Neu im Regal - Lesetipp der Woche

"Ein Tag Honig, ein Tag Zwiebel"

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Wie hat der jahrzehntelange Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern die Menschen auf beiden Seiten und die heterogene israelische Gesellschaft geprägt? Ist ein Frieden möglich? Diesen Fragen geht die israelische Autorin Lizzie Doron in ihrem neuen Roman "Who the Fuck Is Kafka" (dtv) nach – schildert darin persönliche Begegnungen mit dem palästinensischen Fotojournalisten Nadim.

Wie alle ihre Bücher bislang, trägt auch der neue Roman von Lizzie Doron starke autobiografische Bezüge. Den palästinensischen Fotojournalisten und Uni-Dozenten Nadim (ein "fiktiver Held", so Doron in der Vorbemerkung), der mit seiner Familie in Ost-Jerusalem lebt, lernt sie im Roman auf einem Friedenkongress in Rom kennen. Dort werden sie zu einem Podiumsgespann für mehrere Veranstaltungen vereint. Vorsichtig nähern sich beide fernab der Heimat aneinander an (die Autorin gibt offen ihre anfänglichen Ängste zu) und beschließen, dass Lizzie ein Buch über Nadim schreiben soll. Nadim selbst strebt ein gemeinsames Filmprojekt an – eine Dokumentation über sein Leben in Ost-Jerusalem. Der gemeinsame Traum (symbolisiert in dem Wort "Cinecittà", mit dem sie sich gegenseitig Hoffnung machen): Damit zum Friedensprozess beizutragen.

Nadims Projekt scheitert letztlich an äußeren Zwängen − er muss um sein Leben fürchten. Doch Dorons Buch liegt jetzt vor (zunächst auf Bitte Nadims nur im Ausland) − und gibt Nadim eine Stimme. Es bietet zudem anhand der beiden Hauptpersonen und ihrem Umfeld eine persönliche und schonungslose Innensicht auf das von Kriegen und Misstrauen, mentalen und kulturellen Unterschieden geprägte Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern. Für Nadim bedeutet das etwa ein Leben mit Straßensperren und alltäglichen Schikanen, für die Ich-Erzählerin Lizzie die latent vorhandene Angst vor Terroranschlägen. Sie gibt zu: "Obwohl all meine Träume auf den Frieden gerichtet waren, wusste ich doch, dass der Tag, an dem wir hier ohne Soldaten würden leben können, noch fern war."

Dennoch entsteht zwischen Lizzie und Nadim eine fragile Freundschaft, die immer wieder durch Missverständnisse und äußere Umstände (etwa Hardliner auf beiden Seiten) zu enden droht. Lizzies Freunde und Nachbarn zeigen mehr oder weniger Verständnis, Nadim wird offenbar aus den eigenen Reihen bedroht. Dabei kam es ihr so vor, sagt Doron an einer Stelle, "als wären wir die meiste Zeit nicht wir selbst, Nadim und ich. Ich wäre alle Juden und er alle Araber, ich wäre die Armee und er die Hamas, ich der Besatzer und er der Besetzte, und nur in manchen Momenten wären wir, trotz allem, Freunde." Eine wechselhafte Freundschaft zwischen Annäherung und Streit: "So bin ich eben, ein Tag Honig, ein Tag Zwiebel", erklärt Nadim einmal. Monatelang lässt er nicht von sich hören, taucht ab. Ein weiterer Erzählstrang dreht sich um Nadims Frau Laila, die aus Gaza stammt und trotz ihrer Ehe mit einem israelischen Bürger (Nadim besitzt den Pass) kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht hat. Für dieses kämpft Lizzie Doron vor dem Obersten Gerichtshof… Ein bewegendes Buch, dem man viele Leser wünscht. Nach der Lektüre hat man eine Ahnung davon, was der scheinbar unlösbare Konflikt im Alltag mit den Menschen, Israelis und Palästinensern, macht – was es für einen Frieden zu überwinden gilt.

Lizzie Doron: Who the Fuck Is Kafka. Roman. München: dtv. 2015, 256 S., 14,90 Euro

Lizzie Doron ist Gast beim Messeschwerpunkt "1965 bis 2015. Deutschland – Israel" auf der Leipziger Buchmesse: So etwa in der Langen Nacht der deutsch-israelischen Literatur (12. März, Schauspiel Leipzig, ab 19 Uhr).