Podiumsdiskussion über Kinder- und Jugendbücher

Was tun bei der Titelflut?

14. Oktober 2015
von Börsenblatt
Ängstliches Verlegen, Weglass-Titel, die Suche nach Erfolgsmuster und die Sorge um Wirtschaftlichkeit: Keine einfache Frage, ob man durch eine Verringerung der Novitäten bessere Ergebnisse erzielen kann. Eine Diskussionsrunde der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen avj wagte sich an Antworten.

"Es gibt viel zu viele Bücher", konstatierte Barbara König,"aber wir brauchen Konkurrenz. Deswegen ist es gut, dass es Neugründungen wie den Magellan Verlag gibt." Die Programmleiterin von Königskinder sah es als viel problematischer an, dass es zu viele ähnliche Titel gibt; ihr werden auf der Buchmesse Titel angeboten, die ihr "als eine Mischung von John Green und Palacio angepriesen" würden - da fehle von vorneherein die Unterscheidbarkeit.

Ihrem Kollege Ralf Rebscher, Magellan-Verleger und Vorstandsmitglied der Arbbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen avj, machte weniger die Anzahl der Titel Sorgen, sondern die deutliche Zunahme der Neuverwertungen - "Bücher als Sammelbände, ein Bilderbuch als Pappe, eine Reihe für Jüngere ausbauen, eine Roman im Taschenbuch usw." Und jeder Verlag müsse nun mal eine bestimmte Anzahl von Titeln produzieren, um wirtschaftlich arbeiten zu können, um die Mitarbeiter zu bezahlen usw.

Es sei zwar schön, wenn neue Verlage entstünden, allerdings arbeiteten die Sortimente nur mit einer bestimmten Anzahl von Verlagen zusammen, hielt die Schweinfurter Buchhändlerin Franziska Bickel fest. Zu viele Verlage, das sei im Alltag kaum zu bewältigen: "Wir sichten schon Unmengen an Vorschauen und, ehrlich, eine Reihe davon geben wir ungeöffnet ins Altpapier." Den Endkunden seien die Verlagsnamen zudem relativ egal. Dem widersprachen naturgemäß die Verleger, und auch Tatjana Kirchner von Kirchner Kommunikation stellte fest, dass die Verlage an der Markenbildung feilen - "man muss wissen, wofür ein Verlag steht". Buchhändlerin Bickel relativierte: "Wenn, werden Verlagsnamen eher bei Sachbüchern nachgefragt, wegen der Einordnung bzw. der Seriosität der Informationen." Bei Romanen spielten bei der Kaufentscheidung teilweise die Namen der Autoren ein Rolle.

Moderator Torsten Casimir, Chefredakteuer des Börsenblatts, stellte die Frage, über die insgeheim jeder Verlag schon einmal nachgedacht hat: "Würden sich denn, wenn nur noch die Hälfte der Titel produziert werden würde, immer noch die guten Bücher herauskristallisieren? Gibt es zu viele Weglass-Titel?" Die Bezeichnung Weglass-Titel stamme von Buchhändlern, nicht von Verlagen, parierte Ralf Rebscher, und: "Was nicht gut gelaufen ist, sieht man leider erst hinterher. Wüssten wir es vorher, würden wir sie bestimmt nicht machen." "Es wäre außerdem wahnsinnig langweilig, Bücher nach einer Art Erfolgsmuster zu produzieren - wir müssen im Verlag hinter einem Titel stehen, für ihn brennen - das ist unsere Haltung", meinte Barbara König. Ihr geheimer Traum: einmal einen nicht existierenden Titel in die Vorschau zu nehmen und dann schauen, wie er eingekauft wird .... Es werde häufig mit zuviel Angst verlegt, nach dem Motto: Machen wir es lieber so wie beim letzten Erfolgstitel, dann sind wir auf der sicheren Seite. Eine demokratische Abstimmung über Titel sei aber keinesfalls besser, denn wenn alle Interessen berücksichtigt seinen, sei zwar der größtmöglich Nenner erreicht - aber "das ist nicht der beste".

"Jeder Verleger sagt von sich, er macht nur relevante Titel", meinte Franziska Bickel von der Schweinfurter Buchhandlung Vogel, "aber wenn wir nach dieser Maxime einkaufen würden, hätten alle Kinderbuchhandlungen alle Novitäten aller Verlage vorrätig. Wir müssen auswählen." Letztlich werde der größte Umsatzanteil oft mit den Titeln gemacht, die aus dem Regal gezogen würden ohne Beratung. "Und deswegen brauchen wir eine Breite im Angebot - sonst kann am Ende auch der Kunde nicht auswählen."