Bilanz zum Bestsellerjahrgang 2014 (2/3)

Der Körper, das Leben, die Politik

3. März 2015
von Börsenblatt
Das meistverkaufte Sachbuch (Hardcover) kam im vergangenen Jahr von der Bonnier-Tochter Ullstein – "Darm mit Charme" der jungen Medizinerin Guilia Enders erreichte im Lauf des Jahres eine Millionenauflage. In puncto Bestsellermenge bleibt jedoch die Verlagsgruppe Random House die Nummer eins im Sachbuch. Teil zwei der  Bilanz zum Bestsellerjahrgang 2014.

Auf die Belletristik folgt das Sachbuch: boersenblatt.net wertete die Bewegungen in den Hardcover-Charts aus − auf Basis der alle zwei Wochen erscheinenden Top25-Listen von GfK Entertainment (im Wechsel mit den Ratgeber-Charts). Markante Ergebnisse:  

Sachbuch-Barometer: Titel, Themen, Trends des Jahres 2014

121 Sachbücher von 50 Verlagen stürmten 2014 übers Jahr in die Top25 − 11 (oder 8,3 Prozent) weniger als im Jahr zuvor. Was zum Teil auch daran lag, dass sich die, die es ein Mal in die Top25 geschafft hatten, dort auch länger halten konnten. Anders gesagt: Es gab weniger Strohfeuer als 2013 − nämlich genau sechs (nach elf im Jahr 2013).

Dabei zeigten sich in der Kategorie 'rein und raus' durchaus Überraschungen: Vielsprechende Titel wie "Bin ich hier der Depp?" von Bestsellerautor Martin Wehrle etwa (Mosaik Verlag) oder "Dranbleiben" von Lukas Podolski über seinen Weg in den Profi-Fußball machten eine Stippvisite in den Charts – und verschwanden nach einem Auftritt wieder vom Radar.  

Die Sachbuch-Charts dominierten 2014 Originalausgaben Lizenzen musste man diesmal schon mit der Lupe suchen. Das ließ sich bereits an den von GfK Entertainment veröffentlichten (kumulierten) Jahrescharts ablesen: Auf den besten Plätze rangieren ausschließlich Autoren, die ihre Bücher in deutscher Sprache schreiben (die kumulierte Liste der meistverkauften Sachbücher finden Sie auf boersenblatt.net hier).   

Das herausragende Buch, auch über den gesamten HC-Markt betrachtet, war ohne Zweifel "Darm mit Charme" von Giulia Enders (Ullstein Verlag). Rund eine Million Exemplare wurden laut Verlag von dem Sachbuch-Debüt verkauft, Lizenzen gingen bislang in 26 Länder. "Als Verlag besteht unsere Aufgabe darin, für ein gutes Buch viele Leser zu finden", sagt Ullstein-Verlegerin Siv Bublitz. "Dass es bei Giulia Enders so viele werden würden, war nicht vorhersehbar."

Im Verlauf: "Darm mit Charme" stieg mit Erscheinen in die Charts ein (in Kalenderwoche 10), hielt sich bis zum Jahresende durchgängig auf Spitzenpositionen – kein anderes Sachbuch verkaufte sich am Ende in einer höheren Stückzahl. 

 

Auf den Rängen zwei und drei der kumulierten Sachbuch-Jahrescharts von GfK Entertainment (siehe Archiv, Im Rampenlicht des Marktes) folgten Autoren, die gute alte Bekannte sind: Hape Kerkeling ("Der Junge muss an die frische Luft", Piper) und Roger Willemsen ("Das Hohe Haus", S. Fischer). Beide knüpften an ehemalige Erfolge an, konnten von Anfang an mit Rückenwind rechnen. Das Ergebnis: Kerkelings Bericht aus der Kindheit hat seit Oktober rund 500.000 Käufer gefunden, Willemsens Bericht aus dem Bundestag seit März knapp 200.000.    
Länger über das Jahr in den Charts vertreten waren, allein aufgrund des Erscheinungstermins, indessen andere, nicht Guilia Enders: Kai Twilfer war mit "Schantall, tu ma die Omma winken!" (Schwarzkopf & Schwarzkopf), dem Nummer 1-Sachbuch des Vorjahres (2013: ca. 330.000 verkaufte Exemplare) durchgängig unter den Top25 dabei – der Mitte 2013 neu aufgelegte Duden (Bibliographisches Institut / Cornelsen) fehlte in der Auswertung lediglich ein Mal. Genauso lange wie Giulia Enders in den Top25 war Guido Maria Kretzschmar ("Anziehungskraft", Verlagsgruppe Edel; in den Top25; Jahrescharts: Rang 7).
Dass 2014 ein Jahr der großen Jubiläen war, sticht nicht weiter hevor. Die Titel, die Verlage über die beiden Weltkriege und den Mauerfall vor 25 Jahren veröffentlichten, schafften es zum Teil zwar in die Charts, kamen aber nicht bis in Spitzenpositionen. Das Heute zählt bei Buchkäufern mehr als das, was gestern war... Von allen Jubiläumstiteln mit Blick auf die Charts am erfolgsreichsten war das Buch des britischen Historikers Christopher Clark über die Bedingungen zum Beginn des Ersten Weltkriegs – "Die Schlafwandler" (2013 erschienen bei der DVA). Das Buch bewegte sich fast das ganze Jahr über unter den Top25, rangierte ein Mal auch unter den Top3 (kumulierte Jahrescharts: Platz 10).  
 
Um die vorderen drei Plätze konkurrierten diesmal 22 Titel von 19 Verlagen (2013: 19 Titel von 17 Verlagen). Und hier offenbart sich auch, welche Themen die größte Zugkraft hatten. In Stichworten: privates Glück und Unglück, die Bundespolitik, Europa, die Überwachung durch die NSA und US-Geschichte, Fragen der Moral und der Gefahren für die Zukunft, und Zeitzeugen-Biographien.  
"Das Kapital im 21. Jahrhundert" von Thomas Piketty, einem der meistdiskutierten Sachbücher des Jahres überhaupt, gelang zwar wie erwartet der Sprung in die HC-Bestsellerliste, es entwickelte dort aber nicht die erwartete Zugkraft: In deutscher Übersetzung erschien die Analyse des französischen Wirtschaftsprofessors bei C.H. Beck im Oktober – platzierte sich aus dem Stand in den Charts, trat in der Spitzengruppe aber nicht weiter in Erscheinung (und verpasste auch den Sprung in die kumulierten Jahrescharts, Top25).

Die größte Zugkraft mit Blick auf die großen Verlagsgruppen entwickelte erneut Random House – wenn auch weniger schwungvoll: Übers Jahr platzierten sich 30 Titel aus den deutschen Random House-Verlagen unter den Top25, im Vorjahr lag die Quote noch bei 38 Titeln. Damit reduzierte sich zugleich der Abstand zum Verfolger Holtzbrinck (2014: 28 Titel in den Top25; 2013: 27). Gewonnen haben zudem Bastei Lübbe (6 Platzierungen, nach 2 im Vorjahr) und Bonnier (15 Platzierungen, nach 12 im Vorjahr).

Bonnier stand, vor allem dank "Darm mit Charme", diesmal auch am häufigsten an der Spitze (weitere Nummer 1-Titel der Verlagsgruppe waren: "Der Fluch der bösen Tat" von Peter Scholl-Latour / Propyläen; "Der Junge muss an die frische Luft" von Hape Kerkeling / Piper).

Insgesamt konnten sich diesmal neun Verlage den Siegerhut aufsetzen, die drei bereits genannten Bonnier-Verlage Ullstein, Piper und Propyläen, zwei Verlage aus dem Random House-Kosmos (DVA mit Thilo Sarrazin und "Der neue Tugendterror"; Heyne mit Helmut Kohls "Vermächtnis" von Tilman Jens und Heribert Schwan), zwei aus der Holtzbrinck-Riege (Kiepenheuer & Witsch mit Christine Westermann und "Da geht noch was"; S. Fischer mit Roger Willemsen und "Das Hohe Haus") – sowie Edel (mit Guido Maria Kretzschmers Buch über "Anziehungskraft") und Axel Springer (mit der Chronik "Das Jahr 2013").

Der Pokal für den Verlag mit den meisten Titeln in den Charts bleibt in jedem Fall, wo er ist: bei der Holtzbrinck-Tochter Droemer Knaur in München. Übers Jahr bewegten sich 2014 acht Titel in den Charts. Die Siegertitel:

•    Hamed Abdel-Samad: "Der islamische Faschismus"
•    Hillary Clinton: "Entscheidungen"
•    Waris Dirie: "Safa"
•    Glenn Greenwald: "Die globale Überwachung" (Geschwister Scholl Preis 2014, siehe Archiv
•    Helmut Kohl: "Aus Sorge um Europa", "Vom Mauerfall zur Wiedervereinigung"
•    Michael Tsokos und Saskia Guddat: "Deutschland misshandelt seine Kinder"
•    Malala Yousafzai (mit Christina Lamb): "Ich bin Malala" (Malala Yousafzai erhielt den Friedensnobelpreis 2014; siehe Archiv)

Am höchsten platzierten sich davon zwei Droemer Knaur-Titel mit einem aufklärerischen Ansatz: "Deutschland misshandelt seine Kinder" von Michael Tsokos und Saskia Guddat (ein Mal Platz 3) und Glen Grennwald Sachbuch über "Die globale Überwachung" (zwei Mal Platz 3).

Und noch mal Holtzbrinck, zum Thema Bestsellermenge in den Sachbuch-Charts: Von den großen Verlagsgruppen bleibt Random House Deutschland zwar insgesamt die Nummer eins, doch der Abstand zu Holtzbrinck wird kleiner (siehe oben). Zudem sieht es so aus, als würden Droemer Knaur, Kiepenheuer & Witsch, Rowohlt und S. Fischer – als Einzelverlage – streckenweise auch etwas mehr Drive entwickeln, als etwa C. Bertelsmann und Heyne (beide: Random House Deutschland).  
   
Zum Vergleich: 2013 erreichten zwischen Januar und Dezember noch jeweils sieben Titel der beiden Verlage die Top25, ein Jahr darauf reduzierten sich die Chart-Zugänge bei C. Bertelsmann auf fünf, bei Heyne auf drei Titel. Die DVA kam ebenfalls auf fünf Charttitel, alle anderen Random House Deutschland-Verlage (von Adeo bis Pantheon) hatten weniger. Die vier genannten Holtzbrinck-Ableger schnitten besser ab. Im Detail:
  • Droemer Knaur, 8 Bestseller (Vorjahr: 9)  
  • Rowohlt, 7 Bestseller (Vorjahr: 6)
  • Kiepenheuer & Witsch, 6 Bestseller (wie im Vorjahr)
  • S. Fischer: 6 Bestseller (Vorjahr: 5)