Connected Car

Die Zukunft der Medien liegt im Blech 2.0

16. April 2015
von Börsenblatt
Das Auto von morgen ist ein besseres Smartphone auf Rädern. Im gleichen Maße, wie sich Fahrzeuge zu digitalen Erlebniswelten wandeln, halten auch digitale Medien Einzug in die Fahrgastzelle. Ein Berliner Hackathon zu neuen Chancen und Herausforderungen für Verlage und Medienunternehmen.

Die Zeit, in der Fahrzeuge nur aus mechanischen Komponenten bestanden, liegt im Grunde genommen nicht lange zurück. Es war eine Zeit, in der sich Automobilhersteller noch im schönen Verbiegen von Blech übten. Doch in Anbetracht der atemberaubenden Geschwindigkeit, mit der sich das Autofahren zu einer passiven, weil zunehmend automatisierten Form der Fortbewegung entwickelt, verblasst die Erinnerung an diese nostalgisch anmutende Ära. Für das Blech von morgen zählen innere, rein digitale Werte.

Glaubt man den Auguren der Automobilindustrie, so schlägt das Herz der globalen Autobranche schon bald nicht mehr in Zuffenhausen, Wolfsburg und Ingolstadt sondern im Silicon Valley. Angesichts der Gerüchte um ein mögliches »iCar« von Apple und Googles medienwirksame Testläufe eines eigenen Roboterautos mögen sie dabei nicht ganz falsch liegen.

Doch nicht diese neuen Player am Markt sind es, die Autoherstellern weltweit das Fürchten lehren, sondern deren Definition der Mobilität von morgen: automatisiert soll sie sein, digital und vor allem multimedial. Nicht unbedingt die Paradedisziplinen der Automobilhersteller – sehr wohl aber die des Silicon Valley.
»Das Auto von morgen«, so prophezeien selbst Experten wie der Automobilpapst Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöfer von der Universiät Duisburg-Essen »wird rund ums Lenkrad gebaut und erlebt«. Das Lenkrad selber werde dabei überflüssig, da sich das Fahrzeug seinen Weg zum Ziel selber suche.

Für die Passagiere ergeben sich somit Freiräume, da sie sich nicht mehr mit der Verkehrsführung, Geschwindigkeitsbeschränkungen und dem Schulterblick beschäftigen müssen. Und in noch einer Prognose sind sich Mobilitätsexperten weltweit einig: Passagiere werden diese Freiräume während der Reise im Automobil mit der Nutzung digitaler Medien nutzen.

So ist es nicht verwunderlich, dass der Musikdienst Spotify aber auch Medienhäuser wie Axel Springer oder der Spiegel sich bereits heute intensiv mit der Integration digitaler Medien in das Fahrzeug von morgen beschäftigen und gemeinsam mit der Autoindustrie neue Medienangebote explorieren. Die dabei entstandenen Partnerschaften zwischen Automobilherstellern und Zulieferern auf der einen Seite und Medienunternehmen auf der anderen Seite sind nicht zufällig. Nur gemeinsam, so scheint es, schafft man es, den Medienexperten und Digital-Gurus von Google und Co. einen Schritt voraus zu sein und neben innovativen Medienangeboten auch tragfähige Geschäftsmodelle für das Infotainment im Blech 2.0 zu schaffen.

Welche Innovationskraft diese Zusammenarbeit der beiden Industrien zu Tage fördern kann, wurde auf einem gemeinsamen Hackathon von Axel Springer und Bosch in Berlin deutlich. Mehr als 120 Entwickler beteiligten sich an dem zweitägigen Event und entwickelten kollaborativ 22 unterschiedliche Ideen für den Einsatz digitaler Medien im Auto. Die Bandbreite der eingereichten Projekte war beachtlich, drehte sich im Kern aber darum, dem Autoradio zeitgemäße Konkurrenz zu machen. Die präsentierten Lösungen reichten von einer eher trivialen Sprachausgabe für Textnachrichten über einen Media Player, der die Musikwünsche aller Passagiere berücksichtigt, bis hin zu einem Location-based-Service für lokale Musikereignisse in der Nähe des aktuellen Aufenthaltsortes.Und auch wenn viele der innerhalb von weniger als 48 Stunden konzeptionierten und programmierten Lösungen den Beweis der Praxistauglichkeit schuldig blieben, so machte die große Zahl der umgesetzten Lösungen doch deutlich, dass die Zusammenarbeit von Automobilindustrie und Medienwirtschaft ungeahntes Potential für die Eroberung des Blech 2.0 durch digitale Medien besitzt. Medienhäuser sind gut beraten, diese Chance zu nutzen, und Ihre digitalen Inhalte frühzeitig für die gemeinschaftliche Entwicklung neuer Angebote zugänglich zu machen.

Noch, so das Fazit eines der Teilnehmer des Hackathon, geschehe dies viel zu selten und aus Angst, die Kontrolle über die eigenen Inhalte zu verlieren. Ein Trugschluss, wie ich meine. Denn gerade dieser offene Zugang ist notwendig, damit Verlag mit dem Connected Car nicht noch einen Mega-Medientrend verschlafen.