Interview mit Susanne Martin

"Buchhändler zu sein, das bedeutet sehr viel Arbeit für sehr wenig Geld"

12. Dezember 2017
von Börsenblatt
Susanne Martin über die Gründe für ihre Entscheidung, die Schiller-Buchhandlung im Februar zu schließen, und die Perspektiven für den stationären Buchhandel.

Sie schließen Ihre Buchhandlung zum 10. Februar. Warum?
Es ist eine Kombination aus verschiedenen Gründen. Ausschlaggebend ist meine angeschlagene Gesundheit. Ich habe seit drei Jahren Gelenkrheuma und werde nächstes Jahr 60. Ich kann deshalb Dinge, die notwendig sind, nicht mehr stemmen. Eine 50-Stunden-Woche, das kann ich nicht mehr leisten. Dazu kommt, dass das Geschäft schwieriger geworden ist, die Umsätze nicht gerade gestiegen sind. Die wirtschaftliche Situation hätte eine strategische Neuausrichtung erfordert. Ich hätte umziehen müssen. Das wollte ich mit Ende 50 nicht mehr, schon gar nicht in einem gesundheitlich angeschlagenen Zustand.

Was sind die Hauptschwierigkeiten für eine Buchhandlung wie Ihre?
Ich glaube, dass wir einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel erleben. Buchhandlungen konkurrieren nicht nur mit Amazon. Da sind wir relativ gut aufgestellt, wir haben immerhin acht Prozent unseres Umsatzes über unseren Webshop gemacht. Die Onlinestrategie hat also relativ gut funktioniert, natürlich sind uns auch Kunden abhanden gekommen, doch das ließ sich auffangen. Aber wir konkurrieren auch um die Zeit, die Menschen für Medien aufwenden. Da befindet das sich Buch im Wettbewerb mit Netflix, Whatsapp, Facebook etc. Wenn ein Mensch am Abend zwei Stunden Freizeit hat, dann schaut er eben die Serie XY. Diese Zeit fehlt für Bücher.

Schlechte Perspektiven für Buchhandlungen also?
Ja, leider. Ich sehe den Buchhandel derzeit in einer Konsolidierungsphase, wo die Standorte, die gut besetzt sind – und dazu gehört Stuttgart-Vaihingen mit fünf weiteren Buchhandlungen – sich verändern werden. Hier werden Buchhandlungen schließen, nur eine oder zwei mit unterschiedlichen Profilen werden übrigbleiben. Überleben lässt sich aber nur mit einer guten Strategie. Für den Kuchen, der jetzt noch zu verteilen ist, gibt es ein Überangebot an Buchhandlungen.

Haben Sie deshalb keinen Nachfolger gefunden?
Buchhändler zu sein, das bedeutet sehr viel Arbeit für sehr wenig Geld. Es ist kaum möglich, an einem Standort wie unserem ohne Backup zu überleben, also ohne einen Partner, der ein zusätzliches Einkommen beisteuert. Der Kostenapparat war ausgereizt. Ein Nachfolger hätte also umziehen und sich auf kleinerer Fläche neu aufstellen müssen. Hier sich ins gemachte Nest zu setzen, das hätte nicht funktioniert.

Sie waren immer sehr offen gegenüber Veränderungen im Buchhandel. Das reicht nicht mehr?
Ja, ich hatte nie Berührungsängste. Aber jetzt sehen wir uns einer Situation gegenüber, wo der Standort des Ladens noch wichtiger geworden ist. Eine Zeit lang konnte man sagen: Ich habe ein ausgefeiltes Konzept, damit kann ich auch in einer 1B-Lage existieren. Die Leute kommen zu mir, weil ich Beratung biete etc. Wir haben eine tolle Stammkundschaft, aber ohne Laufkundschaft wird es schwierig. Man ist ja auch vom Umfeld abhängig. Hier haben in den letzten Jahren diverse Läden geschlossen, manche sind ersetzt worden durch Nagelstudios oder Büros. Aber wir haben auch Leerstand um uns herum. Direkt neben uns kaschieren wir einen Leerstand, indem wir die Schaufenster dekorieren. Wenn die Leute sich heute auf den Weg machen, dann wollen sie ein gutes Einkaufserlebnis haben. Wenn allein die Buchhandlung der Frequenzbringer ist, dann kippt es irgendwann.

Wie geht es für Sie weiter?
Ich mache erst einmal Pause und werde versuchen, mich zu erholen, um körperlich wieder in die Gänge zu kommen. Danach muss ich mir etwas suchen, aber das wird kein Vollzeitjob mehr sein und ganz bestimmt nicht mehr in hochverantwortlicher Position. Ob im Buchhandel oder nicht – das lasse ich auf mich zukommen.