Ullstein startet "Resonanzraum"

Stoff für allerlei Mutmaßungen

7. Mai 2015
von Holger Heimann
Die Bedingungen des Verlegens verändern sich. Wird alles anders? Der Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner, Stephen Page von Faber & Faber und Ullstein-Chefin Siv Bublitz unterhielten sich am Mittwoch zum Auftakt der Veranstaltungsreihe "Resonanzraum" der Ullstein Buchverlage über das Verlegen von heute.

In welchem Maße sich das Verlagsgeschäft verändern wird, darüber wurden sich die drei an dem Abend im Ullstein-Verlagshaus nicht einig. Und das war gut und unterhaltsam so. Siv Bublitz machte zwei unveränderliche Eckpunkte der verlegerischen Arbeit aus: Seid je sei es die Aufgabe von Verlagen, Bücher zu produzieren und für diese Aufmerksamkeit herzustellen. „Das ist ein langsames Business. Man kann das mit Slow Food vergleichen. Es ist eine freiwillige Langsamkeit.“

In Großbritannien sind die Verhältnisse bekanntlich ein wenig anders als in Deutschland. 20 Prozent der Umsätze entfallen auf E-Books (hierzulande 4 Prozent), eine Preisbindung für Bücher gibt es nicht. Das verändert die Perspektiven. Ohnehin gilt Stephen Page als Neuerer, der den Independent-Verlag Faber & Faber verändert hat. Der Verlag veröffentlicht nicht mehr nur Bücher, er ist zu einem Dienstleister geworden, eine Schreibschule wurde etabliert, einen Club „Faber Members“ gibt es auch. In Berlin sagte der Londoner Verleger: „Wir sind gezwungen zu reagieren. Wir müssen schneller sein, uns anpassen.“ Verlage und Buchhandel seien nicht länger die bestimmenden Kräfte,  sondern Autoren und Leser. Vor allem das Publikum fordere eine andere Geschwindigkeit.

Ganz verschieden sind die Erfahrungen diesseits und jenseits des Kanals aber vielleicht doch nicht: Ein neues Selbstbewusstsein von Schriftstellern hat jedenfalls auch Bublitz ausgemacht: Verlage hätten Autoren lange Zeit bevormundet, diese seien aber professioneller und gewissermaßen zu Kunden geworden.

Dem Berliner Kulturstaatssekretär, der ohnehin nicht gerade im Ruf steht, ein feuriger Unterstützer des traditionellen Buchhandels zu sein, war die Londoner Zustandsbeschreibung eine schöne Vorlage: Tim Renner glaubt, dass andere Geschäftsmodelle und eine Konzentration auf das E-Book für Verlage unabdingbar sind, schließlich wachse einzig der digitale Bereich. Nur ein breites europäisches Bündnis könne globalen Akteuren wie Amazon Paroli bieten; allerdings sei er nicht sicher, ob unter solchen Umständen die Buchpreisbindung länger Bestand habe würde. Für den Hinweis von Bublitz, dass das Buchbusiness mehr sei als ein Geschäft, weil Bücher Ideen transportieren, hatte Renner zunächst nur ein ausdauerndes Lächeln übrig, gefolgt von der knappen Entgegnung „Was Sie über Bücher sagen, gilt auch für den Film und die Musik.“

Der hauptstädtische Kulturstaatssekretär, der selbst aus der Musikindustrie kommt, hatte noch eine interessante These parat. Die Auswirkungen der Digitalisierung müssten für die Buchbranche eigentlich gravierender sein als für das Musikbusiness, führte er aus. Seine Begründung: Ein Song oder ein Album wird häufiger gehört, ein Buch aber nur einmal gelesen. Mithin lohne sich die Anschaffung kaum - beziehungsweise sei ein E-Book ausreichend.

Offenbar ist das aber nicht die Logik vieler Buchkäufer. Wann und in welcher Besetzung die Reihe fortgeführt wird, blieb offen, wie so manches an diesem Abend. Stoff für allerlei Mutmaßungen gibt es jedenfalls genug.