Pressefreiheit in der Türkei

Minister beschlagnahmt Videomaterial nach Interview

6. September 2016
von Börsenblatt
Der türkische Minister für Jugend und Sport, Akif Kilic, hat im unmittelbaren Anschluss an die Aufzeichnung eines TV-Interviews mit der Deutschen Welle (DW) das Videomaterial konfiszieren lassen. DW-Intendant Peter Limbourg protestierte und sprach von einem "neuen eklatanten Verstoß gegen die Pressefreiheit in der Türkei".

Das Interview für die DW-Sendung "Conflict Zone" mit Michel Friedman sei am frühen Montagabend, 5. September, im Ministerium in Ankara aufgezeichnet worden, so der Sender. Die Themen, die im Interview besprochen werden sollten, seien dem Ministerium vorab mitgeteilt worden.

Moderator Friedman habe Fragen zum Putschversuch im Juli, zu den danach erfolgten Massenentlassungen und Verhaftungen, zur Lage der Presse in der Türkei sowie zur Stellung der Frau in der türkischen Gesellschaft gestellt. Der Minister sei im Verlauf des Interviews auch gebeten worden, einige Zitate von Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu diesen Themen zu erläutern.

Der Minister geht - die Mitarbeiter konfiszieren das Material
Unmittelbar im Anschluss an das Interview habe sich der Minister von Friedman verabschiedet, fährt die Pressemitteilung der DW fort. Nachdem der Minister den Raum verlassen hätte, habe der Pressesprecher des Ministers überraschend mitgeteilt, dass die DW das Interview nicht senden dürfe. Gegen den Protest von Friedman und seinr Redaktionskollegin sei das Videometarial anschließend von Ministeriumsmitarbeitern konfisziert worden. Dem Team der DW sei dabei klar bedeutet worden, dass es das Ministerium nicht im Besitz des Videomaterials verlassen dürfe.

DW-Intendant Peter Limbourg verurteilte das Vorgehen der türkischen Behörden: „Das stellt einen neuen eklatanten Verstoß gegen die Pressefreiheit in der Türkei dar. Was wir erleben, erfüllt den Tatbestand der Nötigung durch die türkische Führung. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nichts mehr zu tun. Es darf nicht sein, dass ein Minister bereitwillig ein Interview gibt und dann auf derartige Weise dessen Ausstrahlung verhindern will, weil ihm die Fragen nicht gepasst haben. Wir fordern die türkische Seite zur unverzüglichen Herausgabe unseres Videomaterials auf. Zudem prüfen wir rechtliche Schritte.“

Herausgabefrist verstrichen
Die DW protestierte nach dem Vorfall unverzüglich beim türkischen Ministerium für Jugend und Sport sowie beim türkischen Generaldirektorat für Presse und Information und verlangte die Herausgabe des Videomaterials. Eine für heute 12 Uhr lokaler Zeit gesetzte Frist ließen die türkischen Behörden verstreichen. In mehreren Telefonaten mit Vertretern des türkischen Ministeriums für Jugend und Sport am heutigen Vormittag verlangte die DW erneut eindringlich die Rückgabe des Videomaterials. Die Antwort lautete unverändert, dass das Ministerium der Ausstrahlung des Interviews nicht zustimme.