Umfrage im Bahnhofsbuchhandel zu den Streikfolgen

"Hier am Bahnhof ist Totentanz"

6. Mai 2015
von Börsenblatt
Der Rekordstreit der Bahn könnte die deutsche Wirtschaft eine halbe Milliarde Euro kosten, glaubt Eric Schweitzer, Chef des Industrie-und Handelkammertages. Akut betroffen ist auch der Bahnhofsbuchhandel.


Friedrich Hacker, Schmitt & Hahn Buch und Presse, Heidelberg:

"Die Auswirkungen des aktuellen Bahnstreiks sind für unsere Filialen wieder erheblich. Bei den vergangenen Streiks hatten wir je nach Standort Umsatzeinbußen zwischen 25 und 35 Prozent. Außer den Personaleinsatz etwas anzupassen, gibt es leider keine Reaktionsmöglichkeiten auf die Bahnstreiks."

Torsten Löffler, Geschäftsführer Unternehmensgruppe Dr. Eckert:

"Die Verluste an Streiktagen von bis zu 40 Prozent je nach Standort sind wieder einmal massiv. Zeitungen sind eine tagesaktuelle Ware. Das heißt: Was ich heute nicht verkaufe, kann ich auch morgen nicht durch Mehrverkauf kompensieren. Und wenn die Kundschaft nicht zum Bahnhof kommt, weil die Züge nicht oder nur zufällig fahren, dann kann die Bahnhofsbuchhandlung auch keine Zeitschrift, kein Buch, keinen Kaffee oder keinen sonstigen Reisebedarf verkaufen. Solche Umsatzverluste sind in unserer Branche nicht kompensierbar. Im vergangenen Jahr haben die Streiktage zu merklichen negativen Abweichungen zwischen Bahnhofsbuchhandlungen und Grosso-belieferten Abnahmestellen geführt. Und am Ende dieser Woche werden wir schon mehr Streiktage haben als im vorigen Jahr."

Brigitte Becker, Bahnhofsbuchhandlung Becker, Rosenheim:

"Die Auswirkungen sind für uns extrem, wir haben ein Viertel weniger Umsatz durch den Bahnstreik. Das entspricht bislang ungefähr den Auswirkungen der vorangegangenen Streiks. Allerdings stehen wir heute noch am Anfang des langen Streiks und da die Tagesumsätze unterschiedlich sind, müssen wir noch abwarten, wie sich das Ganze in der Woche auswirkt."

Adrienne Schmidthals, Valora Retail Services, Leiterin Marketing:

"Bereits die bisherigen Streiks haben sich negativ auf die Umsatzentwicklung ausgewirkt. Und alle zusätzlichen Zugausfälle verschärfen die Situation an den Bahnhöfen weiter. Die GDL-Streiks und die damit verbundenen Frequenz- und Umsatzrückgänge werden sicher ihre Spuren hinterlassen – nicht nur in den Jahresbilanzen des Bahnhofsbuchhandels, sondern auch in den Köpfen der Bahnkunden. Dieser Imageverlust ist aus unserer Sicht eine Gefahr."

Götz Grauert, Presse und Buch, Düsseldorf:

"Wir werden durch den Streik wie immer zwischen 30 und 40 Prozent Umsatzeinbußen haben. Gerade große Standorte wie Düsseldorf sind besonders betroffen. Das Ganze ist nervig, lästig und ärgerlich – vor allem weil die Bahn nicht in der Lage zu sein scheint, dieses Thema endlich abzuschließen. Reaktionsmöglichkeiten gibt es bei einem Streik keine, wir machen zum gleichen Zeitpunkt auf wie jeden Tag und besondere Aktionen bringen auch nicht mehr Kunden in den Laden im Hauptbahnhof."

Michael Scholz, Bahnhofsbuchhandlung Scholz, Iserlohn:

"Die Auswirkungen sind gravierend, auch wenn wir hier in Iserlohn noch Glück haben, weil hier vor allem Privatbahnen fahren, die nicht bestreikt werden. Allerdings wissen das nicht alle Leute und kommen erst gar nicht zum Bahnhof. So sind es bei uns heute etwa 20 bis 30 Prozent weniger Bahnkunden, was auch wir zu spüren bekommen. Eine Chance, etwas dagegen zu tun, gibt es nicht."

Benjamin Wintergerst, Weltpresse, Augsburg:

"Es ist eine verheerende Katastrophe – hier am Bahnhof ist Totentanz, der Supergau für uns. Wir haben durch den Streik etwa 50 Prozent weniger Kunden – ein bis zwei Tage kann man noch überbrücken, aber eine ganz Woche schafft gravierende Probleme. Wir hoffen, dass das für lange Zeit der letzte Streik war. Positiv sind Stammkunden, die trotzdem kommen und aus Solidarität extra mehr einkaufen, das freut einen an so einem Tag."

Franz Wittmann, Bahnhofsbuchhandlung Wittmann, Bad Reichenhall:

"Wir haben Glück, weil wir an einer Nebenstrecke liegen, die von Privatbahnen bedient wird. Insofern haben wir hier in Bad Reichenhall von dem Bahnstreik und seinen Auswirkungen bislang noch nichts gemerkt."