Nachruf von Peter Härtling

Ein Gedächtnisblatt für Manfred Beltz Rübelmann

27. Oktober 2015
von Börsenblatt
Am 24. Oktober ist der Verleger Manfred Beltz Rübelmann im Alter von 84 Jahren gestorben. Der Schriftsteller Peter Härtling, über Jahrzehnte eng mit ihm verbunden, widmet ihm ein "Gedächtnisblatt".

Manfred Beltz Rübelmann konnte sich in mitunter waghalsigen Plänen vergessen, damit gewann er mich. Als er sich mit Jochen Gelberg verbündete, kam auch ich in den Verlag. Dem stand er gelassen, zurückhaltend und mit Ausbrüchen von Neugier vor, ein Verleger wie aus dem Bilderbuch, aber auch einer, gemeinsam mit Jochen Gelberg, für Bilderbücher.

Zeitschriften und ihre Leserschaft beschäftigten ihn, da konnte er nach Lust und Laune entwerfen, aber auch souverän scheitern. Als er den MONAT, dessen Mitherausgeber in Berlin ich gewesen war, in seinen Verlag holte, ließ er mich das nicht wissen, überraschte mich mit der Tatsache. Vielleicht weil er meine Einwände fürchtete. Da hatte er eine Zeitschrift von der Qualität, die er anstrebte. Aber sie kam aus einer anderen Zeit, aus dem Nachkrieg und dem Kalten Krieg. Für die Leser 1970 eine verquere Botschaft. Er gab bald auf, nicht kleinlaut vielmehr leise: der MONAT verschwand aus dem Programm. Solche Meinungsunterschiede störten uns nicht.

Immerhin war er mit zwei Zeitschriften, die dem Zeitgeist auf der Spur waren, erfolgreich, mit "Betrifft Erziehung" und "Psychologie heute". Jochen Gelberg, ein Partner, dessen Eigensinn und Einfallsreichtum Manfred Beltz Rübelmann schätzte, förderte und nutzte, sorgte für die Ausweitung des Kinderbuchverlages, der die Literatur für Kinder zwischen 1970 und 1990 beträchtlich beeinflusste.

Je länger ich ihn kannte, desto mehr wurde mir bewusst, dass er für die klassische Trias des Verlegers lebte und arbeitete: Buchverlag – Buchdruckerei – Buchhandlung. Die Beltz-Buchhandlung führte Hilde Rübelmann gleichsam als Salon des Verlags, offen und belebend. So waren die beiden auch als Gastgeber, und manchmal konnte es, ein Geschenk für die Gäste, passieren, dass der Verleger sich an den Flügel setzte. Mit der Musik stärkte er sich. Unangesagt überraschten mich die Rübelmanns bei einem Schubert-Konzert des Trio Jean Paul im Ludwigsburger Schloss. Schubert hier und mit solchen Musikern, war die Erklärung.

Er sorgte vor, bestellte sein vielräumiges Haus und überliess die Leitung seiner Tochter Marianne. In den letzten Jahren zog er sich zurück und "schaute vorbei", nahm teil und wusste gelegentlich Rat. Sahen wir uns, vermieden wir es, über die Widrigkeiten des Alterns zu sprechen. Er war zwei Jahre älter als ich, 1931 in Tuttlingen geboren. Zu einem seiner runden Geburtstage schenkte ich ihm ein Gedicht:
          
Bücher wie Kinder,
Kinder wie Bücher,
verschlossen und
aufgeschlagen,
ungelesen, gelesen und
nie ganz entziffert,
beglänzt vom Rest
eines Rätsels –
und dem wiederholbaren
Versprechen von Glück.

Altern
und sehen, wie sie älter werden,
erfahren,
wie sie sich erschließen,
wohin sie gehen,
in einem Satz, in vielen,
wie weit.
Kinder wie Bücher,
Bücher wie Kinder −
im Gedächtnis blättern,
bis wir nachreden können,
wofür wir leben,
wovon.

In meiner Gesprächsrunde der Lebenden und Toten bleibt seine Stimme deutlich, dieses etwas singende Badisch, das in der Konfrontation fest werden kann.