Neu im Regal - Lesetipp der Woche

Wie wäre das, immer und ewig leben?

23. August 2015
von Stefan Hauck
Eine existenzielle philosophische Frage auf 32 Seiten zu stellen und zu beantworten, verlangt einiges an Können. Kathrin Schärer stellt sich dieser Aufgabe mit Bravour und lässt dort gezielt Bilder sprechen, wo der Text an Grenzen gelangen würde.

Als Ausgangspunkt der Geschichte hat sie einen schon älteren Fuchs gewählt, der sich mit seiner Füchsin ärgert, weil Amseln, Hasen und Mäuse ihnen die schönen roten Äpfel vom Baum stiebitzen: Sie sind schneller. Aber der Fuchs ist klüger, stellt Fallen, und eines Tages hängt ein Zauberwiesel in der Schlinge. Klare Sache, Freilassung gegen Zauberspruch: „Ich wünsche mir, dass jeder, der auf meinen Apfelbaum fliegt oder klettert, daran festklebt ... mit Ausnahme der Bienen im Frühling!“

Im Kontrast zu den realistisch gierigen Fuchsaugen und den höhnischen Blicken der sprintenden Apfelräubertiere beschränkt sich Kathrin Schärer bei der Ausführung des Wieselzaubers auf blanke Beistiftstriche, die inmitten der bunten Umgebung umso stärker zur Geltung kommen. Und tatsächlich, die erstaunten Tiere mit Apfelklauabsicht bleiben solange im Baum kleben, bis der Fuchs sie mit einem Spruch wieder befreit.

Der Fuchs ist glücklich, solange, bis der Tod ihn in Fuchsgestalt mit weißer Außenhülle holen möchte – ein Sinnbild, das auch Kindern schon einleuchtet. Clever, wie der Fuchs ist, wünscht er sich, dass der Tod ihm bitte noch einen letzten roten Apfel holt und: „Überlistet! Du kannst erst wieder runter, wenn ich den Zauber breche. Das tu ich aber nie und nimmer! Jetzt lebe ich auf immer und ewig!“

Ab jetzt rumort im Betrachter die Frage: Wie wäre das, immer und ewig leben? Auf kleine Bilder des Glücks lässt die Illustratorin Unvermeidliches folgen: Die Füchsin stirbt, die Kinder und Enkelkinder sind schon alt, alle Freunde sind irgendwann tot, der Fuchs wird gebrechlich, auf einem Auge blind, er fühlt sich allein. Im Kontrast dazu lässt Schärer die Jahreszeiten vergehen, den lächelnden Tod im Apfelbaum warten. Bis der Fuchs ihn bittet: „Komm!“ Es sind eindrückliche Gesten, die Schärer für Abschied und Tod gefunden hat, zarte Momente der Erleichterung, des friedlichen Abschiednehmens. Ein Buch, das Kinder in einen Dialog mit Erwachsenen treten lässt.

Kathrin Schärer: „Der Tod auf dem Apfelbaum“. Atlantis, 36 S., 14,95 Euro, ab 4