Streit um Gemeinfreiheit geht weiter

Tagebuch der Anne Frank online gestellt

4. Januar 2016
von Börsenblatt
Trotz eines aktuellen Urteils des Amsterdamer Landgerichts, nach dem das Tagebuch der Anne Frank wegen der Mitwirkung ihres Vaters und weiterer Herausgeber noch 30 Jahre geschützt ist, haben zwei Franzosen die niederländische Ausgabe des Textes für jedermann zugänglich frei ins Internet gestellt.

Die französische Politikerin Isabelle Attard (Calvados) und der Universitätsmitarbeiter Olivier Ertzscheid von der Universität Nantes haben das Tagebuch der Anne Frank im niederländischen Original publiziert und berufen sich auf die erloschene Schutzfrist, die nach EU-Richtlinie 70 Jahre nach Tod des Autors endet und Werke gemeinfrei werden – im Fall der 1945 von den Nazis ermordeten Anne Frank war diese Frist zum Jahreswechsel abgelaufen.

Attard und Ertzscheid begründen ihre Tat als „Befreiung" des Textes und wollen nach eigener Aussage dazu beitragen, dass das Tagebuch auf diese Weise eine möglichst weite Verbreitung findet. Bislang wurde das Buch weltweit in verschiedenen Übersetzungen mehr als 30 Millionen Mal verkauft.

Damit setzen sich die beiden Franzosen jedoch möglicherweise über ein aktuelles Urteil des Landgerichts Amsterdams hinweg, das im speziellen Fall von Anne Franks Tagebüchern eine Ausnahme sieht (boersenblatt.net berichtete): 1986 war eine erweiterte Ausgabe der Tagebücher erschienen, nach Ansicht des Anne Frank Fonds in Basel, der die Rechte hält, hatte Anne Franks Vater Otto diese Ausgabe maßgeblich mitgestaltet und sei als Co-Autor anzusehen. Bis 2036 (50 Jahre nach Erscheinen der erweiterten Fassung) soll diese vollständige Ausgabe der Tagebücher geschützt seien, urteilte auch das Landgericht Amsterdam Ende vergangenen Jahres unter Ausklammerung der Frage der Co-Autorschaft in erster Instanz. Für wissenschaftliche Zwecke (Zitate) sei das Werk jedoch frei, allerdings wurde eine kommentierte Komplettausgabe auf bislang unbekannte Zeit verschoben.

Isabelle Attard und Olivier Ertzscheid drohen nach Auskunft der Anwälte des Fonds im schlimmsten Fall bis zu drei Jahre Haft und empfindliche Geldbußen – sollte Klage eingereicht werden.

Der Streit um die Rechte am Buch und die Gemeinfreiheit schwelt bereits seit mehreren Jahren.