Interview mit S. Fischer-Geschäftsführer Jörg Bong

"Es soll etwas großes Neues entstehen"

16. Januar 2013
von Börsenblatt
Nach dem Kauf der Marken von Sauerländer, Duden und Meyers wird S. Fischer im Kinderbuch zum Vollanbieter. Im Interview erläutert Geschäftsführer Jörg Bong die Motive für die Übernahme, Pläne zur Zusammenführung der vier Marken samt ihrer Teams, die Marktbedingungen, in denen Jugendbuchverlage agieren, und den Wunsch, möglichst viele Mitarbeiter aus Mannheim zu übernehmen.

Mit dem Bilderbuchprogramm von Sauerländer und den Kindersachbüchern von Duden und Meyers wird S. Fischer jetzt zum Jugendbuch-Vollanbieter unter den Holtzbrinck-Verlagen – nicht peu à peu, sondern mit einem Paukenschlag. Ist es damit leichter, im Buchhandel wahrgenommen zu werden, als wenn man langsam aufbaut?
Bong: Mit einem umfassenden Programmspektrum wird man natürlich noch besser wahrgenommen. Das gilt auch für die einzelnen Bereiche. Wir hatten immer wunderbare Bilderbücher wie „Das schwarze Buch der Farben“ und auch vereinzelt Sachbücher, aber eben hier nie ein systematisches Programm. Das wird sich jetzt ändern. 

Wobei Eva Kutter und ihr S. Fischer-Kinderbuchteam ja nicht nur mit besagtem Titel gezeigt hat, dass das Know-how im Hause wäre.
Bong: Absolut! Aber der Schwerpunkt im Fischer Kinder- und Jugendbuchprogramm lag bislang ganz klar in der Belletristik, es ging um belletristische Bücher für 6- bis 12-Jährige. So hat es der Buchhandel wahrgenommen und auch entsprechend eingekauft. Bilder- und Sachbücher haben wir eben nur punktuell angeboten – zu wenig, um einen relevanten Zusammenhang zu schaffen.  

Jetzt sollen die Programme von Sauerländer, Duden und Meyers zusammengeführt werden – gibt es da Überschneidungen, etwa bei der Duden-Erstlesereihe „Lesedetektive“ und der gerade bei S. Fischer eingeführten Erstlesereihe „Nur für Jungs“?
Bong: Das Wunderbare ist: Nein, es gibt im Wesentlichen keine Überschneidungen. Fischer wird weiterhin den Schwerpunkt Belletristik haben, Meyer das Sachbuch, Duden die Lese- und auch Wissensvermittlung und Sauerländer das Bilderbuch. Selbst eine Reihe wie das unlängst lancierte „Nur für Jungs“-Projekt mit seinen Erstlesebüchern konkurriert nicht mit dem großartigen Duden-Erstleseprogramm, den „Lesedetektiven“, es will etwas ganz anderes. Inhaltlich-programmatisch passt hier alles. 

Neben den Programmen wollen Sie schnellstmöglich die Macher, sprich die Teams aus Mannheim und Frankfurt zusammenbringen: Wie viele Mitarbeiter wollen Sie aus Mannheim holen?
Bong:
Da befinden wir uns gerade in den Gesprächen. Für die Mitarbeiter von Sauerländer, Duden und Meyers war die Situation ja nicht gerade leicht, weil ihnen nach der Ankündigung von Cornelsen, die Sparten zu verkaufen, erst einmal gekündigt wurde. Grundsätzlich hätten wir gerne viele der hervorragenden Mitarbeiter mit ihrem spezifischen Know-how bei uns. 

Wie sieht es mit Ulla Berendt-Roden aus, die bislang sehr engagiert das Sachbuchprogramm geleitet hat?
Bong: Wir sehen sie genau in dieser exponierten Funktion: ihre großartige Sachbucharbeit in diesem neuen Kontext unverändert fortzusetzen. Wir würden uns sehr freuen, wenn sie eine wichtige Fischerin würde! 

Wird die Leiterin der Fischer Kinder- und Jugendbuchprogramme, Eva Kutter, dann den gesamten vergrößerten Bereich leiten?
Bong: Wir schauen gerade, in welchen Strukturen genau wir arbeiten wollen, was von den Abläufen etc. Sinn macht, aber Eva Kutter wird auf jeden Fall eine zentrale Position haben. Sie macht eine absolut fantastische Arbeit. 

Bekommen die Neuzugänge Sauerländer, Duden und Meyers weiterhin ihren eigenen Vorschauauftritt unter den bekannten Marken?
Bong: Auf jeden Fall. Die Marken sollen ja unvermindert stark bleiben, genau das ist ja unser genuines Interesse. Gleichzeitig wollen wir unter dem Dach von S. Fischer auch etwas Neues entstehen lassen – am Ende soll als Ganzes etwas großes Neues entstehen, nicht nur eine simple Addition der vier bisherigen Marken. Ein sehr schöner, sehr fantasievoller und sehr starker Kinder- und Jugendbuchverlag mit vielen neuen Ideen und Impulsen. Ein Verlag, dem das Engagement für die jungen Leserinnen und Leser großen Spaß macht. Das war von Beginn an der Motor – schon mit der Gründung der Schatzinsel durch Monika Schoeller. 

Die Erweiterung durch Zukauf scheint folgerichtig: Sie hatten ja  gerade erst die Fischer Schatzinsel als Fischer KJB neu positioniert.
Bong: Es ist eine Weiterentwicklung. Der Name Schatzinsel stand uns am Ende zu sehr für „nur Kinderbuch“, und wir wollten nach unserem Empfinden die richtigen Dimensionen und Potenziale, die das Kinderbuch auch für Fischer hat, widerspiegeln. Das klappt mit der Bezeichnung Fischer Kinder- und Jugendbuch, abgekürzt KJB, besser. Nicht zu vergessen: Schon mit Fischer FJB haben wir das Programm enorm ausgebaut. Mit Büchern für die etwas ältere junge Zielgruppe, den „All Age“-Büchern. Dann natürlich mit der Reihe „Nur für Jungs“ – speziell für die männlichen Erstleser. Mit den Neuzugängen sind wir jetzt ein breit aufgestellter, veritabler Jugendbuchverlag. Unser Bekenntnis zum Kinder- und Jugendbuch ist damit sehr nachdrücklich. 

Aber das Engagement in diesem Segment ist ja auch wirtschaftlich motiviert, oder? Schließlich ist das Kinder- und Jugendbuch eines der wenigen Segmente, die noch wachsen.
Bong:
Sicher. In den vergangenen vier Jahren haben wir unseren Umsatz in diesem Bereich von zweieinhalb auf 10 Millionen Euro gesteigert – das Kinder- und Jugendbuch und FJB zusammen genommen – und werden ihn jetzt weiter steigern. Das Kinder- und Jugendbuch gehört zu den wenigen Segmenten, die stetig und vernünftig gewachsen sind.