Talkrunde über die Bedeutung von Verlagen und Buchhandlungen für Frankfurt am Main

"Ohne den Willen zur Gestaltung geht es nicht"

6. November 2014
von Börsenblatt
Zur Lebensqualität gehören Bücher und Buchhandlungen, die sie verkaufen. Hier konzentriere sich die kulturelle Substanz einer Gesellschaft, meinte Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, in seinem Impulsvortrag zum Auftakt einer Talkrunde. Die Runde beschäftigte sich mit der Bedeutung von Verlagen und Buchhandlungen für Frankfurt - und blickte dabei durchaus über den Tellerrand.

Zu dem Podium hatte das Cluster der Kreativwirtschaft in Hessen e.V.  (CLUK) ins Haus des Buches nach Frankfurt geladen. Unter dem Titel „Quo vadis Literaturstadt Frankfurt?“ diskutierten die Buchhändlerin Barbara Determann (Autorenbuchhandlung Marx & Co) sowie die Verleger Joachim Unseld (Frankfurter Verlagsanstalt) und Axel Dielmann (Axel Dielmann Verlag) mit Carolina Romahn (Leiterin des Kulturamts der Stadt Frankfurt), dem CLUK-Vorstandsmitglied Niko Gültig und Alexander Skipis über das Risiko, wegen zu hoher Mietpreise bald buchfreie Zonen in verödeten Innenstädten zu erleben.  

"Buchhandlungen haben keine hohen Umsatzrenditen und können Mietpreise in 1A-Lagen nicht finanzieren“, betont Alexander Skipis in seinem der Diskussion vorangestellten Impulsvortrag.

Selbst die traditionsreiche Buchhandlung Carolus werde wohl in Frankfurt die gute Innenstadtlage verlassen müssen, denn die Kirche als Vermieter des Ladengeschäfts beabsichtigt den Mietpreis an den für die Innenstadt bestehenden Mietspiegel anzuheben; das Mietverhältnis endet deshalb. Die Würze der Stadt seien jedoch Orte mit Präsenz, in denen kompetenter Austausch stattfinde. "Nach dem New Yorker 9/11-Attentat waren es vor allem die Buchhandlungen, in denen man sich spontan traf und Zukunftsfragen diskutierte“, erinnert Alexander Skipis.

Bücher müssten zum Greifen nahe sein. Mit Nachdruck forderte Skipis darum die Stadtpolitik auf, ihren gestalterischen Spielraum zu nutzen und gegen die Verödung der Innenstadt ordnungspolitisch wirksame Maßnahmen einzuleiten.

„Hohe Beratungsansprüche und geringe Gehaltsoptionen – das passt auf Dauer nicht zusammen“

Inzwischen sind Buchhandlungen auch in Stadtteillagen von solch massivem Mietpreisdruck betroffen. Die im Westend in Uni-Nähe gelegene Autorenbuchhandlung Marx & Co. hat sich mit Online-Bestellmöglichkeiten, Newsletter-Angeboten und gut besuchten Lesungen zwar auf moderne Leseransprüche eingestellt, kann aber den hohen Fixkosten nur noch mit Gehaltsabbau begegnen. „Hohe Beratungsansprüche und geringe Gehaltsoptionen – das passt auf Dauer nicht zusammen,“ erklärt Barbara Determann. Bald könne es nur noch „Boutiquen“-Buchhandlungen geben, die sich die Ehefrau eines gut verdienenden Mannes als Hobby leiste.

„Wenn wir Preise nicht realistisch gestalten können, sind wir demnächst weg“

Auch die Verlegerwelt sieht sich als Verlierer der gegenwärtigen Marktentwicklung. Seit der Euro-Umstellung seien in allen Bereichen die Preise angepasst worden, nur Hardcover-Bücher kosteten weiterhin das Gleiche.  Wer früher 39 DM für ein 500-Seiten-Buch gezahlt hat, muss jetzt 19,90 Euro dafür ausgeben. „Für Wissensverlage wie den Brockhaus bedeutet diese Entwicklung das Aus“, warnt Joachim Unseld

Hier bestehe dringender Handlungsbedarf. „Wir brauchen ein prizing, das Euroumstellung und E-Book-Entwicklung berücksichtigt“, forderte Unseld. Bücher müssten die 30-Euro-Schwelle übersteigen und – in Abgrenzung zum E-Book - schön gemacht sein. „Wenn wir Preise nicht realistisch gestalten können, sind wir demnächst weg!“

„Als Kulturamt fördern wir Autoren und Künstler, wir haben jedoch keine Mittel, um die Buchwirtschaft zu unterstützen“

Die öffentliche Hand wird nach den Worten von Carolina Romahn in dieser Konfliktlage als helfende Hand wohl kaum wirksam werden. Schließlich könne man Hausbesitzern nicht zur Auflage machen, von Buchhandlungen nur Dumping-Mietpreise zu fordern. „Als Kulturamt fördern wir Autoren und Künstler, wir haben jedoch keine Mittel, um die Buchwirtschaft zu unterstützen“, sagt sie. Gefragt sei hier eher das Stadtplanungsamt. Denkbar wäre es, städtebauliche Verträge mit Auflagen zu versehen, die am Interesse des Gemeinwohls ausgerichtet sind oder Verluste aus Mietdifferenzen durch abschreibbare Spendenquittungen auszugleichen.

„Es gibt Einflussmöglichkeiten der Stadt“

Positive Beispiele, in denen Städte ihren Gestaltungswillen wirkungsvoll durchgesetzt haben, beschreibt CLUK-Vorstandsmitglied Niko Gültig. So habe sich Bad Nauheim gegen 1-Euro-Läden ausgesprochen und auf diese Weise eine Verödung, wie sie das nahgelegene Friedberg erlebt hat, vermeiden können. „Es gibt Einflussmöglichkeiten der Stadt“, betont Gültig. So habe sich die Stadt Gießen mit den Hausbesitzern an einen Tisch gesetzt und ihnen deutlich gemacht, dass verödete Innenstädte langfristig auch den Marktwert ihrer Häuser schwächen.

„Wir wollen keine Schutzräume für Versager“ brachte Alexander Skipis die Diskussion abschließend noch einmal auf den Punkt. Doch klar sei auch: „Ohne den Willen zur Gestaltung geht es nicht.“ Erforderlich seien zudem wertschätzende Initiativen. Gerade daran mangele es, meint Barbara Determann. Statt kulturelle Initiativen der Buchhandlungen zu unterstützen, entwickle das Kulturamt eigene Konkurrenzprojekte. Dabei, bestätigt Gültig, stünden gerade die Buchhandlungen vor besonders schwierigen Herausforderungen: „Wir haben kein Logistik-Problem in Deutschland. Das ist die harte Wahrheit.“

Lobenswert sei darum ein Projekt der Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Sie lobe neuerdings besonders qualifiziert arbeitende Buchhandlungen aus und unterstütze sie mit einer finanziellen Anerkennung (der "Deutsche Buchhandelspreis" ist mit insgesamt einer Million Euro ausgestattet und wird ab 2015 von der Kulturstaatsministerin ausgelobt). Solche wertschätzende Unterschiede wünscht sich Joachim Unseld auch im Verlagsbereich: „Man möchte als Kultur-Verlag anerkannt sein, diese Wahrnehmung fehlt bisher.“