Schließungen könnten Insolvenzwelle auslösen

Türkische Regierung enteignet 29 Verlage

3. August 2016
von Börsenblatt
Nach Militär, Justiz, Schulen, Universitäten und Presse trifft es nun auch Verlage: Die türkische Regierung hat auf der Grundlage des von Präsident Erdogan am 27. Juli verkündeten Dekrets über notwendige Maßnahmen während des Ausnahmezustands auch 29 Verlage enteignet. Eine Berufung gegen diesen Schritt ist nicht zugelassen, sämtliche Rechte und Vermögenswerte fallen an den Fiskus, wie der türkische Verlegerverband TPA (Turkish Publishers Association) mitteilt.

In der Erklärung heißt es weiter, die TPA verurteile den Putschversuch gegen die parlamentarische Demokratie in der Türkei. Die Schließung von 29 und womöglich weiteren Verlagshäusern trage jedoch das Risiko von Menschenrechtsverletzungen, von Unterdrückung der Gedanken- und Meinungsfreiheit und zudem von irreparablen finanziellen und moralischen Verlusten. Da sich die meisten der jetzt geschlossenen Häuser ohnehin in der Hand von Treuhändern befanden, hätte man notwendige rechtliche Schritte auch ohne die jetzt angeordneten Schließungen einleiten können.

Da das Notstandsdekret keine Kompensation für den Verlust von Geldern und Vermögenswerten vorsieht, fürchtet der türkische Verlegerverband nun eine Welle von Insolvenzen. Druckereien, Buchbindereien und Auslieferer, die noch offene Forderungen hätten, könnten zahlungsunfähig werden.

Autoren und Übersetzer wären außerdem betroffen, weil sie keine Honorare und Kopiervergütungen mehr erhielten. Zudem würden viele Verlagsmitarbeiter, die vollkommen unschuldig seien, ihrer Rechte, ihrer Arbeitsplätze und ihrer noch ausstehenden Gehälter beraubt.

Die TPA schließt ihre Erklärung mit dem Aufruf, das Prinzip der Unschuldsvermutung, die Herrschaft des Rechts und die demokratischen Prinzipien zu achten und jede Maßnahme, die die Meinungs- und Verlagsfreiheit sowie das Recht auf ungehinderten Zugang zu Informationen unterdrückt, zu unterlassen.

Inzwischen hat der internationale PEN gegen die Maßnahmen der türkischen Regierung protestiert und zur Unterzeichnung eines offenen Briefs gegen diese Aktionen aufgerufen.

Auf der Seite des internationalen PEN findet sich zudem eine Liste der bislang 132 per Dekret geschlossenen Medien und Medieneinrichtungen − darunter die 29 Verlage.

Der türkische Präsident Erdogan hat am 20. Juli, fünf Tage nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli, einen dreimonatigen Ausnahmezustand ausgerufen. Seither kann die türkische Regierung per Dekret regieren.