dass die Mitarbeiter des Landesverbands durch die Fusion Zeit gewinnen würden, Zeit, die sie für die Betreuung der Mitglieder einsetzen werden.

Zur Finanzierung des Modells rechnet Könemann vor: Die Regionaldirektion erhalte ein Budget, das sich auch aus den Einnahmen der Mitgliedsfirmen speise. Es werde folglich einen NRW-Beitrag geben. Eine andere Einnahmequelle sei die Beteiligung an den Wirtschaftsbetrieben des Börsenvereins, die jährlich Zinsen abwerfe. 

Das Vermögen des LV NRW solle weiterhin erhalten bleiben. Zwar gehe es bei einer Fusion auf den Bundesverband über, werde aber für die Interessen von NRW eingesetzt. Dazu gehöre Barvermögen sowie ein Elftel der Wirtschaftsbetriebe des Börsenvereins (MVB und AuM). 

Gabriele Schink erläutert, wie die Regionaldirektion künftig Rechenschaft ablegen könnte: Der regionale Rechenschaftsbericht werde auf der Website des Regionalbüros veröffentlicht sowie auf den Regionaltreffen in NRW diskutiert. Die Mitglieder könnten Anträge an den Vorstand richten etwa bezüglich der Budgetverwendung. Zudem werde der Bericht bei der Hauptversammlung in Berlin diskutierte und von den Mitgliedern in NRW formal entgegengenommen.

Sollte der Wunsch nach einer "Rückfahrkarte" bestehen, hat der LV auch vorgesorgt, so Könemann. Um wieder einen eigenständigen LV zu gründen, müssten folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Schriftlicher Antrage von mindestens 25 Prozent der Mitglieder in NRW.

2. Zwei Drittel der Anwesenden bei der dann einzuberufenden Regionalversammlung müssen für eine Neugründung sein. Dann erfolge auch die Rückübertragung aller Rechte und Vermögenswerte vom Börsenverein an NRW.

"Diese Hürden sind aus guten Gründen sehr hoch", sagte Könemann. Die Rückfahrkarte sollte nur in Anspruch genommen werden, "wenn die Volksseele so richtig kocht". 

Sollte es nicht zu einer Fusion kommen, wäre die Alternative:

Teileinsparungen,

dramatische Leistungsreduzierungen,

kontinuierliche Beitragserhöhungen.

 

Christian Preuss-Neudorf (VUB Printmedia, Köln) eröffnete die Diskussion um das neue Modell. "Ich danke Ihnen sehr herzlich für einen Vorschlag wie diesen, der glaubwürdig und überzeugend ist. Das zeigt, dass wir in der Lage sind, dicke Bretter zu bohren, verkrustete Dinge anzupacken. Ich habe mich auf diesen Tag gefreut und werde Ihren Vorschlägen sehr gerne folgen."

Ludger Claßen (Klartext Verlag, Essen): "Mich treibt die Sorge um, dass wenn man etwas aufgibt, man es so schnell nicht wieder zurück bekommt." Es mache zudem den Anschein, als bleibe alles beim Alten, lediglich der Verband werde abgeschafft. Man werde doch auch im neuen Modell Reiseaufwendungen, Kosten für die Regionadirektion etc. haben. Claaßen stellte die Frage, wie die Beitragssenkung von 20 Prozent erreicht werden könne.

Stefan Könemann legte dar, dass Gabriele Schink qua Ihres Amtes ca. 50 Arbeitstage im Jahr in unterschiedlichen Gremien verbringe. Sie könne durch die Fusion 50 Arbeitstage gewinnen, um sich den Interessen der Mitglieder zu widmen. Damit bliebe nicht alles beim Alten. Zudem sei die Geschäftsstelle bereits um 1,5 Personen gekürzt worden.

Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, betonte, dass es insgesamt Einsparungen von 27 Prozent gebe, von denen 20 Prozent an die Mitglieder weitergegeben würden. Die Werte seien bereits saldiert, mithin mögliche Kostensteigerungen beim Bundesverband eingerechnet.

Buchhändlerin Sara Willwerth (Buchhandlung Weber, Erkrath) sprach sich für eine Fusion aus: "Ich finde einfach keine Kritikpunkte. Was ich sehr gut finde: Ich kann jetzt mit bestimmten Anliegen nach Frankfurt gehen und sie dort vortragen. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir in NRW diese Reform anstoßen." 

Dieter Seggewiß (Runge Verlagsauslieferung) merkte an: "Ich habe heute morgen extra einen schwarzen Anzug angezogen und bin zugleich noch nie so gerne zu einer Beerdigung gefahren! Ich bin sicher, dass es ein Leben nach dem Tod geben wird." Er sei froh, dass es kein Denkverbot gegeben habe und dass nun so kreative Lösungen erarbeitet worden seien.

Felix Droste, Vorstandsmitglied in NRW, appellierte an die NRW-Mitglieder, "ein starkes Signal zu senden, da noch einige Hürden zu überwinden sind, wie beispielsweise die Hauptversammlung des Börsenvereins bei den Buchtagen in Berlin".

Und nun die Abstimmung, bei der es um verschiedene Beschlüsse geht:

1. Beschluss (Satzungsänderung), bei dem es darum geht, innerhalb von neun Monaten eine Hauptversammlung einzuberufen, der dann der endgültige Auflösungsbeschluss vorgelegt werden muss. Das Ergebnis: Eine Gegenstimme, vier Enthaltungen.

2. Beschluss über die Fusion mit dem Bundesverband in geheimer Wahl. Das Ergebnis: 119 Ja-Stimmen, fünf Gegenstimmen, fünf Enthaltungen.