Steigendes Kostenbarometer bei Banken

Über Gebühr

23. September 2016
von Tamara Weise
Die neue Münzgeldverordnung der EU sorgt für höhere Kosten – und für Ärger: Auch Buchhändler werden für Bankdienste künftig tiefer in die Tasche greifen müssen, wenn sie sich nicht wehren ...

Die Nachricht der Nassauischen Sparkasse erreichte Elisabeth Adam völlig unvorbeitet, um ein Haar hätte sie sie sogar übersehen: Auf der letzten Seite ihres Konto­auszugs, dort, wo die Buchhändlerin aus Bad Ems sonst nur selten hinschaut, wurde sie zum Sommeranfang von ihrer Bank darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Ein- und Auszahlen von Bargeld künftig mehr kostet. Im Detail: 

  • Pro Münzrolle, die sie sich auszahlen lässt, berechnet ihr die Sparkasse seit 1. September 50 Cent – vorher war die Dienstleistung kostenlos. Will sie Kleingeld auf ihr Konto einzahlen, muss sie erst von der Bank für 15 Euro einen speziellen Münzbeutel erwerben. Ohne Beutel wird nichts mehr angenommen. 
  • Geldscheine nimmt die Bank nur am Schalter entgegen und lässt sich das jetzt mit drei Euro pro Einzahlung entlohnen, was für Adam besonders schmerzhaft ist: »Bisher zahlte ich dafür 50 Cent.« Einen Automaten, der das Ganze laut Preisliste für 1,50 Euro erledigen würde, gibt es nicht. 

Adam wollte nicht jammern, konnte ihren Ärger aber auch nicht einfach abschütteln – und wandte sich deshalb an ihre Bank, mit einem kritischen Gruß aus dem Handel. Tenor der Sortimenterin: Eine Steigerung der Münzgebühren um 600 Prozent – das sei »ein unmoralisches Wuchergeschäft ­gegenüber Abhängigen« und obendrein ein Katalysator für eine Verödung der Innenstadt.  

Das Kostenbarometer steigt  
Der Brief ging an die Bank, zugleich an den Landrat, den Bürgermeister, den Verbands­gemeindebürgermeister, die Industrie- und Handelskammer Koblenz und die lokale Presse. Er wurde gelesen, letztlich aber dann doch beiseitegelegt. Und die Bank empfahl lediglich, der Ersparnis wegen, doch zur Filiale in den Nachbarort zu fahren, in der ein Automat stehe.     

Sogar andere Händler und selbst der örtliche Gewerbeverein konnten nichts gegen die Erhöhung ausrichten. »Jeder hat mich zwar kontaktiert, die Lage blieb für mich allerdings dieselbe«, sagt Adam. Täglich zur Bank zu gehen, um Münzen und Scheine einzuzahlen oder sich Wechselgeld zu besorgen – der Posten wurde gestrichen. »Das erlaube ich mir nur noch alle paar Tage, so wenig mir das gefällt«, sagt sie. Noch nicht einmal ein Wechsel kommt für sie infrage – weil »die anderen Banken in Bad Ems ihre Gebühren ebenfalls angehoben haben.«   

Adam sind die Hände gebunden. Und nicht nur ihr: Auch andernorts erhöhen Banken für die Ein- und Auszahlung von Münzen die Gebühren – und treiben so das Kostenbarometer des lokalen Einzelhandels, vor allem das der kleineren Unternehmen, weiter in die Höhe. Das Problem ist zwar bislang nicht flächendeckend akut, wird jedoch Monat für Monat größer: Recherchen zeigen, dass neben der Nassauischen Sparkasse, bei der Elisabeth Adam Kundin ist, auch längst andere Banken an der Gebührenschraube drehen, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß – etwa die Sparkasse Essen und die Saalesparkasse in Halle, die Sparkasse Trier und die Volks- und Raiffeisenbank Dresden. 

Die Geldhäuser rechtfertigen ihr Vorgehen dabei stets mit dem gleichen Argument: Sie verweisen auf die neue Münzgeldverordnung der EU und die für sie damit verbundenen Kosten – nicht etwa auf das allgemein niedrige Zinsniveau. Seit Anfang 2015 in Kraft, soll die Verordnung dazu beitragen, das Falschgeld im Euroraum zu reduzieren. Ähnlich wie zuvor schon beim ­Papiergeld üblich, müssen Banken nun jede einzelne Münze auf Echtheit prüfen – durch von der Deutschen Bundesbank eigens dafür zertifizierte, rund 200 000 Euro teure Maschinen. Manche nutzen, um sich das Handling zu vereinfachen, zwar einen Dienstleister, Kosten entstehen ihnen aber trotzdem – und auf denen wollen sie nicht sitzen bleiben. So entstehen geradezu kuriose Situationen, besonders dann, wenn es um Kleinstmünzen geht: Wenn Händler also zum Beispiel eine Rolle 1-Cent-Münzen im Wert von 0,50 Euro bei ihrer Bank abgeben, diese dann aber für Prüfung und Einzahlservice eine Gebühr aufruft, die deutlich über dem eigentlichen Wert liegt – so wie im Fall der Nas­sauischen Sparkasse und Elisabeth Adams. Einige Sparer machen schon ihre Witze darüber und empfehlen, Münzen künftig besser wegzuschmeißen, anstatt sie zur Bank zu bringen.  

Fahndung nach Falschmünzen  
Kein Wunder, dass die Münzgeldverordnung der EU von 2015 bislang nur wenig Freunde gefunden hat. Sie ist als Bürokratiemonster verschrien. Kritiker wie Ulrich Binnebößel, beim Handelsverband Deutschland (HDE) seit 2006 für den Bereich Zahlungsverkehr zuständig, halten sie schlicht für unnötig. »Die erhöhte Sicherheit, die die Verordnung vorschreibt, ist im Prinzip gar nicht nötig«, sagt er im Interview mit dem Börsenblatt. »Der Aufwand, der betrieben wird, um Falschmünzen zu erkennen, steht in keinem Verhältnis zur Zahl der dadurch aufgedeckten Fälle« (siehe Interview auf Seite 13).  

Die Deutsche Bundesbank liefert die Statistiken dazu. Im ers­ten Halbjahr 2016 fielen ihr im bundesweiten Zahlungsverkehr genau 18 700 Falschmünzen auf – mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (14 346), aber weniger als früher: Schon in dem Jahr, bevor die neue Münzgeldordnung in Kraft trat, war die Zahl der entdeckten Falschmünzen deutlich rückläufig (minus zwölf Prozent). Rein rechnerisch betrachtet, hatten 2014 übers Jahr gerade einmal fünf von 10 000 Bundesbürgern eine Falschmünze im Geldbeutel – bei Scheinen lag die Quote um einiges höher (acht falsche Banknoten pro 10 000 Einwohner und Jahr). Gefälscht wurden dabei laut Bundesbank ausschließlich die höchsten Stückelungen, Münzen im Wert von 50 Cent, ein und zwei Euro (Details für das erste Halbjahr 2016: siehe Grafik unten).

Aushebeln lässt sich die Münzverordnung nicht. Das weiß auch der HDE, ohne deshalb aber Ruhe zu geben. Ulrich Binne­bößel zufolge sucht der Verband der Einzelhändler längst das Gespräch, um die Folgen der Kleingeldregelung künftig wenigs­tens zu begrenzen – mit der Politik genauso wie mit der Bundesbank in Frankfurt. Solange Bargeld das liebste Zahlungsmittel der Deutschen bleibe, kämen Händler gar nicht umhin, ihre Kassen entsprechend auszurüsten, so Binnebößel. »Das macht sie leider abhängig.«  

Tipps vom Sortimenter-Ausschuss  
Eine Ebene tiefer, beim Börsenverein in Frankfurt, liegt das Thema ebenfalls auf dem Tisch. Um sich ein Bild von der Lage zu machen, hat Kyra Dreher, Geschäftsführerin des Sortimenter-Ausschusses (SoA), bereits 2015 – kurz nachdem die ersten Beschwerden bei ihr eingingen – Mitglieder aus dem Buchhandel dazu befragt. ­Ergebnis: Der überwiegende Teil musste sich noch nicht mit Gebührenerhöhungen beschäftigen. 

»Wir beobachten dies jedoch weiter aufmerksam und befragen im Herbst unsere Mitglieder erneut«, erklärt Dreher; als Zwischenschritt stellt der SoA Buchhändlern jetzt zunächst eine Reihe von Handlungsempfehlungen zur Verfügung – »für alle, die sich bereits mit Kosten rund um Münzgeldrollen konfrontiert sehen«, wie Dreher sagt. Auch ein Mustertext für einen Brief an die Bank ist dabei (siehe Seite 13 unten).

Thomas Wrensch vom Buchhaus Graff in Braunschweig fand selbst einen Ausweg aus der Gebührenzwickmühle. Als ihn seine Bank 2015 darüber informierte, dass er für die Beschaffung von Münzgeld demnächst knapp doppelt so viel bezahlen solle, nutzte er seinen Verhandlungsspielraum, den er als Inhaber eines größeren Unternehmens hat, und ließ nicht locker. »Für uns als Buchhändler ist es ja so, dass wir erhöhte Kosten aufgrund der Preisbindung nicht weitergeben können«, betont Wrensch. Dafür müsse man Banken aber erst sensibilisieren. »Zur Not hätten wir auch die Bank gewechselt, wenn das nicht gefruchtet hätte – es gab durchaus Interessenten.« Heute zahlt Graff für Bankdienstleistungen eine monatliche Pauschale, die Wrensch im Rahmen der Möglichkeiten noch verträglich findet.

Die Last der 99-Cent-Preise  
Auf einem Nebengleis der Münzgeld-Misere flammt zudem ein anderes Thema wieder auf: die Liebe mancher Verlage zu 99-Cent-Preisen. Elisabeth Adam aus Bad Ems, und bekanntlich nicht nur sie, hält solche Schwellenpreise aus Imagegründen wie auch aus wirtschaftlicher Sicht für unpassend: Gerade jetzt, durch die erhöhten Gebühren, würde sie hier nur noch draufzahlen, klagt die Buchhändlerin. »Ich hoffe sehr, dass Verlage uns bei ihrer Preispolitik nicht vergessen und die 99-Cent-Preise wieder aufgeben.«  

Vielleicht ist das auch die Richtung, aus der Händler noch am ehesten Erleichterung erwarten können. Weniger Ein- und Zwei-Cent-Münzen im Umlauf – das würde letztlich allen helfen, sowohl Händlern als auch den Banken. Und es gibt dafür auch bereits Vorbilder: Die Nachbarn in den Niederlanden etwa haben Ein- und Zwei-Cent-Münzen schon 2004 weit­gehend aus dem Verkehr gezogen. 

Verzicht ohne Erfolg  
In Deutschland fehlt diesem Modell aktuell der Rückenwind, ob das auf Dauer so bleibt, lässt sich jedoch kaum abschätzen. Fest steht: Testläufe wie jüngst in Kleve mahnen zur Vorsicht. Dort hatte ein Teil der Händler im Februar 2016 mutig damit begonnen, Preise an der Kasse entweder auf den nächsten 5-Cent-Betrag auf- oder auf eine 0-Cent-Endung abzurunden. Sie hofften darauf, Gebühren und Zeit zu sparen. Nach Aussage von Matthias Hintzen, der in Kleve eine Buchhandlung betreibt, konnte sich die Idee allerdings nicht durchsetzen; jeder zweite Kunde erwarte auch im Centbereich weiterhin sein Rückgeld. 

»Aufgrund der Preisbindung habe ich mich nicht aktiv beteiligt, rede jedoch oft mit meinen Kunden darüber«, sagt Hintzen. »Ich denke nicht, dass sich da überhaupt noch etwas tut.«  Für ihn blieb infolge der Gebührenerhöhung der Sparkasse Kleve kein Ausweg: Zähneknirschend zahlt er für Bankdienste seit April rund 20 Prozent mehr. 

»Ein Betriebsberater hat mir geraten, möglichst viele der anfallenden Buchungen auf eine Internetbank zu verlagern«, erzählt Hintzen kopfschüttelnd – überzeugt davon, dass das für Unternehmer wie ihn als Ausweg nicht infrage kommen kann. »Wir arbeiten schon so lange gut mit der Sparkasse zusammen, außerdem gehört sie fest zu unserem Kundenkreis.« Da müsse er die Kröte schlucken. Abhilfe, wenn überhaupt, sieht er ohnehin nur im Großen, nicht vor Ort in der Stadt – »lösen kann das Problem nur die Politik«. 

Wenn Bargeld teuer wird: SOA-Tipps

Basierend auf einer Umfrage im Buchhandel hat der Sortimenter-­Ausschuss des Börsenvereins, kurz SoA, Handlungsempfehlungen in Sachen Bargeld und Bankgebühren entwickelt:   

Tipp 1: Pauschale vereinbaren
Das Gespräch mit der Hausbank suchen und möglichst eine Pauschalvereinbarung treffen (Fixbetrag pro Monat oder Jahr)

Tipp 2: Mit Kollegen kooperieren
Münzen mit weiteren betroffenen Einzelhändlern vor Ort tauschen; sie  müssen dann nicht mehr gebührenpflichtig eingezahlt werden

Tipp 3: Aufrunden und spenden
Kunden bitten, sich Cent-Beträge nicht als Wechselgeld auszahlen zu lassen, sondern mittelbar einem guten Zweck zu spenden 

Tipp 4: Auf breiter Basis protestieren  
Der SoA stellt einen Musterbrief zur Verfügung, mit dem sich Buchhändler bei der Bank beschweren können. Zusätzlich sollten Sortimenter ihre Kunden, Geschäftspartner, Politiker und die Presse sensibilisieren. 

Mehr auf der Website des Börsenvereins unter: bit.ly/Bankgebuehren