Salman Rushdie bei der Eröffnungspressekonferenz der Frankfurter Buchmesse 2015

Freiheit ist nicht nur ein Wort

13. Oktober 2015
von Börsenblatt
"Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine andere Freiheit": Salman Rushdie hat sich seinen Auftritt bei der Eröffnungspressekonferenz der Frankfurter Buchmesse wohl überlegt – und damit ein Zeichen gesetzt. Er sprach über Fronten zwischen den Kulturen, unterschätzte Gefahren und die Pflicht von Autoren und Verlegern, Brücken zu bauen.

Die 67. Frankfurter Buchmesse beginnt für Journalisten mit Fragen zur Meinungsfreiheit – mit Fragen also, die sie sich sonst viele kaum noch stellen: So selbstverständlich erscheint es, seine eigene Meinung ohne Angst vor Restriktionen sagen zu können. Der Auftritt von Salman Rushdie, der heute auf Stippvisite in Frankfurt war, dürfte sie daran erinnert haben, dass die Lage anders ist.

"Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine andere Freiheit"

Rushdie wurde 1989 für seinen Roman "Die satanischen Verse" mit einer Fatwa belegt, muss seitdem um sein Leben fürchten. Man merkt ihm diesen Druck nicht an − ruhig und besonnen betrat er heute bei der Pressekonferenz das Podium, ließ das Blitzlichtgewitter über sich ergehen, setzte sich neben Buchmesse-Direktor Juergen Boos und Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller, wartete auf seinen Einsatz …

Als erstes bedankte er sich bei seinen Verlegern in aller Welt (einige davon, etwa Markus Dohle, CEO von Penguin Random House, saßen in der ersten Reihe) für ihre Unterstützung in all den Jahren. "Verlegen verkörpert den Gedanken der Meinungsfreiheit", so Rushdie. Jedes Buch sei ein Beweis dafür. Nichtsdestotrotz ließ er keinen Zweifel daran, dass sich niemand in Sicherheit wiegen könne, dass der Kampf für die Meinungsfreiheit immer wieder neu aufgenommen und gewonnen werden müsse. Rushdie: "Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine andere Freiheit." Meinungsfreiheit sei ein universelles Menschenrecht.

Rushdis Art, sich dem Kampf um das freie Wort zu stellen, ist es, Geschichten zu erzählen – Geschichten seien das wichtigste verbindende Element über alle Kulturen hinweg, betonte er. „Durch Geschichten lernen wir, uns zu verstehen.“

"Meinungs- und Publikationsfreiheit sind nicht verhandelbar"

Juergen Boos und Heinrich Riethmüller hatten ihre Position bereits im Vorfeld  deutlich gemacht – in ganz ähnlicher Weise. "Die Meinungs- und Publikationsfreiheit sind für uns keine verhandelbaren Werte", ließ Heinrich Riethmüller die anwesenden Journalisten wissen. "Denn sie sind die Grundlage einer freien, demokratischen Gesellschaft und damit auch Grundlage unseres Schaffens." Bücher leisteten einen zentralen Beitrag zu einer offenen, toleranten Gesellschaft, ermöglichten Verständigung zwischen Kulturen. Verlagen würde eine große Verantwortung zukommen, so Riethmüller – sie müssten sich jedoch auch immer wieder selbst hinterfragen.

Juergen Boos konnte mit seiner Begrüßungsrede nahtlos daran anknüpfen. Er sei überzeugt, dass zu reden stets die bessere Alternative sei. "Die Meinungsfreiheit ist in einem fragilen Zustand", lautet sein Befund. Da habe die Literatur einen wichtigen Auftrag: "Literatur muss stören, und Verleger müssen es auch."

"Verlage und Buchhandlungen wissen um ihre Kompetenzen"

Dass die Frankfurter Buchmesse in ihrem Kern eigentlich eine Geschäftsmesse ist, spielte bei der Eröffnungspressekonferenz auch eine Rolle, wenn auch nicht die zentrale – dabei hatte Boos einige Besonderheiten zu vermelden: das neue Hallenkonzept (im Archiv: hier), das kleine Wachstum bei den Ausstellerzahlen und das gestiegene Interesse bei Journalisten. Mit 7.200 Ausstellern aus 104 Ländern wachse die Messe weiter, sagte er. "Und auch das Interesse bei Journalisten und Bloggern war noch sie so groß wie 2015" (mehr Zahlen, siehe Überblick unten).

Heinrich Riethmüller bilanzierte den Status quo der Branche − "aktuell liegen wir bei minus 2,5 Prozent-, betonte jedoch zugleich, dass das kein Warnsignal sei. Man sehe das leichte Minus mit Gelassenheit; es zeige lediglich, dass es im Moment keine wirtschaftlichen Ausnahmetitel gebe, wie es bei Harry Potter oder Shades of Grey der Fall gewesen sei. Er gehe davon aus, nach einem starken Herbst in etwa auf Vorjahresniveau zu landen. "Verlage und Buchhandlungen wissen um ihre Kompetenzen, stellen sich selbstbewusst auf und bieten dem digitalen Kapitalismus Paroli, also all denen, die zentrale Strukturen des Marktes okkupieren und dadurch zerstören wollen."

Zahlen zur Frankfurter Buchmesse 2015:

  • Knapp 7.200 Aussteller aus 104 Ländern sind dabei.Laut Juergen Boos resultiert das kleine Wachstum (plus 0,9 Prozent) vor allem aus dem gestiegenen Interesse in Asien und Südamerika.   
  • Nettofläche entspricht nach Angaben von Juergen Boos der des Vorjahres.
  • Mehr als 600 Agenten haben sich einen Platz im LitAG gemietet (Literary Agents & Scouts Centre).
  • Für den zweiten Durchlauf im BusinessClub haben sich gut 150 Experten aus 13 Ländern angekündigt. 
  • Knapp 8.000 Journalisten haben sich bislang akkreditiert („soviele wie noch nie“, sagt Boos). Hinzu kommen gut 1.400 Blogger und 120 Nachrichtenagenturen aus aller Welt.
  • Rund 4.000 Veranstaltungen stehen im Kalender der Buchmesse.
  • Die Messeorganisatoren erwarten in diesem Jahr insgesamt 280.000 bis 300.000 Besucher (davon Zweidrittel als Fachbesucher).