UIrich Eggert über Erfolgsformate im Handel

Buchhändler als Problemlöser

17. Mai 2013
von Börsenblatt
"Wer in Zukunft als Händler nicht mit anderen zusammenarbeitet, hat verloren": Der Berater Ulrich Eggert hält Einzelhändlern gern den Spiegel vor − um sie an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen. Was er über den Buchhandel denkt und wie er die Buy local-Aktivitäten einschätzt? boersenblatt.net traf ihn zum Gespräch. 
Sie beschäftigen sich seit 30 Jahren mit der Zukunft des Einzelhandels, studieren und analysieren ihn – und provozieren gern auch mal mit Sätzen wie "Wenn das so weitergeht, löst sich der Einzelhandel von selbst auf". Meinen Sie das ernst?
Eggert: Der Einzelhandel hat in jedem Fall Zukunft, wird aber künftig völlig anders aussehen als heute, und das vor allem aus zwei Gründen: Zum einen gibt es das Internet, und zum anderen können heute ganz andere Leute Einzelhandel betreiben – Leute, die im Grunde gar keine Einzelhändler sind, sondern lediglich eine Handelsfunktion übernommen haben.   

Wo bleiben dann die "echten" Händler?

Eggert: Da muss ich etwas weiter ausholen: Im Handel erleben wir derzeit etwas sehr Seltsames: Diejenigen, die bislang nur an den Faktor Ware gedacht haben, bekommen Probleme. Das sind Warenhäuser und Fachgeschäfte, die nicht kooperieren und ihr Spezialistentum daraus ziehen, dass sie sagen: Ich habe doch Einzelhandel gelernt!

Was ist daran falsch?
Eggert: Die Blickrichtung. Gewinner sind künftig die, die die Konzepte haben, die vertriebsorientiert denken – und nicht nur an Ware, Ware, Ware.

Vertriebsorientiert denken heißt?
Eggert: Dass Händler überlegen, wer ihre Zielgruppen sind und was diese überhaupt haben wollen. Die Frage, was habe ich eingekauft und wie kann ich genau das verkaufen, sollte obsolet sein.

Und wie wird daraus ein Konzept?
Eggert: Händler, auch Buchhändler, müssen ein Stückchen weiter zurückdenken, sich auf ihre Zielgruppen konzentrieren und darauf dann ein neues Format aufbauen. Als Buchhändler auf dem Land könnte das für mich zum Beispiel so aussehen: Ich biete mehr an als nur Bücher, packe etwas dazu – um ein interessantes Sortiment zu haben. Oder aber ich spezialisiere mich sehr stark, vielleicht nur auf ein ganz kleines Gebiet wie Reiseliteratur, verkaufe dann aber nicht nur Bücher, sondern auch Reisen. So dass ich sagen kann: Ich habe nicht nur die Ware, ich habe auch die Dienstleistung – die ich brauche, um die Ware richtig nutzen zu können.

Der Händler als Problemlöser: Stellen Sie sich so die Zukunft vor?
Eggert: Genau. Denn das ist ja das Entscheidende: Der Mensch hat ein Problem, das er gelöst haben möchte.

Ist es das, was Sie unter „totaler Emotionalisierung“ verstehen?  
Eggert: Menschen sind emotionale Wesen. Sie setzen sich zwar vor den Computer, weil das Einkaufen hier ratzfatz geht, würden aber eigentlich gern etwas sehen, fühlen, spüren. Anders gesagt: Sie möchten im Grunde doch ganz anders angesprochen werden. Daraus lässt sich ein Gewinn ziehen.

Auch für den stationären Buchhandel?
Eggert: Natürlich. In der Praxis könnte das zum Beispiel so aussehen: Ich lade zu meinen Veranstaltungen persönlich ein, kenne die Namen meiner Kunden, rede mit ihnen. Auf der Homepage gibt es, passend zur Veranstaltung, ein Video, einen Trailer oder eine Anleitung – je nachdem, um was es gerade geht. In jedem Fall ist wichtig, breiter aufgestellt zu sein, und nicht nur zu sagen: Hier ist das Buch. Das ist einfach zu wenig, ich muss den Mensch vor mir als Ganzes sehen. Emotionalisierung kann darüber hinaus aber noch mehr bedeuten: Buchhändler sollten versuchen, schneller zu sein als der Rest der Welt – indem sie Trends vorausahnen und sie schon anbieten, bevor andere darauf kommen. Auch das ist eine emotionale Komponente.

Ein Thema, das im Buchhandel gerade eine große Rolle spielt, heißt Buy local. Ist das das richtige Signal an die Kunden?
Eggert: Aus meiner Sicht ja. Es ist es wichtig zu sagen: Lasst uns lokal einkaufen. Eine Stadt wird ja erst dadurch interessant und schön, dass ich da eine Mischung finde - aus Geschäften, Dienstleistern, Verwaltungseinrichtungen undsoweiter. Damit dieser Mix erhalten bleibt, braucht es ein entsprechendes Bewusstsein. In Bocholt zum Beispiel hat das die Werbegemeinschaft recht gut erreicht, den Leuten klar zu machen: kauft hier am Ort. Das Mittel der Wahl war hier eine gemeinsame Kundenkarte, die als Bonuskarte funktioniert. Insgesamt denke ich: Je kleiner einer Stadt ist, umso wichtiger ist es zu sagen: Hier muss möglichst viel erhalten bleiben.

Sie halten große Stücke auf Kooperationen.
Eggert: Mehr als das: Wer in Zukunft als Händler nicht mit anderen zusammenarbeitet, hat verloren – davon bin ich fest überzeugt. Die Umsätze werden – wenn überhaupt – ja nicht mehr wirklich steigen, dafür aber die Bruttokosten wie Löhne, Gehälter. Als Händler bin ich gezwungen, meine Kosten klein zu halten. Kooperationen bekommen bessere Konditionen beim Einkauf, können sich aber auch beim Verkauf gut unterstützen.  

Nach dem Motto, geteiltes Leid ist halbes Leid?  
Eggert: Wenn Sie so wollen. Händler brauchen mehr denn je das richtige Format, die richtige Idee und dazu die richtige Werbung - die aber nun mal teuer ist. Wenn ich die Kosten dafür mit jemand teilen kann, der an einem anderen Ort sitzt – tut mir die Werbung ja nicht weh. Solche Aktionen gemeinsam anzustoßen, kann ich nur empfehlen.

Interview: Tamara Weise

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Ulrich Eggert war 32 Jahre lang bei der BBE Unternehmensberatung (Köln), davon 13 Jahre als Geschäftsführer - 2007 machte er sich selbstständig. Zuletzt erschien von ihm "Kosten senken! Methoden – Verfahren – Instrumente. Wirkungsvolle Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit" (Walhalla, 2013; 29 Euro).