Schönste Deutsche Bücher: Der Sieger ist gekürt

Kölner Brückengrün

9. September 2016
von Börsenblatt
Der "Architekturführer Köln" aus dem Verlag der Buchhandlung Walther König ist das schönste deutsche Buch 2016 und erhält dafür den mit 10.000 Euro dotierten Preis der Stiftung Buchkunst. Die Auszeichnung wurde im Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Frankfurt übergeben.

In einer "fulminanten Laudatio", so Stiftung-Buchkunst-Vorstandsvorsitzender Joachim Unseld, stellte Jurymitglied Andreas Platthaus, Literaturchef der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", den Sieger des diesjährigen Wettbewerbs vor.

17 Grüntöne zählte er auf – wohlwissend, dass Grünsammler bei Wikipedia auf 400 Grüntöne kommen – , doch einen Grünton vermisse er: das Kölner Brückengrün, den Farbton, den Adenauer in den 20er Jahren als Oberbürgermeister der Stadt Köln den modernen Rheinbrücken verordnet habe, damit sie etwas altehrwürdiger erscheinen mögen, gleichsam mit einer Patina überzogen. Dieses "Kölner Brückengrün", so Platthaus, finde sich nun auf dem Umschlag und auf den Beschnittseiten des "Architekturführers Köln" (Verlag der Buchhandlung Walther König).

"Mit dem Buch erlebt man sein grünes Wunder", fuhr Platthaus fort und erläuterte die Jury-Entscheidung: "Dem Anschein nach ein Taschenbuch, erweist sich der Band als erstklassig gestalteter Bildband, in dem die klassische Schwarzweißfotografie ein Bündnis mit der nicht minder strengen Typografie eingeht". Doch aufs Leichteste belebt und bewegt werde das Erscheinungsbild durch die grüne Zusatzfarbe, die vom Umschlag ins Innere wandert und dazu eine kleine Kölner Kulturgeschichte erzählt. "Womit große Wirkung erzielt wird", so Platthaus. "So ist das ganze Buch ein dialektisches Spiel zwischen Schein und Sein, klein und groß, karg und reich. Und immer geht es zugunsten des Letzteren aus: Der ›Architekturführer Köln‹ ist ein grundlegendes Werk seines Genres, ein großes Meisterwerk der Gestaltung und somit ein wahres Juwel."

Die konsequente Farb- und Schriftdramaturgie auch im Innenteil nötigt Platthaus und seinen Jurykollegen ebenfalls Bewunderung ab: "Im Inneren ringt die Gestaltung dem handlichen Format maximale Großzügigkeit ab. Üppige Wirkung entfaltet sich aus minimalistischer Stringenz heraus. Die Schrift ist auf einen einzigen Schriftschnitt beschränkt – den fetten einer sehr geometrischen Serifenlosen mit markanten Ziffern. Für die Differenzierung der Textsorten genügen drei Schriftgrade. Die grüngraue Schmuckfarbe dient der Schriftauszeichnung, Kapitelgliederung und den Übersichtsplänen. Die winzigen Grundrisse oder Schnitte gewinnen Prägnanz, indem sie negativ gestellt sind – sehr ungewöhnlich, aber absolut dienlich."

Doch Platthaus wollte auch das schönste der schönsten Bücher nicht über den grünen Klee loben und zählte – hier ein wahrer Vortragskünstler – zur Erheiterung des Publikums im prall gefüllten Foyer des Museums für Angewandte Kunst (MAK) in Frankfurt einige hanebüchene Trennungen aus dem Textteil des Buchs auf, die bei dem gewählten Flattersatz vermeidbar gewesen wären. "Wenn das Trennungsgeschick ein Kriterium für die Auswahl gewesen wäre", so der FAZ-Literaturchef, "dann würden hier andere Bücher liegen". Charmanter und gewitzter kann man Kritik nicht verpacken.

An die Adresse der Herausgeber und Gestalter des Architekturführers, Uta Winterhager, Barbara Schlei und Tobias Groß (Designbüro "großgestalten", Köln), sandte Platthaus am Ende seiner Laudatio noch eine Reihe von Komplimenten auf Kölsch, die die des Kölschen Unkundigen nur ansatzweise verstehen konnten. "Had er jot jemaat" ("Habt ihr gut gemacht") war zum Schluss zu vernehmen.

Mit Joachim Unseld stand erstmals der neue Vorsitzende der Stiftung Buchkunst auf der Bühne im MAK. Der Verleger der Frankfurter Verlagsanstalt pries die Vorzüge des gedruckten Buchs, seine "stolze Körperlichkeit". Der Stiftung komme es darauf an, Aufmerksamkeit für das schöne, wertvolle, auf Papier gedruckte Buch zu schaffen. Die Juroren suchten Bücher, die die Aura des Besonderen und Individuellen in sicht trügen: "Wo sich dann eine Wärme, ein Erstaunen, eine Begeisterung entwickelt angesichts des Objekts, wenn man es in die Hand nimmt, sorgfältig darin zu blättern beginnt, über das Papier streicht und die Schriftart prüft", so Unseld. "Hier, und vielleicht nur so, entsteht eine Beziehung zwischen Leser und Buch noch vor der Bekanntschaft mit dem eigentlichen Inhalt."

Katharina Hesse, Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst, präsentierte in einem pointierten Parforceritt die 25 schönsten Bücher, die bereits im Mai von zwei Expertenjurys gewählt worden waren (darunter auch der Preisträger des Abends). Im Jahr des 50. Geburtstags der Stiftung konkurrierten 788 Titel um die Auszeichnung "Schönste deutsche Bücher"."Insgesamt haben 788 Bücher, 5 Prozent mehr als 2015, ihren Weg zur Stiftung Buchkunst gefunden, um sich dem Schönheitswettbewerb zu stellen" sagte Hesse. "448 Einreicher schickten diese Bücher. Das sind 14,5 Prozent mehr als im letzten Jahr. Das freut und beflügelt uns sehr."

Vor der Gala der Schönsten stellte Hesse auch die drei Gewinner des "Förderpreises für junge Buchgestaltung" vor. Ausgezeichnet werden hier innovative Konzepte, die das Medium Buch weiterdenken und fortentwickeln. Über je 2.000 € Preisgeld freuten sich die drei Sieger Marion Kliesch (»Ästhetik der Zensur«), Hannes Rohrer (»Steiff – Werk Giengen«) und Marina Kampka (»weather forecast – another grey start«).

Alle Preisgelder wurden gestiftet von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters. Die prämierten Bücher werden ab sofort auf große Wanderausstellung gehen und an zahlreichen Orten im In- und Ausland zu sehen sein. Den Start machen die Hamburger Bücherhallen (Vernissage mit Begleitprogramm am 13. September 2016). Auch die Kooperation mit dem Literaturhaus Frankfurt wird fortgeführt: Die 25 prämierten Bücher sind das ganze Jahr über im Foyer des Hauses zu sehen (ab dem 12. September 2016).

Gleichzeitig feierte an diesem Abend der Jahreskatalog der »Schönsten deutschen Bücher 2016« Premiere, den in diesem Jahr das »Bureau Sandra Doeller« aus Frankfurt gestaltet hat.