Das US-Justizministerium erhob im April 2012 Klage gegen Apple und fünf US-Großverlage. Darüber hinaus reichten im Mai 2012 fast alle amerikanischen Bundesstaaten eine Sammelklage gegen die Verlage und Apple ein. Am 10. Juli 2013 entschied ein amerikanisches Bundesgericht, Apple habe mit diesen Verlagen beim Versuch, die Preise auf dem aufblühenden E-Book-Markt zu erhöhen, illegal konspiriert. Die Entscheidung war keine Überraschung, weil die Richterin schon vor Prozessbeginn am 3. Juni 2013 deutlich gemacht hatte, dass sie auf der Seite des klagenden US-Justizministeriums stand, was ihr den Vorwurf der Voreingenommenheit einbrachte.
Das Urteil ist der einstweilige Schlusspunkt einer umfangreichen Auseinandersetzung zwischen US-Behörden mit Apple und US-Verlagen, die auch auf den europäischen Buchmarkt ausstrahlte und die EU-Kommission in Brüssel auf den Plan rief. Insider vermuten, dass die Verfahren von Amazon initiiert wurden. Es ging um ein von den Verlagen praktiziertes Kommissions-Agentenmodell (Agency-Modell). Hiernach bleibt der Verleger Herr des Geschäftes, behält auch das Recht der Preisfestsetzung. Online-Händler verkaufen im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung und erhalten eine Provision. Die Folge ist eine Quasi-Preisbindung von E-Books, wenn die Verlage nur an solche Händler liefern, die das Agency-Modell akzeptieren.
Dieses Modell war auf den heftigen Widerstand von Amazon gestoßen, der E-Books generell für Dollar 9,99 verkaufen wollte. Angegriffen von den Klägern wurde weniger das Agentur-Modell selbst, als vielmehr die vermutete Absprache großer Verlage mit Apple vor dem Hintergrund, dass Apple in der dominierenden Position von Amazon auf dem E-Book-Markt mit dem Lesegerät Kindle eine Bedrohung der Apple-Distributionsplattform (iPhone, iPad und iPod) auf diesem Markt gesehen habe. Wegen der behaupteten Interessen der Verlage, es nicht zu einem Preisverfall bei elektronischen Büchern kommen zu lassen, der auch das lukrativere Geschäft mit Printprodukten beeinträchtigen könnte und der Wettbewerbssituation zwischen Apple und Amazon bei den von beiden Firmen angebotenen Plattformen für den E-Book-Vertrieb vermuteten die Kläger ein kartellrechtswidriges Zusammenwirken. Nur weil Apple bereit war, so die Vermutung, das Agentur-Modell zu akzeptieren, sei es den Verlagen möglich gewesen, auch Amazon zu zwingen, sich hierauf einzulassen. Die Folge: E-Book-Preise seien gestiegen, zum Teil über den Preis der Print-Ausgabe hinaus. Das Gericht folgte dieser Argumentation.
Schon zuvor hatten sich die verklagten Verlage mit dem US-Justizministerium und den Bundesstaaten verglichen und die beanstandeten Agentur-Verträge beendet.
Mit einem Vergleich endete auch das von der EU-Kommission in Brüssel eingeleitete Kartellverfahren gegen Apple und vier europäische Verlagsgruppen. Die Kommission hatte die Vorwürfe der US-Behörden aufgegriffen und ebenfalls den Verdacht geäußert, es gebe Absprachen zwischen den Verlagen und Apple mit dem Ziel, den Preiswettbewerb beim Handel mit E-Books zu beeinträchtigen. Die Verlage gaben die Zusage, nach Kündigung der bestehenden Verträge in den nächsten zwei Jahren den Händlern die Möglichkeit der Preisbestimmung zu überlassen, jedoch nicht unter Einkaufspreis und nicht in den europäischen Ländern, in denen es aufgrund nationalen Rechts eine Buchpreisbindung gibt, wie z. B. in Deutschland. Dies hat die EU-Kommission ausdrücklich erklärt. Die deutsche Buchpreisbindung, auch die für E-Books, bleibt also von dem Vergleich unberührt.
Das gegen Apple in den USA ergangene Urteil bestätigt alle diejenigen, die vor einer Einbeziehung des kulturellen Bereichs in die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den USA über ein Freihandelsabkommen warnen. Maßgeblich für das US-Gericht war allein die Erwägung, dass durch die Verträge zwischen Verlagen und Apple Amazon daran gehindert werden sollte, seine 9,99 Dollar-Modell-Niedrigpreispolitik weiter zu betreiben. Die Richterin sah hierin eine Benachteiligung der Verbraucher. Das ist aber nur eine sehr vordergründige und einseitige Betrachtung, denn die meisten Kommentatoren der Entscheidung sind sich darin einig, dass das Urteil in erster Linie Amazon nützt und seine Marktmacht in bedrohlicher Weise verstärkt. Vor diesen Folgen hatten sowohl der US-Schriftsteller-Verband als auch Vertreter des amerikanischen Buchhandels gewarnt. Die Agentur-Verträge hätten gerade das Ziel gehabt, ein wettbewerbsorientiertes Umfeld im Buchhandel zu schaffen, im langfristigen Interesse gerade der Leser und Buchkäufer. Das Urteil ist also nur ein Pyrrhus-Sieg für den freien Wettbewerb, denn die Agentur-Verträge sollten ja gerade dazu dienen, auch anderen Wettbewerbern neben Amazon in den USA eine Chance zu geben und dadurch den Wettbewerb zu stärken. Und so hat Paul Aiken, Geschäftsführer des US-Schriftsteller-Verbandes, sicher Recht mit der Bemerkung, das Urteil festige die Marktmacht von Amazon und beschleunige die Konzentration des Marktes, die Waffen des Justizministeriums zielten somit in die falsche Richtung, wenn man bedenke, dass der Anteil von Amazon auf dem US-E-Book-Markt vor Einführung des Agency-Modells 90 % betragen habe.
Den ohnehin nur noch rudimentär vorhandenen stationären Buchhandel in den USA trifft die Entscheidung hart, Barnes & Noble ebenso wie die unabhängigen Buchhändler. In Deutschland sehen Gesetzgeber und Justiz den Buchmarkt erfreulich deutlich differenzierter. Der Schutz der kleineren Buchhandlungen vor der Marktmacht von Großanbietern ist ausdrückliches Ziel des politisch nach wie vor unumstrittenen Buchpreisbindungsgesetzes. Auch die deutschen Gerichte haben immer wieder die Position des inhabergeführten stationären Buchhandels gestärkt, in letzter Zeit vor allem durch das Verbot von Versuchen überregionaler Online-Händler, durch Attraktionen verschiedenster Art einen Preiswettbewerb durch die Hintertür einzuführen. Das Vorgehen der US-Regierung gegen Verlage bei deren Bestreben, sich selbst und den Buchhandel vor der absoluten Marktdominanz von Amazon zu schützen, macht deutlich, welch unterschiedliche Vorstellungen beide Länder vom Buchmarkt haben und wie schwer es sein wird, durchaus einäugige US-Vorstellungen vom Wohl des Konsumenten in Einklang zu bringen mit europäischen Überzeugungen, welche Rahmenbedingungen der Buchmarkt zum Erhalt einer jahrhundertealten Buchkultur im Interesse der Buchkäufer braucht. Die Auseinandersetzungen um die Agenturverträge in den USA zeigen, wie Recht Frankreich hat, das sich aus guten Gründen am entschiedensten von allen EU-Ländern gegen die Einbeziehung des Kulturbereichs in die Freihandels-Gespräche mit den USA wehrt.
Dieter Wallenfels ist Preisbindungstreuhänder der deutschen Verlage.