Vorstandsbeschluss zur Verbandsreform

Heimatgefühl für alle

28. April 2015
von Börsenblatt
Kein radikaler Schnitt, sondern mit Bedacht und Schritt für Schritt: So soll die Strukturreform des Börsenvereins gelingen, die diese Woche Vorstand und Branchenparlament in ihren Frühjahrssitzungen beschäftigt hat. Kern des derzeit diskutierten Reformmodells: Der Umbau der Spartenorganisation. Update: Im Branchenparlament fand der aktuelle Vorschlag zur Verbandsreform Zustimmung. Bei vier Enthaltungen sprachen sich die Parlamentarier mit breiter Mehrheit für die erste Reformstufe aus - und damit auch für den Abschied vom Branchenparlament.

Der Börsenverein erfindet sich neu – will deshalb aber nicht gleich mit allen Strukturen brechen: Auf diesen Nenner lässt sich das modifizierte Modell für eine Verbands­reform bringen, das am Dienstag im Vorstand des Börsenvereins diskutiert worden ist und heute das Branchenparlament beschäftigt hat (alles über die Debatte lesen Sie hier). Der detaillierte Vorschlag steht unter dem Artikel auch als Grafik zum Download bereit.

Der Vorstandsbeschluss, dem sich das Branchenparlament angeschlossen hat:

Die Spartenorganisation mit ihrer Einteilung in die drei Fachausschüsse für Verleger, Buchhändler und Zwischenbuchhändler soll zunächst noch beibehalten werden. Verändern wird sich die Gremienarbeit im Verband dennoch. Der Vorstand des Börsenvereins hat sich bei seiner jüngsten Sitzung auf folgende Reform-Empfehlungen für die Hauptversammlung im Juni geeinigt: 

  • Die sogenannten Interessengruppen sollen künftig das Herzstück des Verbands sein. Die bisherigen Arbeitsgruppen und Arbeitskreise werden dabei in Interessengruppierungen umgewandelt – und für alle Sparten geöffnet. Darüber hinaus sollen die Mitglieder, ebenfalls spartenübergreifend, weitere Interessengruppen bilden können – zum Beispiel, um neuen Marktakteuren eine Heimat zu bieten oder um sich thematisch austauschen zu können, etwa übers Schulbuchgeschäft.
  • Daneben gibt es wendige Taskforces, die sich befristet um spezielle Themen kümmern und mit Experten aus Mitgliedsfirmen besetzt werden (etwa zu Mehrwertsteuerfragen).
  • Grundsätzlich befürwortet der Vorstand eine Reform, die auf die Auflösung der Spartenorganisation abzielt. Dennoch bleiben die drei Fachausschüsse zunächst erhalten, damit die Interessengruppen und Taskforces erst einmal im bewährten Verbandsgefüge ihre Arbeit aufnehmen können. Der Vorstand plädiert jedoch dafür, die Fachausschüsse satzungsgemäß zur spartenübergreifenden Zusammenarbeit zu verpflichten, als Probelauf für den nächsten Reformschritt.
  • In der Folge empfiehlt der Vorstand, das Branchenparlament, in dem sich Sparten und Arbeitskreise bislang untereinander austauschen, so bald wie möglich aufzulösen.


Interessengruppen und Taskforces: Mit diesen beiden neuen Formen der Mitwirkung will der Verband ein Jahr lang Erfahrungswerte sammeln – bevor dann, je nach Bilanz, die zweite Stufe der Reform zünden könnte: die Auflösung der Fachausschüsse. Um den Informationsfluss zwischen Interessengruppen und Vorstand würde sich dann ein Steuerungsteam aus dem Hauptamt kümmern.

Mit dem modifizierten Stufenmodell greifen Vorstand und Geschäftsführung auch Anregungen und Bedenken auf, die im Herbst im Branchenparlament aufgekommen waren: Wie kann verhindert werden, dass die kleinteilige Struktur der Interessengruppen die Lagerbildung im Verband eher ver- als entschärft? Und wie viel Koordinierungsarbeit kommt künftig auf den Vorstand zu? Das waren Fragen, die von den Parlamentariern bei der ersten Präsentation zur Strukturreform gestellt wurden, als der Abschied von der Spartenstruktur gleich von Anfang an auf der Reform-Agenda stehen sollte.

Seitdem hat das Planungsteam des Börsenvereins viele Einzelgespräche mit engagierten Mitgliedern geführt. Das Ergebnis: Die Reform soll nun als "iterativer Prozess" gestaltet werden, wie er im sogenannten ­agilen Projektmanagement gehandhabt wird: Die Veränderungen vollziehen sich fließend und werden auf dem Weg immer wieder mit den Reformzielen und den Mitgliederwünschen abgeglichen.

Was für die Stufenlösung spricht

"Wir plädieren dafür, schrittweise vorzugehen, weil der Prozess zu gravierenden Strukturveränderungen im Verband führen wird, deren Auswirkungen im Detail nicht planbar sind", so Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis bei den Frühjahrssitzungen in Frankfurt: "Viele Erkenntnisse werden sich erst aus der gesammelten Erfahrung und der gelebten Praxis ergeben." Das sah der Vostand ähnlich.

Warum braucht der Verband überhaupt eine Reform? Darauf gab Alexander Skipis klare Antworten, gemeinsam mit Kyra Dreher und Rolf Nüthen, den Geschäftsführern von Sortimenter- und Verleger-Ausschuss. Ihre kritische Selbstanalyse:

  • Der Börsenverein läuft Gefahr, nicht mehr die gesamte Wertschöpfungskette der Branche abzubilden.
  • Für all die verschiedenen, auch neuen Mitgliedergruppierungen gibt es nicht genügend geeignete Kommunikationsorte im Verband. Die Strukturen für Interessenartikulation, -bündelung und -ausgleich könnten leistungsstärker sein.
  • Die bisherigen Formate für ehrenamtliches Engagement sind wenig zeitgemäß – und orientieren sich zu wenig an konkreten Lösungen.
  • Expertise punktgenau einzubringen, ist den Mitgliedern derzeit nur vereinzelt möglich. Die Mitglieder würden sich untereinander gern noch stärker vernetzen – und nehmen die bestehenden Strukturen als intransparent wahr.


Die Reform soll diese Schwächen in Stärken verwandeln und einen zukunftsfähigen Verband gewährleisten, der

  • die gesamte Branche abbildet
  • die politische Relevanz erhält
  • die Integra­tionskraft stärkt und
  • allen Mitgliedern eine Heimat bietet.

In die heiße Phase geht der Reformprozess bei den Buchtagen Berlin: Auf der Hauptversammlung am 19. Juni entscheiden die Mitglieder, ob sie den ersten Schritt auf dem Reformweg mitgehen wollen.

Ein Punkt wird dabei keine Rolle spielen: Die Struktur aus Bundesverband und Landesverbänden stehe beim jetzt vorgestellten Konzept nicht zur Debatte, betont Alexander Skipis. "Wir befassen uns mit der Reform des Bundesverbands, vor allem mit der schwierigen Frage, wie wir die Beteiligungs­möglichkeiten für Mitglieder verbessern können", so der Hauptgeschäftsführer: "Die Landesverbände sind eigenständige Institutionen. Der Fortbestand der föderalen Struktur ist deshalb ein Thema, über das jeder Landesverband für sich zu entscheiden hat.

Detaillierte Informationen mit Kommentarfunktion zum Reformvorhaben unter www.boersenverein.de/mi/strukturreform.