Ukraine: Spendenprojekt "Books without borders"

Die heilende Kraft von Kinderbüchern

17. November 2022
von Sabine Cronau

Die Crowdfunding-Kampagne "Books without borders" verteilt Kinderbücher an ukrainische Flüchtlingsfamilien. Kristina Kramer vom Berliner Büro des Börsenvereins über den Erfolg der Aktion, neue Hilfsprojekte - und einen Spendentipp zu Weihnachten.

Kristina Kramer vom Börsenverein mit der ukrainischen First Lady Olena Selenska

Auf der Frankfurter Buchmesse: Kristina Kramer vom Börsenverein mit der ukrainischen First Lady Olena Selenska

„Books without borders“ bringt Kinderbücher zu ukrainischen Flüchtlingsfamilien. Wie funktioniert das im Detail?
Entstanden ist das Projekt unter der Schirmherrschaft der First Lady der Ukraine, Olena Selenska, und mit Partnern wie dem Ukrainian Book Institute (UBI). Es hat unterschiedliche Ausrichtungen. Gemeinsam mit ukrainischen Kinderbuchverlagen hat das UBI mit der Federation of European Publishers (FEP) unter diesem Projektdach im März 2022 auf der Kinderbuchmesse in Bologna eine Crowdfunding-Initiative auf den Weg gebracht.

Bis heute sind mehr als 52.000 Euro gespendet worden. 15.000 Kinderbücher konnten mit diesen Spenden in Polen, Ungarn, Italien, und Deutschland gedruckt und verteilt werden. Andere Länder werden folgen. Die Logistik läuft in den Ländern und in Kooperation mit den FEP-Mitgliedsverbänden unterschiedlich.

Welche Rolle spielt der Börsenverein bei der Verteilung?
In Deutschland haben wir im Berliner Büro mit den Landesverbänden zusammengearbeitet, die über ihre Netzwerke Bücher dorthin bringen konnten, wo sie gebraucht werden.

Konkret konnten wir in Berlin zum Beispiel Bücher im Kids Corner im Hauptbahnhof vorbeibringen, die Zentralen Anlaufstellen und Gemeinschaftsunterkünfte beschicken und in enger Absprache mit dem UBI zu ukrainischen Gemeinden in ganz Deutschland Kontakt aufnehmen, die sehr stark in der Flüchtlingsarbeit engagiert sind.

Grundidee der ukrainischen Verlage und des UBI war es, ukrainischen Kindern mit Ankunft in dem jeweiligen Land ein Buch in der eigenen Sprache in die Hand zu geben. Wir haben als Partner in Deutschland versucht, gute und direkte Wege zu finden, um diese Idee bestmöglich umzusetzen.

Die Kinder und Mütter haben das Zuhause nur mit dem Nötigsten verlassen, Bücher hatten in den Taschen selten Platz.

Kristina Kramer, beim Börsenverein Stellvertretende Direktorin für europäische und internationale Angelegenheiten

Wie viele Bücher konnten Sie allein in Deutschland schon weiterreichen?
Insgesamt konnten wir in Deutschland über das Projekt 5.000 Bücher verschenken.

Bekommen Sie eine Resonanz, ob Kinderbücher wirklich das sind, was die Familien, oft ja nur Mütter mit ihren Kindern, im Moment brauchen?
Die Reaktionen der Kinder und Mütter waren sehr positiv und auch emotional. Das wurde uns nicht nur von den Kontakten vor Ort bestätigt, mit denen wir direkt im Austausch standen, sondern auch von den Kolleg:innen des UBI und der First Lady auf der Frankfurter Buchmesse.

Die Kinder und Mütter haben das Zuhause nur mit dem Nötigsten verlassen, Bücher hatten in den Taschen selten Platz. In dieser Situation hatte das überreichte Buch in der eigenen Sprache, das man vorlesen, in der Hand halten und immer wieder anschauen und bei sich behalten kann, für viele eine ganz besonders tröstende Wirkung.

Auf der Frankfurter Buchmesse wurden Sie für Ihren Projekteinsatz geehrt – mit einer Urkunde der ukrainischen First Lady. Hat es Sie überrascht, dass die ukrainische Seite im Moment überhaupt Zeit für ein solches Dankeschön findet?
Wir haben hier wirklich nur einen kleinen Beitrag geleistet, dafür wurde uns große Dankbarkeit ausgedrückt. Das gilt übrigens auch für André Störr von der Akademischen Verlagsbuchhandlung Friedrich Mauke in Jena, der für das schöne Projekt www.kibadu.de geehrt wurde.

Die Danksagung uns gegenüber im Rahmen der Buchmesse steht in meinen Augen stellvertretend für zahlreiche ähnliche Projekte. Gerade im Kinderbuchbereich wurden so viele großartige Beiträge und Initiativen in Deutschland und Europa ins Leben gerufen. Auch im Börsenblatt wird ja kontinuierlich über die Projekte verschiedenster Art berichtet.

Dieses Engagement wird in der Ukraine gesehen und wertgeschätzt, das wurde in Frankfurt nochmal sehr deutlich. Die Energie, die an dem ukrainischen Gemeinschaftsstand mit all seinen Mitwirkenden zu spüren war, war unglaublich eindrucksvoll.

Kann das Projekt noch frische Spenden gebrauchen?
Das Crowdfunding Projekt wird in den kommenden Wochen abgeschlossen. Aber „Books without borders“ geht weiter, Informationen gibt es auf der Website. Mit FEP arbeiten wir derzeit an einem EU-Förderprojekt, zu dem ich bald schon mehr sagen kann und das sich an die Kinderbuchverlage in Europa und der Ukraine richtet.

Ein anderes Projekt, das ebenfalls von Olena Selenska unterstützt wird und in der deutschsprachigen Version auch unter der Schirmherrschaft von Elke Büdenbender und der österreichischen First Lady, Doris Schmidauer steht, nennt sich „Better Time Stories“ und wurde auf der Frankfurter Buchmesse gelauncht.

Es ist ein bemerkenswertes Projekt: Buchpakete mit 5 Titeln werden geschnürt, alle Bücher können in zwei Sprachen gelesen und angehört werden. Die Hörbücher wurden von Schauspieler:innen eingesprochen. Zusätzlich wurde eine App programmiert, über die die Familienmitglieder, die in der Ukraine geblieben sind und bleiben mussten, die Bücher einlesen können. So bleiben die Familien – auch über das gemeinsame Vorlesen – verbunden. Die Verlage Gerstenberg, Atlantis, Ellermann und Südpol sind für die deutschsprachigen Länder Partner des Projekts.

Mit 15 Euro kann man ein Buchpaket auf den Weg bringen, gerade auch zu Weihnachten ein schönes Spendengeschenk: https://www.bettertimestories.com/de/

Dass die Kraft von Kinderbüchern in schlimmen Zeiten heilend sein kann, ist mir durch „Books without borders“ besonders klar geworden.

Kristina Kramer

Gibt es etwas, das Sie durch die Arbeit für „Books without borders“ gelernt haben – über die Ukraine, den Krieg, das Lesen?
Die letzten Monate haben mich so viel lernen lassen und die vielen beeindruckenden Initiativen europäischer Kinderbuchverlage haben mir noch einmal mehr verdeutlicht, wie konstruktiv und großzügig die Buchbranche ist und wie klug und anpackend Hilfe und Unterstützung ermöglicht werden kann. Dass die Kraft von Kinderbüchern in schlimmen Zeiten heilend sein kann, ist mir durch „Books without borders“ besonders klar geworden.

Grundsätzlich bin ich bei den vielen und unterschiedlichen Begegnungen mit den ukrainischen Kolleg:innen zutiefst beeindruckt, mit welcher Kraft, Wärme und Menschlichkeit sie an Projekten arbeiten – in einer Zeit, in der das eigene Land aggressiv angegriffen wurde und sich im Krieg befindet.