Verfahren gegen Frankreich und Luxemburg

EuGH kippt reduzierten Mehrwertsteuersatz für E-Books

6. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Der Europäische Gerichtshof hat heute seine Entscheidung im Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Frankreich und Luxemburg verkündet. Die Richter kommen zu dem Ergebnis, dass das geltende europäische Recht den Mitgliedsstaaten keinerlei Möglichkeit eröffnet, auf E-Book-Downloads den reduzierten Mehrwertsteuersatz anzubieten. Die europäischen Branchenverbände, darunter der Börsenverein, kämpfen nun stärker denn je um eine Rechtsgrundlage für die ermäßigte Mehrwertsteuer.

Die Entscheidung hatte sich im Vorfeld bereits abgezeichnet. Anders als bei der Lieferung von gedruckten Büchern handele es sich bei dem Download von E-Books um eine Leistung, für die nach den verbindlichen Vorschriften des europäischen Steuerrechts keine umsatzsteuerliche Privilegierung vorgesehen sei, betonten die Richter. Zusätzlich werde Luxemburg dafür gerügt, dass es einen Super-Niedrig-Umsatzsteuersatz auf E-Books angewendet habe, der von vorneherein nicht mit dem europäischen Recht in Einklang stehe, so Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang in einer Einschätzung zur Entscheidung.


Im Volltext (in deutscher Sprache) lassen sich die Entscheidungen des Gerichts hier und hier  nachlesen.

Stellungnahme des Börsenvereins


Für den Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Alexander Skipis, ist es "unerklärlich", warum E-Book-Leser schlechter gestellt werden als Leser des gedruckten Buches. Er forderte die Bundesregierung dazu auf, sich für eine Änderung der entsprechenden europäischen Richtlinie einzusetzen:


"Bücher sind ein Kulturgut, unabhängig davon, ob sie in gedruckter oder elektronischer Form vorliegen. Verlage und Buchhändler würden E-Books gerne günstiger anbieten als sie das derzeit können. Wir werden jetzt mit unseren europäischen Kollegen deutlich auf diesen Widerspruch in der europäischen Regelung hinweisen. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für E-Books festgeschrieben. Die Bundesregierung fordern wir auf, dieses Vorhaben jetzt dringend umzusetzen und auf eine Änderung der europäischen Richtlinie hinzuwirken.“


Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, twitterte kurz nach Verkündung der Entscheidung: "Die Kreativ- und Kulturindustrien brauchen unsere Unterstützung. Das heutige E-Book-Urteil muss umgehend in der EU-Kommission erörtert werden."


Europäischer Schulterschluss: Aktionen gegen die umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung 


Der Börsenverein und die europäischen Dachverbände von Verlegern, Buchhändlern und Autoren haben sich unmittelbar nach der Bekanntgabe gemeinsam mit einem Offenen Brief an die Präsidenten von EU-Kommission, Rat und Europäischem Parlament gewandt und diese gedrängt, durch eine Änderung der maßgeblichen Richtlinie die Anwendung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf E-Books für die Mitgliedsstaaten der EU zu ermöglichen. Das Schreiben soll Auftakt zu einem ganzen Bündel von Maßnahmen sein, mit denen die europäische Buchbranche gegen die umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung von gedruckten und elektronischen Büchern vorgehen will.


Der Offene Brief (im Wortlaut hier abrufbar) ist von den europäischen Dachverbänden der Verleger, Buchhändler und Autoren unterzeichnet worden (Federation of European Publishers, European Writers Council, European and International Booksellers Federation). Darin heißt es:


"Die heutige Entscheidung wäre vermeidbar gewesen, wenn es keine diskriminierende Regelung geben würde, die Mitgliedstaaten dazu zwingt, bei digitalen Publikationen eine deutlich höhere Mehrwertsteuer zu verlangen als bei Printprodukten".


Die unterzeichnenden Verbände sind davon überzeugt, dass der Wert eines Buches nicht von seinem Format abhängt - oder von dem Weg, wie es zum Leser kommt. Sie fordern die EU-Kommission dazu auf, die gesetzlichen Grundlagen anzupassen und damit sicherzustellen, "dass das europäische Recht dem technischen Fortschritt folgt und Hürden für die Entwicklung des E-Book-Markts abbaut". Das würde aus Sicht der Verbände auch bestens zum Arbeitsprogramm der EU-Kommission passen, in dem es heiße, dass Barrieren fürs Digitale auch Barrieren für den Arbeitsmarkt, für Wachstum und Fortschritt seien.


Die Vorgeschichte des Verfahrens


Zum Hintergrund: Elektronische Bücher, Zeitungen und Zeitschriften gelten laut EU-Recht als elektronische Dienstleistungen und werden deshalb mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belegt. Die EU-Kommission hatte 2012 gegen Frankreich und Luxemburg ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie mit ihrer nationalen Gesetzgebung vorgeprescht waren und die Sätze dennoch reduziert hatten - Frankreich vor allem, um die Vielfalt auf dem Buchmarkt zu fördern, Luxemburg wohl auch aus wirtschaftlichem Interesse: Große Internetkonzerne wie Amazon und Apple betreiben von dort aus ihr E-Book-Geschäft und haben in den vergangenen Jahren vom ermäßigten 3-Prozent-Satz kräftig profitiert - während bei der Konkurrenz mehr fällig wurde, in Deutschland zum Beispiel 19 Prozent. Das hat sich zum 1. Januar 2015 allerdings geändert: Seitdem gilt bei elektronischen Dienstleistungen europaweit das "Bestimmungslandprinzip". Damit greift der Mehrwertsteuersatz im Land des Kunden, nicht des Lieferanten.

Die Position der deutschen Bundesregierung


Auch wenn damit zumindest ein Ungleichgewicht der Vergangenheit behoben ist, hat das Thema nicht an Brisanz und Aktualität verloren, wie der Offene Brief deutlich macht. Denn grundsätzlich will die europäische Buchbranche den reduzierten Steuersatz für E-Books.


Unbeeindruckt vom Verfahren gegen Luxemburg und Frankreich hat Italien zum 1. Januar 2015 die Mehrwertsteuer für E-Books auf vier Prozent reduziert. Und auch die Regierung in Malta strebt eine Anpassung des Mehrwertsteuersatzes für E-Books von 18 Prozent auf 5 Prozent an.


Die deutsche Bundesregierung hat ihre Position längst formuliert: Im Koalitionspapier ist festgeschrieben, dass sie auf europäischer Ebene darauf hinwirken will, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf E-Books und E-Zeitungen auszudehnen.


Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, hatte zuletzt im Januar 2014 dazu erklärt:


"Der reduzierte Mehrwertsteuersatz, der für gedruckte Bücher gilt, muss aus kulturpolitischer Sicht künftig auch auf elektronische Bücher angewandt werden. Nur so können wir im Zeitalter digitaler Technologien die Vielfalt unseres Bücherangebots sichern. Die ermäßigte Besteuerung trägt wesentlich zur Information und zu selbständiger Meinungsbildung in der Bevölkerung bei. Sie senkt nicht nur die Zugangsschwelle zum Buch und zu Zeitungen als Kulturgut, sondern auch zur darin enthaltenen Literatur und Berichterstattung. Dies ist davon unabhängig, ob der Leser das Buch oder die Zeitung in körperlicher Form in die Hand nimmt oder sich elektronische Versionen auf sein mobiles Lesegerät herunterlädt."


Grütters forderte damals, den ermäßigte Steuersatz für E-Books und E-Zeitungen möglichst bald auf die EU-Agenda zu setzen.

Um die Politik für das Thema zu sensibilisieren, hat der französische Verlegerverband Syndicat national de l’édition (SNE) in dieser Woche eine Kampagne für den reduzierten Mehrwertsteuersatz von E-Books gestartet − über die Hashtags #thatisnotabook und #thatisabook soll der EU-Kommission der Unterschied zwischen Buch und Nicht-Buch erklärt werden, augenzwinkernd und via Facebook, Twitter und Instagram. Der Börsenverein unterstützt die Aktion. Mehr dazu hier.