Das Geschäft mit Büchern wird schon lange von Technik bestimmt, von Datenbanken wie dem VLB (Verzeichnis Lieferbarer Bücher) und den elektronischen Katalogen der Barsortimente. Ihre Nützlichkeit würde heute keiner mehr infrage stellen: Sie bilden den Markt in einer Detailgenauigkeit ab, um die andere Branchen die Buchwelt beneiden, garantieren Büchern weithin Sichtbarkeit und effizientes Arbeiten und haben auch wesentlich dazu beigetragen, Büchern im großen Stil den Weg in den E-Commerce zu ebnen.
Mit dem Umzug der Vorschau auf den Bildschirm könnte jetzt etwas Ähnliches passieren. Wieder wird ein vertrautes Werkzeug auf digitales Terrain geschickt. Und wieder wird sich damit vieles ändern: die Sichtbarkeit von Büchern, das Miteinander zwischen Verlagen und ihren Zielgruppen, die Chancen auf zusätzlichen Umsatz. Im Vergleich zu dem, was kommt, wirken die statischen Blätter-PDFs der vergangenen Jahre regelrecht antiquiert.
Derzeit sind drei Anbieter dabei, die Blätter-PDFs abzulösen und auf diesem Weg das Instrument Vorschau für die Branche neu zu erfinden:
- SoftPoint, IT-Partner von Einkaufsgemeinschaften wie der Genossenschaft eBuch, mit dem Vorschaudienst Novi24,
- das Unternehmen Above the Treeline aus den USA und sein deutscher Vertriebspartner Harenberg Kommunikation (»Buchreport«) mit Edelweiss,
- die Börsenvereinstochter MVB und Newbooks Solutions mit dem Titelinformationssystem VLB-TIX.
Gemeinsamkeiten: Vorzüge der Print-Vorschau digital abbilden
Ihre Konzepte liegen nah beieinander, weisen derzeit aber – und das nicht nur in Details – auch gravierende Unterschiede auf. Gemeinsam ist den Systemen, dass sie versuchen, den Vorzügen der Print-Vorschau eine digitale Entsprechung zu geben und den Medienbruch abzuschaffen.
Darüber hinaus erhält das Werkzeug in seiner digitalen Variante von jedem Anbieter noch weitere Funktionen – Funktionen, die sich durch die Vernetzung und die umfassende, eigenständige Katalogisierung von Novitäten ergeben. Die Systeme erlauben es zum Beispiel, Notizen zu einem Titel zu hinterlassen und sich darüber mit Kollegen auszutauschen (in einer geschlossenen Gruppe), sie wollen den Kontakt zu Verlagen (und Vertretern) ermöglichen, das Erstellen von verlagsübergreifenden, individuellen Titellisten und den Zugriff auf Marketingmaterial. All das mit dem Ziel, den Einkauf von Novitäten für Buchhändler übersichtlicher und effizienter zu gestalten.
Unterschiede: Titelzahl, Zusatzinformationen, Service, Bedienbarkeit
Unterschiede sind jedoch zwangsläufig, allein deshalb, weil jedes System eine andere Entstehungsgeschichte hat. Zum Beispiel mit Blick auf die Datenbasis – dem wichtigsten Faktor auf dem Weg zu Relevanz am Markt.
Während Edelweiss seine Daten bislang ausschließlich von Verlagen bezieht (in Kürze auch von Libri), binden SoftPoint und das Joint Venture von MVB und Newbooks Solutions Daten aus bestehenden Katalogen ein – Softpoint erhält die Titeldaten für Novi24 vom Barsortiment Libri, bei VLB-TIX haben Nutzer Zugriff auf den kompletten Novitätenbestand des VLB. In beiden Fällen werden die Einträge von Verlagen angereichert (mit Rezensionen, Verkaufsargumenten, Videos u. a.); in VLB-TIX fließen zudem Metadaten aus der Datenbank von Newbooks Solutions mit ein. (Konkrete Angaben dazu gibt finden Sie in der Übersicht, die wir zum Download anbieten, siehe unten).
Zweiter wesentlicher Unterschied: das Angebot an Zusatz-Services. MVB und Newbooks Solutions etwa ergänzen den Vorschaudienst durch einen Rundum-Service in Sachen Datenqualität (redaktionelle Dienstleistungen, thema-Klassifikation, Verschlagwortung) und unterstützen Buchhändler mit der Funktion Approval-Plan, die Vorschlagslisten für Bibliotheken und Firmenkunden erstellt. Edelweiss bietet unter anderem eine interne Verwaltung von Kundenadressen und Novi24 standardmäßig die Option, sich über die Blick-ins-Buch-Funktion über den Titelinhalt zu informieren.
Die Rechercheoptionen und, damit verbunden, die Faktoren visuelle Gestaltung und Benutzerfreundlichkeit (»User Experience«) packen die Anbieter ebenfalls unterschiedlich an. Novi24 etwa arbeitet auf Wunsch seiner Nutzer derzeit noch mit einem vergleichsweise groben Suchraster aus Autor, Titel, ISBN, Verlag, Warengruppe, Erscheinungsmonat; die Konkurrenten Edelweiss und VLB-TIX setzen von Anfang an auf – ebenfalls vergleichsweise – recht umfangreiche Filterfunktionen (die auch nach Stich- und Schlagworten suchen).
Noch größer sind die Abweichungen zwischen den Systemen beim Design, wenn auch möglicherweise nicht mehr lange: Dass es nicht nur auf das Titelvolumen, sondern auch auf die Bedienbarkeit ankommt, ist ungeschriebenes Gesetz.
Novi24 wurde gerade optisch neu aufgesetzt, lässt sich nun plattformunabhängig sowohl am Computer als auch auf mobilen Geräten komfortabel bedienen. Für VLB-TIX gilt das Gleiche: Auch hier orientieren sich die Entwickler an den Nutzergewohnheiten von heute – bei Edelweiss wiederum schaffen die Programmierer erst jetzt die Voraussetzungen, um die eher nüchtern geratene, starre Datenbank-Optik aufzubrechen.
Der Marathon der Wettbewerber beginnt
Alle drei Systeme können für sich beanspruchen, aus der Praxis heraus entwickelt worden zu sein, mit dem Know-how erfahrener Buchhändler und Verlagsmitarbeiter.
Das ist gut für die Vorschau-Datenbanken, verschärft aber den Wettbewerb: In den nächsten Monaten werden sich die Anbieter ein Rennen liefern – um die kritische Masse an Nutzern und Titeldaten zu erreichen. Welches System sich durchsetzt und ob der deutschsprachige Raum vielleicht doch für mehr als ein, zwei Vorschau-Dienste Platz bietet, dürfte sich ab 2016 nach und nach abzeichnen. Im vierten Quartal wird das Joint Venture von MVB und Newbooks Solutions seine Tests beenden und VLB-TIX offiziell an den Start heben – mit dem Anspruch, eine Branchenlösung zu sein. Novi24 ist bereits länger im Einsatz, bei Edelweiss beginnt in diesen Wochen die Einführungsphase.
Angaben zum Status quo, Datenquellen, Titelzahlen, Leistungen und den Plänen für das laufende Jahr finden Sie in einer Übersicht, die boersenblatt.net als PDF zum Download anbietet (siehe Link, unten).