Preis der Hotlist 2016

In zehn Büchern um die Welt

22. Oktober 2016
von Börsenblatt
Schöne Aussicht: Im Frankfurter Literaturhaus wurde gestern Abend der Preis der Hotlist 2016 vergeben. Er geht an den Arco Verlag für Debora Vogels "Die Geometrie des Verzichts". James Leslie Mitchells "Szenen aus Schottland" aus dem Guggolz Verlag räumte den vom Buchhandel vergebenen Melusine-Huss-Preis ab.

Es gibt einige Listen im deutschen Buchwesen – und es gibt das Wort Vielfalt. Die 2009 begründete Hotlist, die die zehn besten Bücher des Jahres aus unabhängigen Verlagen präsentiert, zeichnet kulturelle Vielfalt im besten Sinn aus. 2014 hatte Florian Kessler in der "SZ" kritisiert, die Hotlist sei dabei, ein Deutscher Buchpreis in Bonsaiformat zu werden; letztlich ging es ihm um die Frage, nach welchen Grundprinzipien Literatur einer größeren Öffentlichkeit nahegebracht werden kann. In diesem Jahr nun moderierte Kessler, der inzwischen als Lektor bei Hanser arbeitet, selbst die Hotlist-Preisverleihung im Frankfurter Literaturhaus. Und was soll man sagen: Selten zeigten die heiße Liste und ihre Preisträger treffender, zu welchen Großleistungen Indies in der Lage sind. Die Hotlist ist ein Projekt von Begeisterten. Sie rückt nicht nur herausragende Bücher quer durch alle Genres ins Rampenlicht − sondern ebenso den Mut und die Risikofreude der unabhängigen Verlage, der Trüffelsucher auf der wilden, bunten Seite des Buchmarkts.

Ein großer Wurf

Der mit 5.000 Euro dotierte Preis der Hotlist 2016 ging an den Arco Verlag (Wuppertal/Wien) für "Die Geometrie des Verzichts. Gedichte, Montagen, Essays, Briefe" von Debora Vogel. Mit der sorgfältig edierten, von Anna Maja Misiak übersetzten Ausgabe des Gesamtwerks der auf Jiddisch schreibenden, 1942 im Lemberger Ghetto ermordeten Avantgarde-Dichterin ist dem 2002 in Wuppertal gegründeten Verlag ein großer Wurf gelungen. Zum dritten Mal in Folge hatte es Arco auf die Longlist geschafft – umso größer die Freude über die Auszeichnung. "Ich stehe stellvertretend für viele hier auf der Bühne", so Verleger Christoph Haacker. "Unsere Übersetzerin hat vermutlich 15 Jahre Lebenszeit in dieses Projekt gesteckt." Und weiter: "Bruno Schulz ist heute weltberühmt. Aber es gäbe keine 'Zimtläden' ohne Debora Vogel." Der Arco Verlag – benannt nach dem Prager Café, in dem es "kafkate, brodelte, werfelte und kischte", und mit Ernst Barlachs "Buchleser" als Markenzeichen – wurde 2002 in Wuppertal gegründet und wirkt seit 2009 auch von Wien aus. Seine Bücher bilden die Vielfalt der Literaturen und das Neben- und Miteinander von Völkern und Kulturen in Mitteleuropa ab.

Zusätzlich vergaben Buchhändlerinnen und Buchhändler im Rahmen der Hotlist den Melusine-Huss-Preis, der in diesem Jahr an den Guggolz Verlag für "Szenen aus Schottland" von James Leslie Mitchell (übersetzt von Esther Kinsky) geht und mit einem Druckgutschein der Druckerei Theiss im Wert von 4.000 Euro dotiert ist.

Begeistertes Publikum

Bereits zum fünften Mal ging die Hotlist-Preisverleihung mit anschließender Party im Frankfurter Literaturhaus über die Bühne. Hauke Hückstädt und sein Team waren wie immer perfekte Gastgeber; mit der Schweizer Fondation Jan Michalski ist, neben vielen Unterstützern aus der Branche, ein neuer Sponsor für die Hotlist gefunden. Der etwas straffer als in den Vorjahren abrollende Vorstellungsreigen der besten zehn Bücher war, inklusive mancher Verbal-Slapstick-Einlage, so charmant wie eigen – bei welcher Preisverleihung ist es sonst zu erleben, dass eine Verlagspraktikantin stellvertretend für die Autorin des preiswürdigen Buches auf der Bühne steht? Das Publikum applaudierte begeistert.

nk