Unternehmenskultur darstellen

Die DNA der Firma

6. Dezember 2016
von Börsenblatt
Jedes Unternehmen hat eine bestimmte Kultur – welche, lässt sich meist nicht einfach sagen. Werkzeuge wie die Culture Map helfen bei der Bestimmung des Organisationscharakters.

War das Meeting heute Morgen wieder ein bisschen rot? Oder eher gelb? Und überhaupt: Arbeiten Sie in einer Firma, die mehr violett geprägt ist oder grün? Wer so spricht, hat "Business Culture Design" von Simon Sagmeister gelesen (Campus, 214 S., 34,95 Euro). Anhand von sieben vorgegebenen Werten und Farben lässt sich die Kultur einer jeden Organisation beschreiben, meint der Autor. Und zwar fundierter, als es äußerliche "Kulturartefakte" wie Kleidung, Büroeinrichtung oder Meeting-Abläufe vermögen. Sie stellen nur die Spitze des Eisbergs dar, sind Symptome einer Kultur, aber nicht deren Kern.

Mit der Culture Map bekommen Unternehmen "eine Sprache und ein Vokabular an die Hand für das, was normalerweise nur vage beschrieben werden kann". Sie können unter die Oberfläche des Handelns blicken und die eigene Kultur bewusst managen – in der heutigen Zeit ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor, so Sagmeister. Er orientiert sich mit seinem Modell an Erkenntnissen aus der kulturellen Evolution und lässt immer wieder Best-Practice-Beispiele aus Unternehmen in sein Buch einfließen. Er betont, dass jede seiner sieben Farben, jeder Wert in unterschiedlicher Ausprägung in jedem Unternehmen vorkommen kann, und nicht nur das: sogar in jeder Abteilung, in jedem Team. Oft ist es ein Wechselspiel zwischen gruppenorientierten, stabilisierenden Werten – und Werten, die individualistisch und dynamisierend wirken. Mit der Culture Map lässt sich sagen, "ob ein überlanges Meeting blaue oder grüne Ursachen hat oder ob eine hohe Fluktuationsrate auf orange oder gelbe Grundlagen zurückzuführen ist. Die Probleme lassen sich an der Wurzel packen, statt nur Symptome zu behandeln."

Die Methode wird nach Verlagsangaben bereits von Unternehmen und Non-Profit-Organisationen auf der ganzen Welt angewandt. Gerade in großen Organisationen habe er immer wieder erlebt, schreibt Sagmeister, dass in Jahresberichten und Unternehmens­broschüren festgehaltene Bekenntnisse nichts wert sind, wenn sich die Realität der Handlungen anders darstellt – wie etwa bei den kriminellen Machenschaften des Energieriesen Enron. Aber auch im Kleinen kann die tatsächliche Kultur in einem Unternehmen – dieser unberechenbare Mix aus Werten, Einstellungen, Motiven, Wahrnehmungen, Überzeugungen und Mentalitäten – jeden Tag dazu beitragen, "dass nicht das passiert, was eigentlich hätte passieren sollen". Wenn zum Beispiel in Meetings ein schönes Strategiepapier formuliert wird, doch schon beim Rausgehen aus dem Sitzungssaal bei den Ersten Zweifel aufkommen.
Die Kultur ist alles, "sie ist dafür verantwortlich, wie die Menschen wahrnehmen, denken, fühlen und aufgrund dessen handeln", hat der Autor festgestellt und rät allen Unternehmen, den nicht unwesentlichen Aufwand zu betreiben, sich gemäß der Culture Map zu überprüfen. Dadurch lernt sich eine Organisation nicht nur selbst besser kennen, sie kann auch ihre Wettbewerbsvorteile sicht- und greifbar machen. Zu oft hängen manche noch in gelernten Mechanismen fest. Nimmt man zum Beispiel Konfliktsituationen, sind für die Beteiligten theoretisch alle Farben abrufbar. Aus Gewohnheit greifen Unternehmenslenker und Belegschaften aber immer wieder auf tradierte Verhaltensweisen zurück, etwa auf patriarchalische Entscheidungen (violett) oder auf Konsensbeschlüsse (grün). Aus dem jeweiligen Muster auszubrechen, würde manchem Unternehmen guttun, so Sagmeister.
Für sein Konzept hat er "starke Ideen großer Denker" aus verschiedenen Jahrhunderten "konsequent kombiniert, ergänzt und auf das Thema Unternehmenskultur ausgerichtet": Von Charles Darwin über Isaac Newton bis zu Immanuel Kant halten zahlreiche wohlklingende Namen Einzug in die Chef­etagen. Auch aus der Natur gibt es zahlreiche Ableitungen – offenbar derzeit eine beliebte Brücke bei einigen in dieser Rubrik vorgestellten Büchern.